Der Betrieb von Geldspielautomaten ist weiterhin umsatzsteuerpflichtig
Hintergrund: Betrieb terrestrischer Geldspielautomaten
Die unter das RennwLottG fallenden Umsätze sind nach § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG von der USt befreit. Dementsprechend sind virtuelle Automatenspiele, da sie seit 1.7.2021 der virtuellen Automatensteuer nach dem RennwLottG unterliegen (§§ 36 ff. RennwLottG i.d.F. v. 25.6.2021), ab diesem Zeitpunkt umsatzsteuerfrei, während Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielautomaten in Spielhallen (terrestrische Umsätze) weiterhin unter die USt fallen. In dieser Ungleichheit wird in der Glücksspielbranche ein Verstoß gegen den Neutralitätsgrundsatz gesehen.
Über diese Frage hatte der BFH im vorliegenden Fall im summarischen Verfahren (Aussetzung der Vollziehung, AdV) zu entscheiden.
Das FA unterwarf im USt-Vorauszahlungsbescheid August 2021 die Umsätze der Antragstellerin (A) aus dem Betrieb ihrer Geldspielautomaten (wie in den Vormonaten) weiterhin der USt.
Dagegen legte die A Einspruch ein, über den noch nicht entschieden ist. Den gleichzeitig gestellten Antrag auf AdV lehnte das FA ab.
A beantragte darauf erfolgreich die AdV beim FG. Dieses setzte die USt-Vorauszahlung August 2021 von der Vollziehung aus. Es bejahte Zweifel an der Vereinbarkeit mit dem Neutralitätsgrundsatz.
Gegen diesen Beschluss wandte sich das FA mit seiner Beschwerde zum BFH.
Entscheidung: Der Betrieb von Geldspielautomaten ist weiterhin umsatzsteuerpflichtig
Die Beschwerde war erfolgreich. Das FG hat zu Unrecht die Gleichartigkeit von terrestrischem und virtuellem Automatenspiel bejaht. An der vom BFH bejahten Umsatzsteuerpflicht für seit dem 6.5.2006 ausgeführte Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielautomaten (BFH v. 11.12.2019, XI R 13/18, BStBl II 2020, S. 296) bestehen für Umsätze seit dem 01.07.2021 weiterhin keine ernstlichen Zweifel (zur Rechtslage davor BFH-Beschluss v. 11.12.2019, XI B 62/19, BFH/NV 2020, S. 784).
Zulässige Differenzierung bei unterschiedlichem rechtlichem Rahmen
Am Beispiel von Beförderungsleistungen hat der EuGH erläutert, dass Unterschiede im rechtlichen Rahmen bzw. in den rechtlichen Anforderungen, denen die Beförderungsarten unterliegen, in den Augen des Nutzers einen Unterschied zwischen den Beförderungsarten schaffen können. Sie können seine Entscheidung, die eine oder die andere Beförderungsart zu wählen, beeinflussen. Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität steht daher ihrer unterschiedlichen steuerlichen Behandlung nicht entgegen (EuGH-Urteil Pro Med Logistik und Pongratz v. 27.2.2014, C-454/12 und C-455/12, EU:C:2014:111, BStBl II 2015, S. 437, Rz. 59).
Zulässige Differenzierungsgrundlage für den Streitfall
Hiervon ausgehend sind die Überlegungen des Gesetzgebers (BT-Drs. 19/28400, S. 42 ff.) eine unionsrechtlich zulässige Differenzierungsgrundlage. Der Gesetzgeber wies bei der Erweiterung der Rennwett- und Lotteriesteuerpflicht auf virtuelle Automatenspiele, die dadurch (unter Ausklammerung des terrestrischen Automatenspiels) umsatzsteuerfrei wurden, auf die Unterschiede im Rechtsrahmen hin. Zum einen bestehen unterschiedliche ordnungsrechtliche Rahmenbedingungen z.B. hinsichtlich der Ausschüttungen oder gewerberechtlicher Bestimmungen. Zum anderen wird jeweils ein anderer Spielerkreis angesprochen. Das terrestrische und das virtuelle Spiel sind somit nicht vergleichbar und stehen nicht miteinander im Wettbewerb, so dass der Grundsatz der steuerlichen Neutralität nicht verletzt ist.
Tatsächliche Unterschiede
Dabei kommt es nicht darauf an, ob das virtuelle Onlinespiel das terrestrische Automatenspiel simuliert oder nachbilden soll, sondern darauf, ob eine Gleichartigkeit auch tatsächlich bejaht werden kann. Das ist indes nicht der Fall. Online-Angebote unterscheiden sich von terrestrischen Angeboten dadurch, dass virtuelle Spiele günstiger zu betreiben sind, stets und ortsungebunden verfügbar sind und einen größeren Kundenkreis ansprechen. Damit sind sie auch hinsichtlich der Spielsucht anders einzuschätzen als terrestrische Angebote.
Kein Verstoß gegen das Unionsrecht
Diese gesetzgeberischen Erwägungen für die Ungleichbehandlung lassen einen Verstoß gegen das Unionsrecht nicht erkennen. Der Gesetzgeber ist von zutreffenden unionsrechtlichen Maßstäben ausgegangen und hat die aus seiner Sicht bestehenden Unterschiede, die die Leistungen aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers nicht gleichartig erscheinen lassen, dargelegt.
Auch bei unterstellter Gleichartigkeit keine Ungleichbehandlung
Das Unionsrecht sieht vor, dass auf elektronischem Weg erbrachte Glücksspielumsätze und terrestrische Glücksspielumsätze vielfach unterschiedlich besteuert werden. Sogar Online-Umsätze desselben Leistungserbringers sind je nach Leistungsempfänger zu einem anderen Steuersatz umsatzsteuerpflichtig oder umsatzsteuerfrei. Diese Unterschiede schließen es aus, die dem Ursprungslandprinzip unterliegenden Umsätze der A und die dem Bestimmungslandprinzip unterliegenden Umsätze der Erbringer von Online-Glücksspielen mehrwertsteuerrechtlich gleich behandeln zu müssen. Denn es handelt sich um nicht vergleichbare Leistungen, die völlig unterschiedlichen mehrwertsteuerrechtlichen Regelungen unterliegen.
Hinweis: Summarisches Verfahren
Die Entscheidung ist im summarischen Verfahren der AdV ergangen. Die endgültige Entscheidung über die Streitfrage bleibt damit dem Hauptverfahren vorbehalten. Allerdings dürfte davon keine von dem vorliegenden Beschluss abweichende Auffassung des BFH zu erwarten sein. Denn der AdV-Beschluss behandelt die Problematik eingehend und die Argumentation des BFH überzeugt. Wesentliche neue Gesichtspunkte, die der BFH nicht angesprochen hätte, sind nicht ersichtlich.
BFH Beschluss vom 26.09.2022 - XI B 9/22 (AdV) (veröffentlicht am 20.10.2022)
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