Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschwerde gegen Entscheidung des FG über die Aussetzung der Vollziehung
Leitsatz (NV)
1. Die Zulassung der Beschwerde nach § 128 Abs. 3 FGO muss durch eine besondere Entscheidung des FG und ausdrücklich erfolgen. Auch eine dem Beschluss des FG beigefügte Rechtsmittelbelehrung, nach der den Beteiligten die Beschwerde zustehen soll, kann die erforderliche eigenständige Entscheidung des FG über die Zulassung nicht ersetzen.
2. Eine Beschwerde wegen Nichtzulassung der Beschwerde sieht die FGO bei Entscheidungen des FG über einen Antrag auf AdV nicht vor.
Normenkette
FGO § 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1, § 115 Abs. 2, § 116 Abs. 1, § 128 Abs. 1, 3; GKG § 8 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Das Finanzgericht (FG) hat den Antrag der Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) des Gewerbesteuermessbescheides 2000 des Antragsgegners und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--) durch Beschluss vom 13. Mai 2004 abgelehnt, ohne sich im Tenor oder in den Entscheidungsgründen seines Beschlusses zur Zulassung der Beschwerde gegen diese Entscheidung zu äußern. Allerdings enthält die Rechtsmittelbelehrung den Hinweis, dass den Beteiligten gegen den Beschluss nach § 128 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) die Beschwerde zustehe. Gegen den Beschluss des FG hat die Antragstellerin Beschwerde eingelegt.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unzulässig und ist daher zu verwerfen. Sie ist mangels Zulassung durch das FG nicht statthaft.
1. Gemäß § 128 Abs. 1 FGO steht den Beteiligten gegen die dort genannten Entscheidungen des FG die Beschwerde an den Bundesfinanzhof (BFH) zu, soweit nicht in der FGO etwas anderes bestimmt ist. § 128 Abs. 3 FGO bestimmt, dass gegen eine Entscheidung des FG über eine AdV gemäß § 69 Abs. 3 FGO den Beteiligten die Beschwerde nur zusteht, wenn sie in der Entscheidung vom FG zugelassen worden ist. Zwar ist für die Zulassung der Beschwerde nach § 128 Abs. 3 FGO --ebenso wie für die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 1 FGO-- keine besondere Form vorgeschrieben. Sie muss jedoch nach ständiger Rechtsprechung durch eine besondere Entscheidung des FG und ausdrücklich erfolgen (BFH-Beschlüsse vom 30. Juli 2003 I B 16/03, BFH/NV 2003, 1601; vom 10. August 1999 VII B 22/99, BFH/NV 2000, 77). Der vorliegend angefochtene Beschluss enthält demgegenüber weder im Tenor noch in den Entscheidungsgründen Ausführungen oder Äußerungen, denen die Zulassung der Beschwerde wegen eines der in § 115 Abs. 2 FGO genannten Zulassungsgründe (vgl. § 128 Abs. 3 Satz 2 FGO) entnommen werden könnte. Schweigen des FG über die Zulassung bedeutet Nichtzulassung.
Eine Zulassung der Beschwerde lässt sich auch nicht aus der dem Beschluss des FG beigefügten Rechtsmittelbelehrung entnehmen, wonach den Beteiligten gegen den Beschluss die Beschwerde zustehen soll. Vielmehr liegt eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung vor; als solche kann sie die für die Zulassung des Rechtsmittels erforderliche eigenständige Entscheidung des FG nicht ersetzen (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2003, 1601; vom 31. Januar 2002 III B 170/01, BFH/NV 2002, 673; in BFH/NV 2000, 77). Etwas Anderes könnte nur gelten, wenn in der Rechtsmittelbelehrung die Zulassung durch eine ausdrücklich darauf gerichtete Formulierung unter zusätzlicher Angabe des Zulassungsgrundes zum Ausdruck käme (BFH-Beschluss vom 18. September 1997 VII B 161/97, BFH/NV 1998, 484). Daran fehlt es vorliegend. Abweichendes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Rechtsmittelbelehrung vorliegend an den Schluss der Entscheidung selbst und vor die Unterschriften der Richter gestellt worden ist. Gemäß § 105 Abs. 2 Nr. 6 FGO stellt die Rechtsmittelbelehrung einen notwendigen Urteilsbestandteil dar, der durch die Unterschriften der Richter gedeckt sein muss (BFH-Urteil vom 7. Juli 1976 I R 242/75, BFHE 120, 7, BStBl II 1976, 787). Unabhängig von ihrer Anordnung gehört sie jedoch nicht zu den Entscheidungsgründen i.S. des § 105 Abs. 2 Nr. 5 FGO.
Das FG hat die Beschwerde gegen seinen Beschluss auch nicht nachträglich zugelassen. Seinem Beschluss vom 9. Juni 2004, der Beschwerde nicht abzuhelfen, ist keine Zulassung zu entnehmen. Dieser war zwar mangels Statthaftigkeit des Rechtsbehelfs entbehrlich. Daraus, dass ihn das FG gleichwohl erlassen hat, kann indessen eine Zulassung der Beschwerde nicht hergeleitet werden (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2003, 1601; in BFH/NV 2000, 77; in BFH/NV 1998, 484).
2. Die Beschwerde kann auch nicht in eine Beschwerde wegen Nichtzulassung der Beschwerde umgedeutet werden. Denn eine solche sieht die FGO bei Entscheidungen des FG über einen Antrag auf AdV nicht vor. § 128 Abs. 3 Satz 2 FGO ordnet lediglich die entsprechende Anwendung des § 115 Abs. 2 FGO in dem Sinne an, dass die dort genannten Kriterien für die Zulassung der Beschwerde durch das FG maßgebend sind (BFH-Beschlüsse vom 8. März 1995 V B 18/95, BFH/NV 1995, 715; vom 7. August 2002 I B 83/02, BFH/NV 2003, 61). Die entsprechende Anwendung des § 116 Abs. 1 FGO --die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision betreffend-- ist in § 128 Abs. 3 FGO indessen nicht vorgesehen (BFH-Beschlüsse vom 24. Februar 2000 III B 1/00, BFH/NV 2000, 1111; in BFH/NV 2003, 61). Gegen diese Regelung bestehen auch keine verfassungsmäßigen Bedenken; das Grundgesetz garantiert keine Mehrstufigkeit der jeweiligen gerichtlichen Verfahren (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 6. Oktober 1977 2 BvR 502/77, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Gesetz zur Entlastung des Bundesfinanzhofs, Rechtsspruch 39).
3. Schließlich kommt auch eine außerordentliche Beschwerde nicht in Betracht. Im Finanzgerichtsverfahren ist ein solcher Rechtsbehelf seit dem In-Kraft-Treten des Zivilprozessreformgesetzes vom 27. Juli 2001 (BGBl I 2001, 1887) mit der Einfügung eines § 321a in die Zivilprozeßordnung (ZPO) nicht mehr statthaft (vgl. dazu BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2003, 1601; vom 5. Dezember 2002 IV B 190/02, BFHE 200, 42, BStBl II 2003, 269; vgl. auch den BVerfG-Beschluss vom 30. April 2003 1 PBvU 1/02).
4. Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren wird gemäß § 8 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) abgesehen. Es besteht jedenfalls die Möglichkeit, dass die Antragstellerin durch die unzutreffende Rechtsmittelbelehrung des FG zur Einlegung der Beschwerde veranlasst worden ist (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2003, 1601; in BFH/NV 2002, 673; vom 24. September 1996 III B 151/96, BFH/NV 1997, 256; vom 15. November 1989 V B 143/89, BFH/NV 1990, 725).
Fundstellen