Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweilige Anordnung als vorläufiger Vollstreckungsschutz
Leitsatz (NV)
Zum Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung als vorläufiger Rechtsschutz gegen die Vollstreckung und insbesondere gegen die Pfändung von Bankkonten.
Normenkette
FGO § 69 Abs. 3, § 114; AO 1977 § 258
Tatbestand
Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) betreibt gegen den Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) die Zwangsvollstreckung wegen eines durch Abrechnungsbescheid festgestellten Rückforderungsanspruchs nebst Säumniszuschlägen wegen - aus der Sicht des FA - ungerechtfertigter Erstattung von Umsatzsteuer an den Antragsteller. Im Verlaufe des vorliegenden Verfahrens hat das FA wegen eines Gesamtbetrages von . . . DM Bankkonten des Antragstellers gepfändet. Mehrere Anträge des Antragstellers auf Aussetzung der Vollziehung wurden vom Finanzgericht (FG) abgelehnt. Mit Beschluß vom Februar 1992 lehnte das FG auch den Antrag, im Wege der einstweiigen Anordnung die Zwangsvollstreckung aus dem Abrechnungsbescheid einstweilen einzustellen, ab. Das FG führte im wesentlichen aus, für die im Streitfall in Betracht kommende Regelungsanordnung nach § 114 Abs. 1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) fehle es sowohl an einem Anordnungsanspruch als auch an einem Anordnungsgrund (§ 114 Abs. 3 FGO i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung - ZPO -). Der Antragsteller habe keine Tatsachen vorgetragen, aus denen sich eine Unbilligkeit der Vollstreckung i.S. des § 258 der Abgabenordnung (AO 1977) ergebe. Er habe auch zum Anordnungsgrund keine Umstände vorgetragen, die dafür sprächen, daß er ohne die beantragte Maßnahmen in einer Weise beeinträchtigt werde, die über die allgemeinen, mit einer Vollstreckung einhergehenden Nachteile hinausgehe. Gegen diese Entscheidung des FG hat der Antragsteller Beschwerde eingelegt, mit der er weiterhin beantragt, die begehrte einstweilige Anordnung zu erlassen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Der Erlaß einer einstweiligen Anordnung nach § 114 FGO setzt voraus, daß ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht werden (§ 114 Abs. 3 FGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Der Anspruch auf Einstellung der Vollstreckung kann nicht auf § 257 Abs. 1 Nr.1 i.V.m. § 251 Abs. 1 AO 1977 gestützt werden, denn die Vollziehung des Abrechnungsbescheids, aus dem im Streitfall vollstreckt wird, ist nicht ausgesetzt worden. Das FG hat gegen seine ablehnende Entscheidung über die Aussetzung der Vollziehung, die in dem angefochtenen Beschluß mitenthalten ist, die Beschwerde nicht zugelassen, so daß diese insoweit nicht statthaft wäre (Art.1 Nr.3 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs - BFHEntlG -). Da keine Vollstreckungshindernisse bestehen, brauchte das FA für seine Pfändungsmaßnahmen - entgegen der Auffassung der Beschwerde - die abschließende Entscheidung im vorliegenden Anordnungsverfahren nicht abzuwarten. Der Antragsteller kann sich im vorliegenden Verfahren auch nicht darauf berufen, daß dem FA der Rückforderungsanspruch und der Anspruch auf Säumniszuschläge gegen ihn nicht zustehe, denn Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Verwaltungsakt sind außerhalb des Vollstrekkungsverfahrens mit den hierfür zugelassenen Rechtsbehelfen zu verfolgen (§ 256 AO 1977).
Als Anordnungsanspruch kommt deshalb im Streitfall - wie das FG zutreffend ausgeführt hat - allein der Anspruch auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 258 AO 1977 in Betracht. Nach dieser Vorschrift kann die Vollstreckung, soweit sie im Einzelfall unbillig wäre, einstweilen eingestellt oder beschränkt oer eine Vollstreckungsmaßnahme aufgehoben werden. Der Senat braucht nicht darauf einzugehen, ob sich nach dem Vorbringen des Antragstellers im Antrags- und Beschwerdeverfahren (insbesondere: Pfändung trotz Leistung einer Abschlagszahlung von . . . DM und vor Ergehen der abschließenden Entscheidung des Bundesfinanzhofs - BFH -, Grundsatz der Verhältnismäßigkeit) eine Unbilligkeit der Vollstreckung als solche bzw. einzelner Vollstreckungsmaßnahmen (hier: Kontenpfändung) ergibt, so daß eine einstweilige Einstellung der Vollstreckung bzw. die Aufhebung der beanstandeten Pfändungsmaßnahmen durch die Vollstreckungsbehörde nach § 258 AO 1977 in Betracht käme. Da der Antragsteller hier Vollstreckungsschutz durch das FG im vorläufigen Rechtsschutzverfahren durch Erlaß einer einstweiligen Anordnung begehrt (§ 114 FGO), bedarf es - wie oben ausgeführt - nicht nur der Glaubhaftmachung eines (Anordnungs-)Anspruchs, sondern auch eines Anordnungsgrundes. Einen Anordnungsgrund, der es rechtfertigen würde, ein auf eine Maßnahme nach § 258 AO 1977 gerichtetes Hauptverfahren nicht abzuwarten und eine entsprechende Maßnahme im Eilverfahren von dem FG zu verlangen (Ausübung des Interimsermessens durch das Gericht, vgl. Beschluß des Senats vom 14. Februar 1989 VII B 143/88, BFH/NV 1989, 565, 566, m.w.N.), hat der Antragsteller auch mit der vorliegenden Beschwerde nicht schlüssig dargetan.
2. a) Der Antragsteller begehrt - wie das FG zutreffend ausgeführt hat - eine Regelungsanordnung i.S. des § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO. Diese Vorschrift räumt dem Gericht keine schrankenlose Befugnis zum Erlaß einer einstweiligen Anordnung ein. Die in § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO ausdrücklich genannten Gründe (,,wesentliche Nachteile" und ,,drohende Gewalt") setzen Maßstäbe auch für die ,,anderen Gründe" im Sinne dieser Bestimmung. ,,Andere Gründe" rechtfertigen eine einstweilige Anordnung nur dann, wenn sie für die begehrte Regelungsanordnung ähnlich gewichtig und bedeutsam sind, wie ,,wesentliche Nachteile" oder ,,drohende Gewalt"; sie müssen so schwerwiegend sein, daß sie eine einstweilige Anordnung unabweisbar machen (vgl. Beschluß es BFH vom 26. Januar 1983 I B 48/80, BFHE 137, 235, BStBl II 1983, 233, 236).
Solche Anordnungsgründe sind im allgemeinen nur gegeben, wenn die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Betroffenen durch die Ablehnung der beantragten Maßnahme unmittelbar bedroht ist. Umstände, wie die Bezahlung von Steuern, auch wenn sie möglicherweise nach einem Obsiegen im Hauptverfahren zu erstatten wären, eine zur Bezahlung von Steuern notwendige Kreditaufnahme, ein Zurückstellen betrieblicher Investitionen oder eine Einschränkung des gewohnten Lebensstandards, sind - für sich allein gesehen - keine Anordnungsgründe (BFH-Beschluß vom 12. April 1984 VIII B 115/82, BFHE 140, 430, BStBl II 1984, 492, 494). Der Steuerschuldner muß deshalb die Vollstreckung aus Steuer- oder Abrechnungsbescheiden grundsätzlich dulden. Er kann allenfalls mit der Geltendmachung von Beeinträchtigungen gehört werden, die über den allgemeinen Nachteil einer Steuerzahlung oder einer Zwangsvollstreckung hinausgehen (Beschlüsse des Senats vom 25. November 1986 VII B 123/86, BFH/NV 1987, 522, und vom 19. September 1991 VII B 139/91, BFH/NV 1992, 321, 322).
b) Der Antragsteller hat derartige wesentliche Nachteile, die den Erlaß der begehrten einstweiligen Anordnung unabweisbar machen würden, weder dargetan noch glaubhaft gemacht. Er hat nicht schlüssig vorgetragen, daß die Vollstreckung wegen des Rückforderungsanspruchs seine wirtschaftliche Existenz als Rechtsanwalts unmittelbar bedrohen könnte. Etwaige Beeinträchtigungen, die sich aus der Pfändung seiner Privatkonten bei zwei Kreditinstituten, bei denen auch die Konten der Kanzlei geführt werden, für sein berufliches Ansehen und seine Kreditwürdigkeit ergeben könnten, hat der Antragsteller nicht näher dargelegt. Sie müßten auch als übliche Folgen einer Zwangsvollstreckung hingenommen werden.
Soweit der Antragsteller behauptet, auch die Pfändungen im Privatbereich könnten bereits zu Problemen im Hinblick auf seine Zulassung als Rechtsanwalt sowie zu Disziplinarmaßnahmen gegenüber seiner Ehefrau als Richterin führen, da diese als Mitinhaberin eines der Konten ebenfalls von der Pfändung betroffen sei, kann dem ohne nähere Substantiierung nicht gefolgt werden. Gegen die Richtigkeit des Vorbringens des Antragstellers spricht bereits, daß die Kontenpfändung nach der inzwischen erbrachten freiwilligen Abschlagszahlung nur noch eine Restschuld in Höhe von ca. . . . DM betrifft. Mit Rücksicht auf die Einkommensverhältnisse des Antragstellers uns einer Ehefrau als Konteninhaber liegt die Annahme nahe, daß dieser Betrag zumindest im Kreditwege aufzubringen sein dürfte. Der Antragsteller könnte alle nachteiligen Folgen der Pfändungsmaßnahmen dadurch abwenden, daß er den noch rückständigen Betrag an das FA zahlt. Das ist ihm - wie oben ausgeführt - auch im Hinblick auf einen etwaigen Erstattungsanspruch nach Obsiegen im Hauptverfahren zuzumuten. Er hat nicht dargelegt, daß er zur Zahlung des Restbetrages außerstande bzw. nicht in der Lage sei, hierfür einen Kredit aufzunehmen. Vielmehr hat der Antragsteller selbst in der Beschwerdeschrift die Restzahlung für den Fall einer nachteiligen Entscheidung durch den BFH zugesichert.
3. Soweit der Antragsteller nicht nur die Unbilligkeit der Vollstreckung, sondern auch die Rechtswidrigkeit der ergangenen Pfändungsverfügungen rügt, kann sein Vorbringen im vorliegenden Verfahren keine Berücksichtigung finden. Denn Vollstreckungsmaßnahmen, die Verwaltungsakte darstellen, wie die im Streitfall ausgesprochenen Forderungspfändungen gegenüber den Kreditinstituten, können Gegenstand von Anträgen auf Aussetzung der Vollziehung (§ 69 FGO) sein (vgl. Beschlüsse des Senats vom 16. November 1977 VII S 1/77, BFHE 123, 427, BStBl II 1978, 69, und vom 17. Mai 1988 VII B 27/88, BFH/NV 1989, 114; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 69 Rdnr.34; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 14. Aufl., § 69 FGO Tz.2, § 114 FGO Tz.10). Bei ihnen sind im Hinblick auf die Subsidiarität der einstweiligen Anordnung gegenüber der Aussetzung der Vollziehung Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz, die auf die Rechtswidrigkeit der Pfändung gestützt werden, im Verfahren nach § 69 Abs. 3 FGO und nicht mit dem Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung geltend zu machen (§ 114 Abs. 5 FGO; vgl. Beschluß des Senats vom 21. August 1990 VII B 71/90, BFH/NV 1991, 394, 395).
4. Der BFH entscheidet über die Beschwerde ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß (§§ 90 Abs. 1 Satz 2, 132 FGO; Gräber/Koch, a.a.O., § 90 Rdnr.4 und 5). Die vom Antragsteller beantragte mündliche Verhandlung hält der Senat im Hinblick auf die Eilbedürftigkeit der Entscheidung im Verfahren der einstweiligen Anordnung nicht für zweckmäßig, zumal eine solche zur Aufhellung des Sachverhalts hier nicht geboten ist.
Fundstellen
Haufe-Index 418812 |
BFH/NV 1993, 664 |