Leitsatz (amtlich)
Ist ein Bevollmächtigter bereits in dem Verwaltungsverfahren hinzugezogen worden, das dem Vorverfahren im Sinne des § 139 FGO vorangegangen ist, so ist nur der Teil der Gebühren des Bevollmächtigten erstattungsfähig, der auf dessen Tätigkeit im Vorverfahren zurückzuführen ist.
Normenkette
FGO § 44 Abs. 1, §§ 139, 148 Abs. 3, § 149; BRAGO §§ 12, 118-119
Tatbestand
„Namens und im Auftrag” des Beschwerdeführers übersandte der Bevollmächtigte dem FA den Antrag, für die Zeit ab 1. Januar 1965 Familienermäßigung bei der Vermögensabgabe zu gewähren. Durch Schreiben an den Bevollmächtigten vom 27. Oktober 1965 lehnte das FA den Antrag ab. Der Bevollmächtigte legte dagegen „namens und im Auftrag” der Beschwerdeführer Einspruch ein. Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück. Die daraufhin erhobene Klage hatte Erfolg. In dem Urteil V 142/66 LA vom 28. Juni 1967 entschied das FG u. a., daß das FA die Kosten des Verfahrens zu tragen habe und daß die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt werde. Den Streitwert für den Einspruch und die Klage setzte das FG auf je 380 DM fest.
Die Beschwerdeführer beantragten danach u. a., die für das Vorverfahren zu erstattenden Gebühren und Auslagen auf 71,90 DM festzusetzen. Der vom Urkundsbeamten festgesetzte, vom FA zu erstattende Gesamtbetrag von 62,50 DM enthielt für das Vorverfahren jedoch nur einen Betrag von 7,50 DM, das sind 3/10 einer Gebühr. Mit der dagegen eingelegten Erinnerung strebten die Beschwerdeführer die Erstattung von 8/10 einer Gebühr an. Das FG wies die Erinnerung durch Beschluß vom 29. November 1968 als unbegründet zurück. In den Gründen führt es aus, Kosten für das Vorverfahren seien nicht nachweisbar. Es sei nicht auszuschließen, daß die volle Gebühr bereits im Verwaltungsverfahren entstanden sei. Eine Verböserung sei jedoch nicht statthaft.
Gegen den Beschluß ließ das FG die Beschwerde zu.
Die Beschwerdeführer legten Beschwerde ein mit dem Antrag, den Beschluß des FG aufzuheben und der Erinnerung zu entsprechen.
Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Beschwerde ist nicht begründet.
Aufwendungen über 7,50 DM hinaus sind den Beschwerdeführern für das Vorverfahren nicht zu erstatten. Der Auffassung, daß die nach den §§ 118 Abs. 1 Nr. 1, 119 Abs. 1 BRAGebO zu berechnende Gebühr nach § 139 Abs. 3 FGO in vollem Umfang zu erstatten sei (vgl. Beschlüsse des FG Düsseldorf VI 110/67 EK vom 23. Oktober 1967, EFG 1968, 77 und des FG Bremen I 40/68 Er vom 17. Dezember 1968, EFG 1969, 192; Kaiser: Die Kostenfestsetzung gemäß § 149 FGO und ihr Verfahren, DStR 1968, 439), vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Zur Begründung dieser Auffassung wird im wesentlichen ausgeführt, die Gebühren nach § 118 BRAGebO seien, soweit der Bevollmächtigte bereits im Verwaltungsverfahren, das dem Vorverfahren vorangegangen ist, tätig geworden sei, schon im Verwaltungsverfahren entstanden. Da das Verwaltungsverfahren und das Vorverfahren nach § 119 Abs. 1 BRAGebO eine Angelegenheit seien, könnten die Gebühren nicht entsprechend der Tätigkeit des Bevollmächtigten im Verwaltungsverfahren einerseits und im Vorverfahren andererseits aufgeteilt werden. Es widerspreche aber dem Sinn und Zweck des § 139 FGO, die Erstattung der Gebühren mit der Begründung zu versagen, daß sie bereits im Verwaltungsverfahren entstanden seien. Dagegen ist einzuwenden, daß es dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers widerspricht, die Aufwendungen für das Verwaltungsverfahren, das dem Vorverfahren vorangegangen ist, als erstattungsfähig anzuerkennen. Nach § 139 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 3 FGO gehören nur die Kosten des Vorverfahrens zu den erstattungsfähigen Kosten. Das Vorverfahren im Sinne der FGO umfaßt aber nur das Verfahren über den außergerichtlichen Rechtsbehelf, wie sich aus § 44 Abs. 1 FGO ergibt. Aus der Regelung in § 119 Abs. 1 BRAGebO, nach der das Vorverfahren und das vorangegangene Verwaltungsverfahren eine Angelegenheit sind, kann nicht gefolgert werden, daß auch die Aufwendungen für die Tätigkeit des Bevollmächtigten in dem Verwaltungsverfahren zu erstatten sind. Für die Entscheidung über die Erstattung ist allein § 139 FGO und nicht § 119 Abs. 1 BRAGebO maßgebend. Die Regelung in § 119 Abs. 1 BRAGebO hat nur für die Gebührenforderung des Bevollmächtigten, nicht aber für die Frage Bedeutung, in welchem Maße die geforderten Gebühren zu erstatten sind.
§ 119 Abs. 1 BRAGebO steht auch nicht der Aufteilung der Gebühren nach § 118 BRAGebO entsprechend der Tätigkeit des Bevollmächtigten im Vorverfahren einerseits und im Verwaltungsverfahren andererseits entgegen. Die Regelung in § 119 Abs. 1 BRAGebO bewirkt lediglich, daß die Tätigkeit des Bevollmächtigten im Vorverfahren nicht erneut Gebühren nach § 118 BRAGebO auslöst, wenn derartige Gebühren bereits in dem Verwaltungsverfahren entstanden sind. Das schließt aber nicht aus, daß die bereits im Verwaltungsverfahren entstandenen Gebühren sich durch die Tätigkeit des Bevollmächtigten im Vorverfahren erhöhen. Bei den Gebühren nach § 118 BRAGebO handelt es sich um Rahmengebühren im Sinne des § 12 BRAGebO, deren Höhe insbesondere unter Berücksichtigung der Bedeutung der Angelegenheit sowie des Umfangs und der Schwierigkeit der Tätigkeit des Bevollmächtigten zu bestimmen ist. Danach ist die Tätigkeit des Bevollmächtigten im Vorverfahren für die Höhe der Gebühren nach § 118 BRAGebO in der Regel dann von Bedeutung, wenn der Bevollmächtigte bereits im Verwaltungsverfahren derartige in § 118 BRAGebO genannte Tätigkeiten ausgeübt hat, ohne daß dadurch 10/10 Gebühren entstanden sind. Durch die Tätigkeit des Bevollmächtigten im Vorverfahren wird dann nämlich in jedem Fall der für die Höhe der Gebühren bedeutsame Umfang der Tätigkeit erweitert.
Der Senat schließt sich der Auffassung an, daß lediglich dieser Teil einer Gebühr nach § 118 BRAGebO, der auf die Tätigkeit des Bevollmächtigten im Vorverfahren zurückzuführen ist, nach § 139 FGO erstattungsfähig ist (vgl. Beschluß des FG Düsseldorf V 89/67 EK vom 26. September 1967, EFG 68, 220; Klempt-Meyer: Das Kostenrecht des Steuerprozesses, 1969 S. 120 f.; Bieler: Erstattung der Kosten eines Bevollmächtigten im steuerlichen außergerichtlichen Vorverfahren, „Der Betrieb” 1968 S. 459 [460]).
Der Auffassung des FG, daß dieser Teil nicht bestimmt werden könne, vermag der Senat nicht zu folgen. Er verkennt dabei nicht die Schwierigkeiten, die mit der Entscheidung verbunden sind, in welchem Maße eine Gebühr nach § 118 BRAGebO durch die Tätigkeit des Bevollmächtigten im Verwaltungsverfahren entstanden ist und in welchem Maße die Gebühr sich durch die Tätigkeit des Bevollmächtigten im Vorverfahren erhöht hat. Derartige Schwierigkeiten bestehen aber nicht nur in den Fällen, in denen zu entscheiden ist, ob sich die Gebühren nach § 118 BRAGebO durch entsprechende Tätigkeiten des Bevollmächtigten erhöht haben. Sie sind vielmehr auch dann gegeben, wenn zu entscheiden ist, in welchem Maße die in § 118 BRAGebO vorgesehenen Gebühren durch die Tätigkeiten des Bevollmächtigten entstanden sind. Im Rahmen der Erstattung nach § 139 FGO ist eine derartige Entscheidung immer dann notwendig, wenn der Bevollmächtigte nur im Vorverfahren tätig geworden ist. Auch in diesen Fällen kann die Erstattung der Gebühr nach § 118 BRAGebO nicht unter Hinweis auf die Schwierigkeiten abgelehnt werden, die mit der Bestimmung der Gebührenhöhe verbunden sind.
Der Einwand der Steuerpflichtigen, daß der Bevollmächtigte, der erst im Vorverfahren und nicht bereits im Verwaltungsverfahren tätig geworden sei, durch die Erstattung der durch seine Tätigkeit entstandenen Kosten besser gestellt sei, ist nicht gerechtfertigt. Die Steuerpflichtigen übersehen, daß durch die Entscheidung über die Erstattung die Gebührenforderung des Bevollmächtigten nicht beeinträchtigt wird. Er kann von seinen Auftraggebern auch den Teil der entstandenen Gebühren fordern, der nicht erstattet wird.
Der Senat stimmt der Auffassung des Urkundsbeamten des FG zu, daß der Bevollmächtigte für die Tätigkeit im Verwaltungsverfahren nach § 118 BRAGebO in jedem Fall 5/10 einer Gebühr verlangen kann und daß für die Erstattung nur der Teil der Gebühren in Betracht kommt, der über 5/10 hinausgeht. Weniger als 5/10 einer Gebühr können nach § 118 BRAGebO durch die Tätigkeit im Verwaltungsverfahren nicht entstehen.
Der Senat hält die Berechnung von 8/10 einer Gebühr für die gesamte Tätigkeit des Bevollmächtigten im Verwaltungs- und Vorverfahren für angemessen, zumal dagegen auch von seiten der Steuerpflichtigen Einwendungen nicht erhoben worden sind. Er folgt weiter der Entscheidung des Urkundsbeamten des FG, nach der dem Steuerpflichtigen für das Vorverfahren 3/10 einer Gebühr zu erstatten sind.
Die Steuerpflichtigen sind dadurch nicht deshalb benachteiligt, weil ihnen mindestens 5/10 einer Gebühr zu erstatten gewesen wären, wenn der Bevollmächtigte erst im Vorverfahren tätig geworden wäre. Nach § 139 FGO sind, wie bereits dargelegt, nur die Kosten zu erstatten, die auf die Tätigkeit des Bevollmächtigten im Vorverfahren zurückzuführen sind. In den Fällen, in denen ein Bevollmächtigter bereits im Verwaltungsverfahren tätig war, werden diese Kosten schon deshalb niedriger sein als in den Fällen, in denen ein Bevollmächtigter erst im Vorverfahren zugezogen wird, weil der Gebührenanteil, der dem bereits im Verwaltungsverfahren hinzugezogenen Bevollmächtigten für seine Tätigkeit im Vorverfahren zuzubilligen ist, im allgemeinen niedriger sein wird, als der Gebührenteil, der den erst im Vorverfahren hinzugezogenen Bevollmächtigten für seine Tätigkeit zuzugestehen sein wird. Der Grund liegt darin, daß der Bevollmächtigte, der bereits im Verwaltungsverfahren tätig war, im Vorverfahren weniger zu leisten braucht als derjenige Bevollmächtigte, der erst im Vorverfahren hinzugezogen wird. Letzterer muß sich erst im Vorverfahren in die streitige Angelegenheit einarbeiten, während der bereits im Verwaltungsverfahren tätige Bevollmächtigte zu Beginn seiner Tätigkeit im Vorverfahren mit der streitigen Angelegenheit schon vertraut ist.
Fundstellen
Haufe-Index 557295 |
BStBl II 1970, 219 |
BFHE 1970, 512 |