Entscheidungsstichwort (Thema)

Erledigung der Hauptsache im Revisionsverfahren

 

Leitsatz (NV)

1. Eine prozessuale Erklärung kann auch im Revisionsverfahren dann als Erledigungserklärung angesehen werden, wenn durch sie ein außerprozessuales, den Rechtsstreit in der Hauptsache erledigendes Ereignis mit dem Ziel in das Verfahren eingeführt werden soll, daß das Sachbegehren des Verfahrens vor dem FG wegen Gegenstandslosigkeit nicht mehr weiterverfolgt und der Rechtsstreit deshalb ohne Entscheidung über das Sachbegehren beendet werden soll.

2. Zur Wirksamkeit der von einem Beteiligten persönlich abgegebenen Erledigungserklärung.

3. Gibt das FA bei der Abgabe der Erledigungserklärung zu erkennen, daß es die Aufrechterhaltung seines vom Kläger angefochtenen Ersuchens um Auskunft nicht mehr für gerechtfertigt hält, so darf es in der Regel durch die gerichtliche Ermessensentscheidung über die Kosten nicht günstiger gestellt werden, als es gestanden hätte, wenn es das Ersuchen zurückgenommen hätte.

 

Normenkette

FGO § 138 Abs. 1

 

Tatbestand

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) forderte den Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) unter Berufung auf die Abtretung der Rentenansprüche der Frau X an ihn auf, ,,zur Prüfung der Ernsthaftigkeit der Abtretung, innerhalb von vier Wochen nach Erhalt dieses Schreibens die Abtretungserklärung im Original vorzulegen und die folgenden Punkte näher zu erläutern:

1. Welcher Sachverhalt liegt der Abtretungserklärung zugrunde . . .?

2. Wurden bereits vor der Abtretungsanzeige bei der B. . . . Beträge aufgrund der Abtretung (gegebenenfalls von Frau X selbst) an Sie entrichtet?"

Der Abtretungserklärung evtl. zugrunde liegende Darlehensverträge bat das FA ebenfalls vorzulegen. Das Ersuchen um ,,Vorlage der Urkunden" und ,,Erteilung der Auskünfte" stützte das FA auf § 92 Abs. 1 Nr. 1 und 2, § 93 Abs. 1 Satz 3, § 97 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977).

Die Beschwerde gegen dieses Ersuchen wies die Oberfinanzdirektion (OFD) als unbegründet zurück. In den Gründen der Beschwerdeentscheidung führt die OFD aus, der Kläger werde mit dem Ersuchen - des FA - als auskunftspflichtiger Dritter in Anspruch genommen. Die Entscheidung des FA sei ermessensgerecht. Die Vorlage einer Abtretungsanzeige bei der Drittschuldnerin erst nach einer vorherigen Pfändungsmaßnahme des FA begründe erhebliche Zweifel an der Ernsthaftigkeit der vorgeblichen Abtretung.

Die Klage führte zur Aufhebung des Ersuchens und der Beschwerdeentscheidung. Das Finanzgericht (FG) ließ gegen sein Urteil die Revision zu. Nachdem das FA fristgerecht Revision eingelegt und diese auch begründet hatte, erklärte es ,,die Revision für erledigt" und beantragte, die Kosten des Verfahrens dem Kläger aufzuerlegen. Das FA macht geltend, Streitgegenstand sei ,,neben der Rechtmäßigkeit eines Auskunftsersuchens . . . insbesondere die Rechtmäßigkeit der Aufforderung . . . an den Kläger zur Vorlage des Originals der Abtretungserklärung zwecks Echtheitsprüfung und Altersbestimmung durch das Zollkriminalinstitut". Dieses Ziel lasse sich auch bei einem für das FA günstigen Ausgang des Revisionsverfahrens aus technischen Gründen nicht mehr erreichen. Das Zollkriminalinstitut habe mitgeteilt, eine Altersbestimmung lasse sich nur durchführen, wenn die handschriftlichen Eintragungen nicht älter als zwei Jahre seien. Dieser Zeitraum sei zwischenzeitlich abgelaufen.

Der Kläger erwiderte, er sei damit einverstanden, daß der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt werde.

 

Entscheidungsgründe

Aufgrund der Ausführungen der Beteiligten über die Erledigung ist nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden, die nach § 138 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) dem FA aufzuerlegen sind.

1. Die Ausführungen der Beteiligten über die Erledigung enthalten übereinstimmende Erledigungserklärungen, die ohne Rücksicht darauf, ob tatsächlich ein erledigendes Ereignis eingetreten ist, zur Folge haben, daß der Rechtsstreit sich in der Hauptsache erledigt hat (vgl. Beschluß des Senats vom 15. April 1986 VII R 152/83, BFH/NV 1986, 757, 758).

a) Die Erledigungserklärung des FA ist aus dessen Ausführungen über die Erledigung der Revision zu entnehmen.

Eine prozessuale Erklärung kann dann als Erledigungserklärung angesehen werden, wenn durch sie ein außerprozessuales, den Rechtsstreit in der Hauptsache erledigendes Ereignis mit dem Ziel in das Verfahren eingeführt werden soll, daß das Sachbegehren des Verfahrens vor dem FG wegen Gegenstandslosigkeit nicht mehr weiterverfolgt (vgl. Beschlüsse des Senats vom 17. Juli 1979 VII B 20/77, BFHE 128, 327, 328, BStBl II 1979, 707, und vom 10. Januar 1985 VII B 59/84, BFH/NV 1986, 44) und der Rechtsstreit deshalb ohne Entscheidung über das Sachbegehren beendet werden soll (vgl. Kühn / Kutter / Hofmann, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 15. Aufl., § 138 FGO Erläuterungen 1).

Den Ausführungen des FA ist zu entnehmen, daß seine Erklärung über die Erledigung der Revision auf dieses Ziel gerichtet ist. Denn in diesen Ausführungen kommt zum Ausdruck, daß es eine Entscheidung über das Sachbegehren des Klägers im Verfahren vor dem FG wegen Gegenstandslosigkeit offenbar nicht mehr für möglich hält. Das rechtfertigt die Auslegung der Ausführungen des FA dahin, daß dieses entgegen dem Wortlaut in seiner Erklärung den gesamten Rechtsstreit und nicht nur das Revisionsverfahren in der Hauptsache für erledigt erklären wollte, weil es den Sachantrag des Klägers und nicht sein eigenes Revisionsbegehren, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen, für gegenstandslos hält.

b) Aus den Ausführungen des Klägers ergibt sich, daß sich der Kläger der Erledigungserklärung des FA anschließen wollte.

Der Wirksamkeit dieser Erledigungserklärung steht nicht entgegen, daß der Kläger sie persönlich und nicht durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer als Bevollmächtigten abgegeben hat (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 17. September 1982 VI R 62/82, BFHE 136, 448, BStBl II 1983, 25).

2. Über die Auferlegung der Kosten ist nach § 138 Abs. 1 FGO zu entscheiden. Die Voraussetzungen des § 138 Abs. 2 FGO sind nicht erfüllt.

Nach § 138 Abs. 1 FGO ist die Kostenentscheidung in das billige Ermessen des Gerichts gestellt, wobei der bisherige Sach- und Streitstand zu berücksichtigen ist. Nach diesem Sach- und Streitstand entspricht es billigem Ermessen, dem FA die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Das FA ist erkennbar der Meinung, eine Aufrechterhaltung des Ersuchens an den Kläger um Vorlage der Abtretungserklärung und Auskunft sei nicht mehr gerechtfertigt, weil das mit dem Ersuchen angestrebte Ziel nicht mehr erreicht werden könne. Trifft das zu, so könnte das FA das Ersuchen mit Wirkung für die Zukunft zurücknehmen (§ 130 Abs. 1 AO 1977). Dadurch träte eine Situation ein, die nach § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO zur Folge hätte, daß dem FA die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen wären. Das FA kann nicht erwarten, daß es aufgrund der Ermessensentscheidung über die Kosten nach § 138 Abs. 1 FGO günstiger gestellt wird, als es gestanden hätte, wenn es das Ersuchen inzwischen zurückgenommen hätte. Dabei kann unberücksichtigt bleiben, aus welchen Beweggründen das FA sich von der Weiterverfolgung des Ersuchens keinen Erfolg mehr verspricht. Auch bei einer Kostenentscheidung nach § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO wegen Rücknahme oder Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts kommt es auf die Beweggründe der Änderung oder Rücknahme nicht an (Beschluß des BFH vom 29. September 1976 I B 15/76, BFHE 120, 139, 141, BStBl II 1977, 37).

 

Fundstellen

Haufe-Index 417113

BFH/NV 1991, 107

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