Entscheidungsstichwort (Thema)

Aussetzung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens bei Streit, ob anfechtbarer Änderungsbescheid zu angegriffenem Bescheid ergangen ist

 

Leitsatz (NV)

Die Aussetzung eines Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, wenn während dieses Verfahrens der angegriffene Bescheid geändert, der ändernde Bescheid angefochten und kein Antrag nach § 68 FGO gestellt worden ist, muß auch dann erfolgen, wenn in dem neuen Verfahren streitig ist, ob überhaupt ein anfechtbarer Änderungsbescheid vorliegt.

 

Normenkette

FGO §§ 68, 74

 

Tatbestand

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat gegen die Einkommensteuerbescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidung für die Streitjahre (1978 und 1979) Klage wegen der Besteuerung des Existenzminimums und der Familienlasten erhoben. In der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) erklärte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) die angegriffenen Bescheide lt. Niederschrift über die mündliche Verhandlung hinsichtlich des Grundfreibetrages und des allgemeinen Tariffreibetrages für vorläufig. Das FG wies die Klage ab und ließ die Revision nicht zu.

Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers. Der Kläger macht geltend, das FG habe das Klageverfahren aussetzen müssen, bis vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) über die Vorlagebeschlüsse des FG Münster vom 1. Februar 1991 16 K 936/90 E (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1991, 253) und des Niedersächsischen FG vom 15. Januar 1991 IX 427 und 437/90 (EFG 1991, 260) entschieden worden sei. Außerdem habe das FA die angegriffenen Bescheide nicht für vorläufig erklären dürfen. Durch das Verfahren des FG und des FA würden Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Außerdem habe das FG Verfahrensfehler begangen.

Das FG hat der Nichtzulassungsbeschwerde nicht abgeholfen. Nach Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde übersandte das FA dem Kläger unter dem Datum des 23. April 1992 für die Streitjahre unter der Überschrift Bescheid und mit Rechtsbehelfsbelehrung je eine vollständige Wiederholung der Steuerfestsetzung, Abrechnung und der Besteuerungsgrundlagen aus den angegriffenen Bescheiden. Einleitend zur Steuerfestsetzung war jedoch jeweils ausgeführt, der Bescheid sei nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geändert und nach § 165 Abs. 1 AO 1977 demgemäß teilweise vorläufig. In Anlagen zum jeweils geänderten Einkommensteuerbescheid war erläutert, daß der Bescheid im Hinblick auf die Anhängigkeit von Verfassungsbeschwerden sowie auf Vorlagebeschlüsse hinsichtlich der Höhe des Grundfreibetrages und des allgemeinen Tariffreibetrages vorläufig sei.

Gegen diese Bescheide legte der Kläger fristgerecht Einspruch ein. Den Einspruch verwarf das FA mit Entscheidung vom 25. September 1992 als unzulässig, weil mit den Bescheiden vom 23. April 1992 lediglich das mit der Nichtzulassungsbeschwerde angegriffene Urteil des FG vollzogen worden sei. Daraufhin erhob der Kläger Klage gegen die Bescheide vom 23. April 1992 in Gestalt der Einspruchsentscheidung. Die Klage ist noch beim FG anhängig.

 

Entscheidungsgründe

Das vorliegende Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde gegen die ursprünglich angegriffenen Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre ist auszusetzen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren über den ursprünglichen Steuerbescheid auszusetzen, wenn dieser während des Verfahrens über die Nichtzulassungsbeschwerde geändert, der ändernde Bescheid angefochten und ein Antrag nach § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht gestellt wird. Die Aussetzung des Verfahrens hat bis zum rechtskräftigen Abschluß des Verfahrens über den ändernden Bescheid zu erfolgen (Beschlüsse des BFH vom 29. September 1988 X B 166/87, BFH/NV 1989, 380; vom 26. Juli 1989 IV B 113/88, BFH/NV 1990, 781, und vom 7. August 1991 X B 223/90, BFH/NV 1991, 834). Dieser Rechtsprechung schließt sich der erkennende Senat an.

Im Streitfall hat das FA unter dem Datum des 23. April 1992 von ihm selbst so benannte Änderungsbescheide an den Kläger übersandt. Diese Änderungsbescheide hat der Kläger nach erfolglosem Einspruch mit der Klage angefochten, so daß das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren über die ursprünglichen Bescheide bis zum Abschluß des neuen Klageverfahrens auszusetzen ist.

Allerdings ist im Streitfall aufgrund der Einspruchsentscheidung des FA auch streitig, ob es sich bei den mit dem neuen Klageverfahren angegriffenen Änderungsbescheiden überhaupt um anfechtbare Verwaltungsakte handelt. Aber auch diese Frage muß in dem neuen Verfahren bestandskräftig entschieden werden. Anderenfalls bestände die Gefahr unterschiedlicher Entscheidungen im neuen und im ursprünglichen Verfahren. Die Verfahrensaussetzung muß daher auch dann erfolgen, wenn während des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens Handlungen des FA angegriffen werden, von denen fraglich ist, ob es sich um Änderungsbescheide handelt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 419639

BFH/NV 1994, 803

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