Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerbarkeit der Ausschüttungen aus dem Reservefonds einer PGH im 1. Halbjahr 1990; durchgangsweise Umbuchung auf den Prämienfonds unerheblich; zur objektiven Feststellungslast im AdV-Verfahren
Leitsatz (NV)
1. Im ersten Halbjahr 1990 zugeflossene Ausschüttungen aus dem Reservefonds einer Produktionsgenossenschaft des Handwerks (PGH) sind nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG-DDR als Einkünfte aus Kapitalvermögen steuerpflichtig. Für die Steuerbarkeit der Ausschüttungsbeträge ist es unerheblich, ob diese zunächst durchgangsweise auf den zur Konsumtion verwendbaren Prämienfonds umgebucht worden waren.
2. Wie im Hauptsacheverfahren gelten auch im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung die Regeln über die objektive Feststellungslast mit der Folge, daß der Antragsteller entscheidungserhebliche Einwendungen im Rahmen seiner Mitwirkungspflichten darlegen und gegebenenfalls glaubhaft machen muß.
Normenkette
FGO § 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1, § 118 Abs. 1, § 128 Abs. 3; EStG-DDR § 11 Abs. 1 S. 1; EStG-DDR § 20 Abs. 1 Nr. 1; StÄndG-DDR § 8 S. 2; StAnpG DDR § 20 Abs. 3; EinigVtr Art. 8; PGH-UmwVO vom 8. März 1990 § 10 Abs. 2; PGH-VO vom 21. Februar 1973 § 2 Abs. 2; PGH-StG vom 30. November 1962 §§ 8-9
Tatbestand
Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin) ist seit 1985 Mitglied der Produktionsgenossenschaft des Handwerks H (PGH-H) gewesen. Am 5. März 1990 beschloß die Mitgliederversammlung der PGH- H die Auszahlung von Beträgen an die Genossen auf der Grundlage von Jahresbeträgen entsprechend der Dauer ihrer Zugehörigkeit. Die Antragstellerin erhielt zum 7. März 1990 dementsprechend einen Betrag von ... M/ DDR ausgezahlt.
Der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt -- FA --) erfaßte diesen Betrag als Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes der DDR (EStG DDR) und setzte mit Bescheid vom 29. September 1994 für 1990 eine Steuerrate in Höhe von ... DM fest. Das dagegen eingeleitete Einspruchsverfahren ruht nach § 363 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977).
Das Finanzgericht (FG) hat den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung dieses Bescheides nach dessen Ablehnung durch das FA mit dem angefochtenen Beschluß stattgegeben. Es hat dahingestellt gelassen, ob die Ausschüttung aus dem Konsumtionsfonds oder dem Reservefonds erfolgt sei. Im ersten Falle sei auch nach Ansicht des FA eine Besteuerung ausgeschlossen. Sei hingegen entsprechend den nicht substantiiert bestrittenen Ausführungen des FA von einer Ausschüttung aus dem Reservefonds auszugehen, sei die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides ebenfalls zweifelhaft. Die Begründung für diese Rechtsauffassung entspricht im wesentlichen derjenigen im Beschluß des Thüringer FG vom 18. April 1995 I 17/95 V (Entscheidungen der Finanzgerichte 1995, 666).
Im finanzgerichtlichen Verfahren hat das FA mit Schriftsatz vom 31. Januar 1995 u. a. ausführlich zu der von der Antragstellerin vorgelegten Bescheinigung der Rechtsnachfolgerin der PGH-H (Y-GmbH) erstellten Bescheinigung vom 16. Februar 1994, wonach die Zahlung als Treueprämie aus dem Konsumtionsfonds getätigt worden sei, vorgetragen. Die PGH-H habe gegen die Aufforderung des FA vom 4. Februar 1992, eine Liste über die Einzelausschüttungen aus den sog. unteilbaren Fonds vorzulegen, Einspruch eingelegt. In der Einspruchsbegründung habe sie ausgeführt, die auf der Mitgliederversammlung vom 5. März 1990 beschlossenen Zahlungen seien aus dem Reservefonds geleistet worden. Die Y-GmbH habe sodann die Liste mit Schreiben vom 27. März 1992 eingereicht und darin ebenfalls von "Ausschüttungen aus dem unteilbaren Fonds" gesprochen. Die Liste weise auch die Zahlung von ... M/DDR an die Antragstellerin aus. 1990 ergäben die an die Mitglieder ausgeschütteten Beträge eine Gesamtsumme von ... M/DDR. Der Konsumtionsfonds habe nach der Bilanz zum 31. Dezember 1989 einen Bestand von ... M/DDR und nach der korrigierten Bilanz zum 30. Juni 1990 von ... M/DDR ausgewiesen. Hingegen habe sich der Reservefonds in diesem Zeitraum von ... M/DDR auf ... M/DDR verringert. Bereits ein solcher Zahlenvergleich mache augenfällig, daß die nunmehrige Behauptung nicht richtig sein könne, die Zahlungen seien aus dem Konsumtionsfonds geleistet worden. Vielmehr sei von Zahlungen aus dem Reservefonds auszugehen.
Mit der vom FG zugelassenen Beschwerde, welcher das FG nicht abgeholfen hat, macht das FA im wesentlichen geltend, gemäß Art. 10 der Verfassung der DDR sei das genossenschaftliche Eigentum als sozialistisches Eigentum unteilbar gewesen. Deshalb hätten die erwirtschafteten Gewinne nicht an die Mitglieder der PGH ausgeschüttet werden dürfen. Vielmehr habe die PGH sowohl das eingebrachte als auch das erwirtschaftete Vermögen nach § 6 der Anlage zur Verordnung über das Musterstatut der Produktionsgenossenschaften des Handwerks vom 21. Februar 1973 (Gesetzblatt der DDR -- GBl DDR -- I, 121) bestimmten Fonds zugeführt werden müssen. Nur die den Konsumtionsfonds gutgebrachten Gewinne seien ausschüttungsfähig gewesen, weil es sich insoweit nach § 7 Abs. 1 des Musterstatuts um teilbare Fonds gehandelt habe. Sowohl § 8 Abs. 1 des Gesetzes über die Besteuerung der Produktionsgenossenschaften des Handwerks und ihrer Mitglieder (PGH-StG) vom 30. November 1962 (GBl DDR I 1962, 119) als auch der daran anknüpfende § 8 Satz 2 des Steueränderungsgesetzes (StÄndG) vom 6. März 1990 (GBl DDR I, 136) hätten sich allein auf die gesetzlich zulässigen Ausschüttungen aus den teilbaren Fonds bezogen. Der Wortlaut des § 8 Abs. 1 PGH-StG sei auch nicht deshalb unklar, weil er keine ausdrückliche Einschränkung auf "zulässige Gewinnausschüttungen" enthalten habe. Der Gesetzgeber könne nicht gesetzlich unzulässige Ausschüttungen auch noch von der Steuer befreien. Die vom FG angesprochenen, vom Minister der Finanzen der DDR im Informationsbrief Nr. 5/87 vom 27. August 1987 ebenfalls zugelassenen vorweggenommenen Gewinnausschüttungen erweiterten nicht den Umfang zulässiger Ausschüttungen, sondern nur den zeitlichen Rahmen. Die Zahlungen aus den unteilbaren Fonds seien danach aufgrund der allgemeinen Steuergesetze, hier nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG DDR vom 18. September 1970 (GBl DDR SDr. Nr. 670) steuerpflichtig gewesen.
Das FA beantragt sinngemäß, den Beschluß des FG aufzuheben und den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Bescheides vom 29. September 1994 abzulehnen.
Die Antragstellerin beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Zur Begründung erwidert sie unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vortrags, Volkseigentum und genossenschaftliches Eigentum unterscheide sich durch einen unterschiedlichen Grad der Vergesellschaftung. Letzteres habe nur dem Mitgliederkollektiv zugestanden. Die Auflösung einer Genossenschaft mit dem Ziel, ihr Vermögen unter die Mitglieder aufzuteilen, könne deshalb nicht unzulässig gewesen sein. Die Ausschüttung der von ihnen erwirtschafteten Gewinne an die Mitglieder könne ebensowenig unzulässig gewesen sein.
Ausweislich der Bescheinigung der Y-GmbH vom 16. Februar 1994 sei überdies aus dem Konsumtionsfonds ausgeschüttet worden. Dies habe das FA bislang nicht substantiiert bestritten.
Aber selbst eine Ausschüttung aus dem Reservefonds sei wegen der Besonderheiten des Streitfalls zulässig gewesen. § 7 des Musterstatuts der PGH vom 21. Februar 1973 sei nämlich durch eine Anordnung des Ministers für Leichtindustrie vom 5. November 1989 aufgehoben worden. Diese Anordnung sei der PGH-H durch ein Schreiben der Kreisgeschäftsstelle der Handwerkskammer des Bezirks ... vom 10. Januar 1990 in deren Eigenschaft als unterstem staatlichen Organ als staatliche Weisung i. S. von § 6 Abs. 2 des Musterstatuts mitgeteilt worden. Die Konsumtionsfonds seien folglich aufgelöst und ihre Bildung für das Wirtschaftsjahr 1990 der jeweiligen Verantwortung der PGH unterstellt worden. Dafür hätten bei nicht ausreichenden Nettogewinnen auch Mittel aus dem Reservefonds verwendet werden dürfen. Eine solche Möglichkeit habe bereits § 7 Abs. 5 des Musterstatuts eröffnet. Sofern es zu Umbuchungen aus dem Reservefonds auf den Konsumtionsfonds gekommen sein sollte, seien sie nach dieser Rechtslage jedenfalls rechtmäßig vorgenommen worden.
Die aus dem Konsumtionsfonds geleisteten Zahlungen seien indessen steuerfrei (vgl. § 8 Abs. 3 PGH-StG; § 8 Satz 2 StÄndG). Auch nach Auffassung des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) hätten Zahlungen aus den unteilbaren Fonds vor dem 30. Juni 1990 (vgl. Schreiben vom 5. Juni 1991, mitgeteilt im Schreiben vom 25. Juni 1992 IV B 7 -- S 1900 -- 101/92) der Besteuerung nach Maßgabe des PGH-StG i. V. m. dem StÄndG vom 6. März 1990 unterlegen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist zulässig und begründet.
1. Das FG hat die Beschwerde gemäß § 128 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zugelassen.
2. Entgegen der Auffassung des FG kann der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Bescheides für 1990 vom 29. September 1994 keinen Erfolg haben.
a) Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aussetzen. Die Aussetzung soll erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sind zu bejahen, wenn bei der summarischen Prüfung dieses Bescheides anhand des aktenkundigen Sachverhalts neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken (Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 12. November 1992 XI B 69/92, BFHE 170, 106, BStBl II 1993, 263, m. w. N., ständige Rechtsprechung).
b) Der erkennende Senat hat mit seinem Urteil vom 26. September 1995 VIII R 70/94, BFHE 180, 21, BStBl II 1996, 464 über die der Beschwerde zugrundeliegenden Rechtsfragen entschieden. Die von der Antragstellerin in ihrer Erwiderung vom 26. Juli 1995 geltend gemachten Gesichtspunkte sind nicht geeignet, gleichwohl ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides vom 29. September 1994 zu begründen.
Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, daß die Antragstellerin den Vortrag des FA, die ihr zum 7. März 1990 zugeflossene Ausschüttung sei aus dem Reservefonds der PGH-H und nicht aus deren Konsumtionsfonds erfolgt, nicht substantiiert bestritten hat.
Die Y-GmbH hat zwar in der von der Antragstellerin vorgelegten Bescheinigung vom 16. Februar 1994 bestätigt, die Zahlung sei als Treueprämie aus dem Konsumtionsfonds getätigt worden. Diese Erklärung steht jedoch im Widerspruch zu ihren mehrfachen gegenteiligen, detaillierten Mitteilungen an das FA, wonach die Zahlung aus dem Reservefonds erfolgt sei. Der Vergleich der Mittelbestände auf dem Konsumtions- und dem Reservefonds der PGH- H zum 31. Dezember 1989 und zum 30. Juni 1990 unterstreichen überdies die Richtigkeit dieser früheren Erklärungen. Behauptet die Antragstellerin demgegenüber einen für sie günstigeren Sachverhalt, nämlich eine Ausschüttung aus dem Konsumtionsfonds, so genügt auch im Aussetzungsverfahren nicht die bloße gegenteilige Behauptung unter erneuter Vorlage der im finanzgerichtlichen Verfahren gerade substantiiert bestrittenen Bescheinigung der Y-GmbH (vgl. auch BFH-Urteil vom 13. November 1985 I R 7/85, BFH/NV 1986, 638, 640). Wie im Hauptsacheverfahren gelten auch im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung die Regeln über die objektive Feststellungslast (vgl. dazu Urteil des erkennenden Senats vom 19. November 1985 VIII R 4/83, BFHE 145, 375, BStBl II 1986, 289, 292; Beschluß vom 15. Oktober 1986 VIII B 30/86, BFH/NV 1987, 44, 45) mit der Folge, daß die Antragstellerin entscheidungserhebliche Einwendungen im Rahmen ihrer Mitwirkungspflichten darlegen und ggf. glaubhaft machen muß (vgl. dazu BFH-Beschlüsse vom 14. Juni 1988 IX B 157/87, BFH/NV 1990, 97, 98; vom 28. August 1989 X S 13/88, BFH/NV 1990, 310).
Ist danach für das Aussetzungsverfahren von dem vom FA ermittelten Sachverhalt auszugehen, wonach die Ausschüttung vom 7. März 1990 an die Antragstellerin aus dem Reservefonds der PGH-H erfolgt ist, hat das FA sie zu Recht gemäß §§ 11 Abs. 1 Satz 1, 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG-DDR als Einkünfte aus Kapitalvermögen steuerlich erfaßt.
Die vorgenannten Rechtsgrundlagen galten gemäß Art. 8 i. V. m. Anlage I Kapitel IV Sachgebiet B Abschn. II Nr. 14 Abs. 1 Satz 2 des Einigungsvertrages noch bis zum 31. Dezember 1990 im Beitrittsgebiet als partielles und damit revisibles Bundesrecht i. S. des § 118 Abs. 1 Satz 1 FGO fort (vgl. BFH-Urteile vom 22. Dezember 1993 I R 75/93, BFHE 174, 122, BStBl II 1994, 578; vom 27. Oktober 1994 I R 107/93, BFHE 176, 529, BStBl II 1995, 403).
Nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG DDR gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen Gewinnanteile (Dividenden), Zinsen und sonstige Bezüge aus Aktien, Anteilen von Gesellschaften mit beschränkter Haftung, an Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften und an sonstigen Vereinigungen, die Rechte einer juristischen Person haben.
Die PGH war eine -- wie auch die PGH-H -- Vereinigung mit körperschaftlicher Struktur, wobei die Beteiligung -- abstrakt gesehen -- das Vermögensrecht mitumfaßte, an Gewinnausschüttungen und an der Auskehrung des Liquidationsvermögens beteiligt zu werden (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 15. November 1994 VIII R 74/93, BFHE 176, 373, BStBl II 1995, 316, m. w. N.; BFH in BFHE 174, 122, BStBl II 1994, 578, 580).
Nach § 2 Abs. 2 der Verordnung über das Musterstatut der Produktionsgemeinschaften des Handwerks vom 21. Februar 1973 erlangte die PGH mit ihrer Eintragung in das beim Rat des Kreises bzw. der Stadt geführte Register Rechtsfähigkeit.
Die Ausschüttung der PGH-H aus dem Reservefonds war durch das Mitgliedschaftsverhältnis bedingt und stellt damit einen Beteiligungsertrag dar (vgl. auch Urteil des erkennenden Senats vom 12. Oktober 1982 VIII R 72/79, BFHE 137, 157, BStBl II 1983, 128, 129).
Die Anwendung des EStG DDR war weder durch das PGH-StG vom 30. November 1962 als lex specialis ausgeschlossen, noch war die Ausschüttung aus dem Reservefonds gemäß § 8 Satz 2 StÄndG steuerbefreit. Zur Begründung im einzelnen nimmt der Senat auf sein Urteil vom 26. September 1995 VIII R 70/94 Bezug.
c) Zutreffend geht die Antragstellerin in ihrer Beschwerdeerwiderung davon aus, daß das Musterstatut für die PGH im Zeitpunkt der Ausschüttung noch galt. Selbst nach der Außerkraftsetzung der Verordnung über das Musterstatut vom 21. Februar 1973 durch § 10 Abs. 2 der erst am 19. März 1990 in Kraft getretenen Verordnung über die Gründung, Tätigkeit und Umwandlung von Produktionsgenossenschaften des Handwerks vom 8. März 1990 (GBl DDR I 1990, 164) bestand das in Übereinstimmung mit diesem Musterstatut von der einzelnen PGH beschlossene Statut bis zu dessen nunmehr allerdings zulässigen Änderung unverändert fort (vgl. auch Urteil des Bundesgerichtshofs -- BGH -- vom 21. September 1995 II ZR 236/94, Der Betrieb 1996, 825; ferner BGH-Beschluß vom 19. September 1994 II ZR 184/93, Deutsches Steuerrecht 1995, 854 und dazu Anmerkung von Siegmann, a. a. O., S. 855).
Unbeschadet der rechtlichen Qualität der Festlegung anläßlich einer Beratung mit dem Minister für Leichtindustrie vom 5. November 1989 und der Mitteilung dieses Ergebnisses durch die Kreisgeschäftsstelle der Handwerkskammer des Bezirks ... an alle Produktionsgenossenschaften des Handwerks der Stadt ... durch Schreiben vom 10. Januar 1990 ergibt sich daraus für den Streitfall keine abweichende rechtliche Beurteilung. Wie ausgeführt, bestanden das Statut der PGH-H und die darin festgelegte Fondsbewirtschaftung fort. Ausweislich der Ergebnismitteilung vom 10. Januar 1990 sollten die Reservefonds gerade fortgeführt werden. Lediglich die Verwendungszwecke wurden über die im Musterstatut in § 6 Abs. 2 vorgesehenen Zwecke hinaus erweitert. Sämtliche zusätzlich genannten Zwecke dienten indessen nicht der individuellen Konsumtion der einzelnen Mitglieder. Die Zustimmung zur Inanspruchnahme von Mitteln aus dem Reservefonds bei nicht ausreichenden Nettogewinnen für die nach einheitlichen Maßgaben zu bildenden Konsumtionsfonds entspricht der bereits in § 7 Abs. 5 des Musterstatuts geregelten beschränkten Möglichkeit eines Rückgriffs auf den Reservefonds. Indessen hat die Antragstellerin nicht einmal substantiiert behauptet, von dieser Möglichkeit sei hinsichtlich des an sie ausgeschütteten Betrages konkret Gebrauch gemacht worden. Darüber hinaus ist für den Umfang der Steuerbarkeit nach den allgemeinen Besteuerungstatbeständen des EStG DDR und der Steuerbefreiung nach § 8 Satz 2 StÄndG, wie der Senat in seinem Urteil vom 26. September 1995 VIII R 70/94 ausgeführt hat, die ursprüngliche Herkunft des Ausschüttungsbetrages maßgebend. Umbuchungen auf Konsumtionsfonds vermochten an der Steuerbarkeit nichts zu ändern.
Entgegen der Darstellung in der Beschwerdeerwiderung hat der BMF in den zur Umwandlung von Produktionsgenossenschaften des Handwerks und zur Auszahlung aus den unteilbaren genossenschaftlichen Fonds ergangenen Schreiben vom 6. Mai 1991 IV B 7 --S 1900 -- 97/91 (Betriebs-Berater -- BB -- 1991, 1177) ausdrücklich die Besteuerung von Zahlungen aus dem Reservefonds und anderen unteilbaren Fonds an die Mitglieder im ersten Halbjahr 1990 als Einkünfte aus Kapitalvermögen klargestellt. In seinem Schreiben vom 25. Juni 1992 IV B 7 -- S 1900 -- 101/92 (BB 1992, 1546) hat der BMF durch seinen einschränkenden Hinweis auf das vorgenannte Schreiben insoweit keine Änderung seiner Rechtsauffassung zum Ausdruck gebracht. Im übrigen binden derartige Interpretationsschreiben die Gerichte nicht (vgl. BFH-Urteil vom 11. September 1991 XI R 16/90, BFHE 165, 466, BStBl II 1992, 132, 133, m. w. N., ständige Rechtsprechung; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 15. Aufl., § 4 AO 1977 Rdnr. 36, mit umfassenden Nachweisen).
Fundstellen
Haufe-Index 421541 |
BFH/NV 1996, 895 |