Leitsatz (amtlich)
Die Rechtsfrage, ob die Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer an der Grenze zu Abgaben zollgleicher Wirkung i. S. der Art. 9 und 12 EWGV oder zur Erhebung höherer inländischer Abgaben i. S. des Art. 95 EWGV oder zu Maßnahmen gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen i. S. des Art. 30 EWGV führt, ist unter Beachtung der Rechtsprechung des EGH hinreichend geklärt.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3; EWGV Art. 9; EWGVtr Art. 12; EWGV Art. 30; EWGVtr Art. 95; EWGRL 388/77 Art. 23 S. 2
Tatbestand
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Beschwerdeführerin) beantragte am 15. Februar 1979 durch einen Spediteur als Bevollmächtigten beim Zollamt (ZA), einer Dienststelle – Beklagten und Beschwerdegegners (Hauptzollamt – HZA –) eine aus den Niederlanden eingeführte Partie Molkenpulver zum freien Verkehr abzufertigen. Die eingeführte Ware unterlag ausschließlich der Einfuhrumsatzsteuer, und die Beschwerdeführerin war nach § 15 des Umsatzsteuergesetzes 1973 (UStG 1973) zum Vorsteuerabzug berechtigt. Das ZA setzte die Einfuhrumsatzsteuer auf 1 709 DM fest.
Die Beschwerdeführerin erhob gegen die Steuerfestsetzung mit Zustimmung des HZA Sprungklage mit der Begründung, die Einfuhrumsatzsteuer und vor allem ihre Begleitumstände, wie die Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung (Zollanmeldung) und zur Entrichtung der Steuer im Zusammenhang mit der Abfertigung der Ware zum freien Verkehr, verstießen gegen das Verbot der Erhebung von Abgaben zollgleicher Wirkung im Handelsverkehr der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften (EG) untereinander (Art. 9, 12, 13 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft – EWG-Vertrag (EWGV) – Art. 22 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 – VO Nr. 804/68 – des Rates vom 27. Juni 1968, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften – ABlEG – Nr. L 148/13 vom 28. Juni 1968), gegen das Verbot von Maßnahmen gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen (Art. 30, 31 EWGV; Art. 22 Abs. 1 VO Nr. 804/68), gegen das Verbot der Beibehaltung von Hemmnissen im Warenverkehr innerhalb der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft – EWG – (Art. 9 Abs. 1, Art. 3 Buchst a EWGV) und gegen das Gebot zur Harmonisierung der Umsatzsteuer (Art. 99, 100 EWGV). Zumindest sei es mit dem EWG-Vertrag nicht vereinbar, daß die Einfuhrumsatzsteuer bereits bei der Einfuhr angemeldet und entrichtet werden müsse, während die Erstattung erst geraume Zeit später erfolge. Aus Art. 23 Satz 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer – Sechste Richtlinie – (ABlEG Nr. L 145/1 vom 13. Juni 1977) i. V. m. den Regeln des EWG-Vertrages über den freien Warenverkehr ergebe sich ein Recht des Gemeinschaftsbürgers, die Einfuhrumsatzsteuer ebenso wie die Umsatzsteuer auf inländische Umsätze erst nachträglich und gesammelt für bestimmte Zeiträume (Voranmeldungszeiträume) anzumelden und zu entrichten. Ein solches Verfahren werde von den Benelux-Ländern schon heute praktiziert.
Die Beschwerdeführerin legte wegen Nichtzulassung der Revision Beschwerde ein mit folgender Begründung:
Die grundsätzliche Bedeutung erblicke sie – die Beschwerdeführerin – in folgendem:
Einmal gehe es um die Abgrenzung der Anwendungsbereiche der Art. 9, 12, 30, 95 EWGV im Hinblick auf die Einfuhrumsatzsteuer und die mit ihrer Festsetzung und Erhebung verbundenen Belastungen und Schwierigkeiten. Bei der Gewichtung der Abgrenzung lasse sich der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EGH) entscheidend von dem Gesichtspunkt der Herstellung des freien Warenverkehrs innerhalb des gemeinsamen Marktes leiten. Der EGH habe erkannt, daß die Harmonisierungsbestrebungen ins Stocken geraten seien und daß ohne eine mutige Rechtsprechung nicht damit gerechnet werden könne, daß innerhalb absehbarer Zeit die Grenzhemmnisse abgebaut würden. Die Festsetzung und die Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer sei eines der wesentlichen Grenzhemmnisse im innergemeinschaftlichen Warenverkehr.
Zum anderen entsprächen die Abgrenzung der Verbotsnormen und ihre Auslegung durch das Urteil des Finanzgerichts (FG) nicht der Rechtsprechung des EGH. Die Einfuhrumsatzsteuer könne nicht als ein Pendant zur Mehrwertsteuer angesehen werden. Sie habe nicht die Funktion einer echten Steuer, die zum Staatshaushalt beitrage. Sie stelle vielmehr wirtschaftlich und finanzrechtlich eine administrative Leerform, dar, deren Zweck allenfalls damit erklärt werden könne, die aus einem Mitgliedstaat der EG importierte Ware technisch in das nationale Mehrwertsteuersystem zu überführen. Einer derartigen Überführung bedürfe es jedoch nicht, wie durch Art. 23 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie sowie durch das in einigen anderen Mitgliedstaaten praktizierte Verfahren bewiesen werde. In diesem Zusammenhang verweise sie - die Beschwerdeführerin – auf das Urteil des EGH vom 29. November 1978 Rs. 83/78 (EGHE 1978, 2375. Tz. aus dem klar hervorgehe, daß die Freiheit des Handelsverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten den obersten Stellenwert habe und Grenzeingriffe, gleich welcher Art, auf das geringste Maß zu reduzieren seien. Bei der Anwendung des Art. 95 EWGV würde die Einfuhrumsatzsteuer gegen das nach dieser Vorschrift bestehende Diskriminierungsverbot verstoßen. Die an der Grenze erhobene Einfuhrumsatzsteuer erfordere in aller Regel die Einschaltung eines Spediteurs und sei infolgedessen mit Kosten verbunden. Die Mehrwertsteuer eines inländischen Lieferanten könne demgegenüber ohne jegliche Zahlung sofort im Wege des Vorsteuerabzugs geltend gemacht werden. Hier handele es sich um eine reine buchmäßige Berücksichtigung. Nach Art. 95 EWGV sei nicht nur der Satz der inländischen Abgabe zu berücksichtigen, die einheimische und eingeführte Erzeugnisse unmittelbar oder mittelbar belasteten, sondern auch deren Bemessungsgrundlagen und die Einzelheiten ihrer Erhebung (Urteil des EGH vom 22. März 1977 Rs. 74/76, EGHE 1977, 557, 578, Tz. 21). Zumindest sei Art. 30 EWGV verletzt. Diese Vorschrift sei im konkreten Fall neben Art. 95 EWGV anwendbar, da die Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer an der Grenze mit Erschwernissen und finanziellen Belastungen verbunden sei, die über den Anwendungsbereich des Art. 95 EWGV hinausgingen und von dem Verbot der Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen erfaßt wurden (Urteil des EGH in EGHE 1977, 557 574 f, Tz. 8, 9, 10). Die Erschwernisse und die zusätzlichen Kosten habe sie – die Beschwerdeführerin – bereits ausführlich dargelegt Art. 23 der Sechsten Richtlinie eröffne die Möglichkeit die bei der Einfuhr von Gegenständen zu entrichtende Umsatzsteuer nicht zum Zeitpunkt der Einfuhr, sondern im Zusammenhang mit der monatlichen Umsatzsteuererklärung des Importeurs zu erheben. In diesem Fall werde der Zollverwaltung bei der Einfuhr nur eine Handelsrechnung übergeben (Benelux-Modell). Der Importeur deklariere die Einfuhrumsatzsteuer bei der monatlichen Umsatzsteueranmeldung und bringe sie gleichzeitig im Wege des Vorsteuerabzugs wieder zum Abzug. Es handele sich also um einen reinen buchmäßigen Vorgang, der nicht die Einschaltung eines Spediteurs erfordere und keine zusätzlichen Kosten bereite, im Hinblick auf das Mehrwertsteuersystem aber die gleiche Wirkung habe. Die Berücksichtigung der Einfuhrumsatzsteuer werde von der Grenze in den Betrieb verlegt. Art. 30 EWGV solle im Lichte der Rechtsprechung des EGH dahin gehend ausgelegt werden, daß die in Art. 23 Satz 2 der Sechsten Richtlinie vorgesehene Möglichkeit zwingend vorgeschlagen sei.
Der Bundesfinanzhof (BFH) sei gemäß Art. 177 Abs. 3 EWGV zur Vorlage an den EGH verpflichtet, wenn er Zweifel daran habe, ob die Einfuhrumsatzsteuer überhaupt, zumindest aber ihre Erhebung an der Grenze gegen höherrangige Normen des EWG-Vertrages verstoße. Sie – die Beschwerdeführerin – habe die Zweifel ausführlich dargelegt.
Das HZA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist nicht begründet
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Um einer Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimessen zu können, muß die Entscheidung im Revisionsverfahren die Erhaltung der Rechtseinheit in ihrem Bestand oder eine Weiterentwicklung des Rechts versprechen. Nach der Rechtsprechung des BFH hat eine Rechtssache demgemäß nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn die für ihre Entscheidung maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. Beschluß vom 24. Juni 1969 II B 2/68, BFHE 96, 155, BStBl II 1969, 663). Dazu ist erforderlich, daß für die Entscheidung über die Revision voraussichtlich eine Rechtsfrage erheblich ist, die noch nicht oder – für die Entscheidung über die Revision – nicht hinreichend geklärt ist; die zuletzt genannte Voraussetzung kann auch dann vorliegen, wenn gegen höchstrichterliche Entscheidungen dieser Rechtsfrage beachtliche Gründe geltend gemacht werden (vgl. Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht, 12. Aufl., S. 810; Stein/Jonas, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 20. Aufl., § 546 Rdnr. 6). An diesen Voraussetzungen fehlt es jedoch im vorliegenden Fall.
Es ist nicht ersichtlich, daß – wie die Beschwerdeführerin offenbar meint – die Entscheidung über die Revision von Fragen der Abgrenzung zwischen den Anwendungsbereichen der Art. 9, 12, 30 und 95 EWGV abhängig ist, die – aufgrund der bisherigen Entscheidungen des EGH – noch nicht oder nicht hinreichend geklärt sind, oder daß gegen höchstrichterliche Entscheidungen über derartige Fragen beachtliche Gegengründe bestehen. Vielmehr bestehen unter Beachtung der einschlägigen Rechtsprechung des EGH auch über die Abgrenzung der genannten Anwendungsbereiche keine begründeten Zweifel dagegen, daß die Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer an der Grenze nicht – auch nicht wegen der Einschaltung eines Spediteurs bei der Zollanmeldung – zu Abgaben zollgleicher Wirkung i. S. der Art. 9, 12 EWGV, zu Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen i. S. des Art. 30 EWGV oder zur Erhebung höherer inländischer Abgaben i. S. des Art. 95 EWGV führt.
Die Einfuhrumsatzsteuer selbst kann schon deshalb nicht als Abgabe zollgleicher Wirkung angesehen werden, weil sie eine inländische Abgabe ist Nach der Rechtsprechung des EGH kann ein und dieselbe Abgabe nicht gleichzeitig zu den Abgaben zollgleicher Wirkung i. S. der Art. 9, 12 EWGV und zu den inländischen Abgaben i. S. des Art. 95 EWGV gehören (Urteil vom 25. Mai 1977 Rs. 77/76, EGHE 1977, 987, 1006). Der EGH hat weiter entschieden, daß Geldlasten dann nicht als Abgaben zollgleicher Wirkung anzusehen sind, wenn sie Bestandteil einer allgemeinen inländischen Abgabenregelung sind, die einheimische und eingeführte Erzeugnisse systematisch nach denselben Merkmalen erfaßt (Urteil vom 18. Juni 1975 Rs. 94/74, EGHE 1975, 699, 711), also sowohl auf eingeführte als auch auf einheimische Erzeugnisse erhoben werden (Urteil vom 22. März 1977 Rs. 78/76, EGHE 1977, 595, 614 f.) oder zumindest die Wirkung einer inländischen Abgabe ausgleichen sollen (Urteil vom 16. Juni 1966 Rs. 57/65, EGHE 1966, 257, 267). Nach dem Umsatzsteuergesetz 1973 gehört die Einfuhr von Gegenständen in das Zollgebiet zu den Umsätzen, die der inländischen Umsatzsteuer unterliegen (§ 1 Abs. 1 Nr. 3). Bemessungsgrundlage ist wie bei inländischen Umsätzen (§ 10 Abs. 1 UStG 1973) grundsätzlich das Entgelt (§ 11 Satz 2 UStG 1973). Auch der Steuersatz stimmt mit demjenigen für inländische Umsätze überein (§ 12 UStG 1973), so daß Einfuhren aus Mitgliedstaaten der EG und inländische Umsätze grundsätzlich nach einheitlichen Merkmalen mit der Umsatzsteuer belastet werden. Darüber hinaus soll die Einfuhrumsatzsteuer die Wirkungen der Umsatzsteuer für inländische Umsätze ausgleichen.
Eine Belastung der eingeführten Waren mit Abgaben zollgleicher Wirkung kann auch nicht daraus hergeleitet werden, daß bei der Abfertigung der Waren unter Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer in der Regel dadurch zusätzliche Kosten entstehen, daß der Importeur seine Aufgaben zur Durchführung der Abfertigung von Spediteuren vornehmen läßt. Dazu ist zunächst zu bemerken, daß die Einfuhrumsatzsteuer ihren Charakter als inländische Abgabe nicht schon deshalb verliert, weil ihre Erhebung zu weiteren Kosten führt. Aber auch die Kosten selbst sind nicht eine Abgabe zollgleicher Wirkung. Zwar können finanzielle Belastungen, die ihren Grund im Überschreiten der Grenze haben und mit den Verwaltungsformalitäten im Zusammenhang mit dem Überschreiten der Grenze verbunden sind, auch dann Abgaben zollgleicher Wirkung sein, wenn sie nicht zugunsten des Staates erhoben werden. Voraussetzung ist aber, daß sie zwingend an die Verwaltungsformalität geknüpft sind (vgl. Urteil des EGH vom 26. Februar 1975 Rs. 63/74, EGHE 1975, 281, 290 f.). Daran fehlt es aber bei den Spediteurkosten. Sie entstehen dadurch, daß der Einführer sich bei der Erledigung der Verwaltungsformalitäten durch einen Spediteur vertreten läßt, ohne rechtlich dazu gezwungen zu sein. Diese Belastungen, die also nicht zwingend an die Verwaltungsformalitäten geknüpft sind, können nicht als Abgaben i. S. der Art. 9, 12 EWGV angesehen werden.
Die Einfuhrumsatzsteuer kann auch nicht mit der Begründung als Abgabe zollgleicher Wirkung angesehen werden, daß deren Erhebung mit Verwaltungsformalitäten verbunden ist, die das Überschreiten der Grenze hemmen (vgl. insoweit auch Vaulont: Die Vereinfachung der Verfahren und Förmlichkeiten im innergemeinschaftlichen Warenverkehr im Lichte der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum Verbot der Erhebung von Abgaben zollgleicher Wirkung, „Europarecht” 1977 S. 1, 23 f. – EuR 1977, 1, 23 f. –, und dessen Anmerkung zum Urteil des FG Hamburg vom 30. Oktober 1978 IV 14/78 N in Recht der internationalen Wirtschaft/Außenwirtschaftsdienst des Betriebs-Beraters 1979 S. 271 – RIW/AWD 1979, 271 –). Maßgebend dafür, ob eine Abgabe zollgleicher Wirkung vorliegt, ist stets, daß das Überschreiten der Grenze zwingend zu einer finanziellen Belastung führt (vgl. EGHE 1975, 281, 290). Hemmnisse ohne zwingende finanzielle Belastungen, die sich aus der Anordnung von Verwaltungsformalitäten für das Überschreiten der Grenze ergeben, können für sich allein nicht Abgaben zollgleicher Wirkung sein.
Die Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer verstößt auch nicht gegen Art. 95 EWGV. Nach der Rechtsprechung der EGH bezweckt diese Vorschrift für die Anwendung inländischer Abgaben die Beseitigung direkter oder indirekter Diskriminierungen von eingeführten Waren (vgl. EGHE 1977, 595, 614 f, und EGHE 1977, 987, 1006), die dann vorliegen, wenn eingeführte Erzeugnisse gegenüber vergleichbaren einheimischen Erzeugnissen auf derselben Produktions- oder Handelsstufe durch die Anwendung der inländischen Abgabe höher belastet werden (vgl. EGHE 1977, 557, 578). Es sind jedoch keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, daß die von der Beschwerdeführerin eingeführten Waren durch die Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer höher belastet worden sind als vergleichbare inländische Waren, für die Umsatzsteuer erhoben wird.
Auch im Hinblick auf die Regelung in Art. 95 EWGV können die Spediteurkosten und Hemmnisse, die sich aus den Verwaltungsformalitäten beim Überschreiten der Grenze ergeben, nicht berücksichtigt werden, weil die Spediteurkosten nicht notwendig mit der Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer verbunden sind und weil die Verwaltungsformalitäten für sich allein nicht eine finanzielle Belastung darstellen.
Ein Verstoß gegen die Art. 95 EWGV kann auch nicht daraus hergeleitet werden, daß die Einfuhrumsatzsteuer unmittelbar an die Verwaltung gezahlt werden muß. Auch dadurch wird die eingeführte Ware nicht höher belastet als eine vergleichbare inländische Ware.
Eine höhere Belastung ergibt sich auch nicht daraus, daß die Einfuhrumsatzsteuer grundsätzlich mit der Bekanntgabe des Steuerbescheides fällig ist (§ 37 Abs. 1 des Zollgesetzes – ZG – i.V. m. § 21 Abs. 2 UStG 1973). Für den Vorsteuerabzugsberechtigten bedeutet das zwar eine Pflicht zur Vorfinanzierung der Einfuhrumsatzsteuer. Nach § 16 Abs. 2 Satz 2 UStG 1973 ist die Einruhrumsatzsteuer jedoch schon von der Steuer für den Besteuerungszeitraum abzusetzen, in dem sie entrichtet worden ist, so daß die Vorfinanzierung sogleich wieder ausgeglichen werden kann. Außerdem kann auch die Vorfinanzierung noch dadurch vermieden werden, daß der Steuerschuldner Zahlungsaufschub nach § 37 Abs. 2 ZG in Anspruch nimmt. In diesem Fall kann er die Einfuhrumsatzsteuer bereits von der Steuer für den Besteuerungszeitraum absetzen, der dem Kalendermonat vorangeht, in dem sie zu entrichten ist (§ 16 Abs. 2 Satz 3 UStG 1973).
Darüber hinaus kann allein aus der Tatsache, daß die Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer nicht mit der Erhebung der inländischen Umsatzsteuer übereinstimmt, nach der Rechtsprechung des EGH ebenfalls kein Verstoß gegen Art. 95 EWGV hergeleitet werden. Nach dieser Rechtsprechung läßt Art. 95 EWGV einem Mitgliedstaat die Möglichkeit offen, auf eingeführte Waren ein anderes Abgabensystem anzuwenden als auf gleichartige inländische Waren, sofern die Abgabenbelastung der eingeführten Waren in jedem Fall nicht höher ist als diejenige vergleichbarer inländischer Waren (Urteil des EGH vom 22. Juni 1976 Rs. 127/75, EGHE 1976, 1079, 1085 f.).
Die Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer an der Grenze steht auch im Einklang mit der Sechsten Richtlinie (a. a. O.). Nach Art. 23 Satz 2 dieser Richtlinie können Mitgliedstaaten zwar vorsehen, daß die bei der Einfuhr von Gegenständen von Steuerpflichtigen oder Steuerschuldnern oder bestimmten Gruppen von ihnen zu entrichtende Mehrwertsteuer nicht zum Zeitpunkt der Einfuhr zu entrichten ist. Eine Verpflichtung zu einer derartigen Regelung durch die Mitgliedstaaten sieht die Richtlinie jedoch nicht vor, wobei nicht entschieden zu werden braucht, ob durch eine Richtlinie überhaupt unmittelbar Rechte oder Pflichten begründet werden können.
Für einen Verstoß gegen Art. 30 EWGV, nach dem alle Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen im Handel zwischen den Mitgliedstaaten verboten sind, genügt es allerdings, daß die umstrittenen Maßnahmen geeignet sind, die Einfuhren zwischen den Mitgliedstaaten unmittelbar oder mittelbar tatsächlich oder potentiell zu behindern (vgl. Urteil des EGH vom 16. November 1977 Rs. 13/77, EGHE 1977, 2115, 2147). Dabei müssen jedoch Maßnahmen außer Betracht bleiben, die im EWG-Vertrag bereits unter ihrer speziellen Bezeichnung, insbesondere als Abgaben vorgesehen sind oder als sichtbarer oder verborgener Ausdruck von Befugnissen, die bei den Mitgliedstaaten verblieben sind, von vornherein als erlaubt gelten (vgl. EGHE 1977, 2115, 2148). Danach kann die Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer an der Grenze von vornherein nicht als Maßnahme einer mengenmäßigen Beschränkung oder gleicher Wirkung i. S. von Art. 30 EWGV angesehen werden, weil sie, wie dargelegt, nach dem Gemeinschaftsrecht erlaubt ist (vgl. auch EGHE 1977, 557, 575, und Urteil des EGH vom 4. April 1968 Rs. 25/67, EGHE 1968, 311, 146).
Das FG ist mit seinem Urteil auch nicht von einer Entscheidung des EGH abgewichen.
Fundstellen
Haufe-Index 510423 |
BFHE 1981, 149 |