Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitwert bei Ablehnung des Antrags auf Befreiung von der Steuerberaterprüfung
Leitsatz (NV)
1. Der Streitwert ist in einem Verfahren, in dem es um den Zugang zum Beruf des Steuerberaters geht, grundsätzlich auf 25 000 € zu bemessen. Diese Festsetzung stellt lediglich einen pauschalen Wert dar, der im Regelfall und vorbehaltlich gegenteiliger Anhaltspunkte im Einzelfall heranzuziehen ist.
2. Der in § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG a.F. normierte Streitwert von 4 000 € (nunmehr: 5 000 € gemäß § 52 Abs. 2 GKG) ist nicht als Regelstreitwert, sondern als ein Auffangwert anzusehen, der nur dann anzusetzen ist, wenn eine individuelle Bemessung nicht möglich ist, weil hinreichende Anhaltspunkte dafür fehlen.
Normenkette
GKG §§ 5, 13 Abs. 1 Sätze 1-2
Tatbestand
Mit Beschluss vom 28. September 2004 hat der Bundesfinanzhof (BFH) die vom Kostenschuldner und Erinnerungsführer (Kostenschuldner) eingelegte Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts (FG), mit dem das FG die Klage des Kostenschuldners auf Befreiung von der Steuerberaterprüfung gemäß § 38 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a des Steuerberatungsgesetzes abgewiesen hatte, als unbegründet zurückgewiesen und dem Kostenschuldner die Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt. Die Kostenstelle des BFH hat dem Kostenschuldner mit Kostenrechnung vom 28. Januar 2005, ausgehend von einem Streitwert von 25 000 €, Kosten von 622 € auferlegt.
Hiergegen wendet sich der Kostenschuldner mit seiner Erinnerung. Er ist der Auffassung, der vom Kostenbeamten des BFH zugrunde gelegte Streitwert von 25 000 € sei zu hoch angesetzt, und beantragt, den Streitwert auf 4 000 € zu reduzieren. Der BFH gehe zwar beim Zugang zum Beruf des Steuerberaters im Normalfall mit Rücksicht auf die gute Entwicklungsmöglichkeit der Einkommensverhältnisse pauschal von 25 000 € als Streitwert aus. Jedoch sei in diesem Fall eine Herabsetzung aus besonderen Gründen gerechtfertigt. Die Befreiung von der Steuerberaterprüfung sei im Zusammenhang mit seiner --des Kostenschuldners-- vorzeitigen Pensionierung wegen Dienstunfähigkeit zu sehen. Da die Pensionierung bereits vor Vollendung des 50. Lebensjahres erfolgt sei, seien für den Befreiungsantrag vorrangig soziale und therapeutische als finanzielle Gründe maßgebend gewesen. Die umfangreichen erworbenen steuerlichen Kenntnisse hätten für eine geringe sinnvolle Beschäftigung nach der Pensionierung genutzt werden sollen. Aufgrund einer bestehenden Schwerbehinderung wäre er --der Kostenschuldner-- auch in tatsächlicher Hinsicht gehindert gewesen, einer an sich üblichen umfangreichen Betätigung als Steuerberater mit guten Verdienstmöglichkeiten nachzugehen. Nach dem Beamtenrecht seien darüber hinaus die Verdienstmöglichkeiten aus der Tätigkeit als Steuerberater auf 10 000 € im Jahr begrenzt gewesen, da ansonsten die Pensionsbezüge gekürzt worden wären.
Entscheidungsgründe
Die Erinnerung hat zum Teil Erfolg. Sie führt zur Abänderung der angefochtenen Kostenrechnung.
1. Die Zulässigkeit der Erinnerung richtet sich noch nach den bis zum 30. Juni 2004 geltenden Vorschriften des Gerichtskostengesetzes --GKG a.F.-- (vgl. dazu § 72 Nr. 1 GKG i.d.F. des Art. 1 des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts vom 5. Mai 2004, BGBl I 2004, 718), weil die Beschwerde über die Nichtzulassung der Revision vor dem 1. Juli 2004 eingelegt worden ist. Zwar hat der Kostenschuldner am 3. Februar 2005 Erinnerung eingelegt. Jedoch ist § 72 Nr. 1 Halbsatz 2 GKG, wonach das GKG a.F. in Verfahren über ein Rechtsmittel, das nach dem 1. Juli 2004 eingelegt worden ist, keine Anwendung mehr findet, insoweit nicht einschlägig. Bei der Erinnerung gegen den Kostenansatz handelt es sich nämlich nicht um ein Rechtsmittel, sondern um einen Rechtsbehelf (BFH-Beschluss vom 22. Oktober 1991 VIII E 5/91, BFH/NV 1992, 329).
2. Die Erinnerung nach § 5 GKG a.F. ist zulässig. Mit ihr können auch Einwände gegen den dem Kostenansatz durch die Kostenstelle zugrunde gelegten Streitwert geltend gemacht werden. Der dem Kostenansatz zugrunde zu legende Streitwert wird im finanzgerichtlichen Verfahren durch die Kostenstelle des Gerichts ermittelt, sofern er nicht zuvor durch Beschluss des Gerichts nach § 25 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 GKG a.F. festgesetzt worden ist.
3. Die Erinnerung ist auch teilweise begründet, weil der dem Kostenansatz zugrunde gelegte Streitwert von 25 000 € zu hoch angesetzt worden ist. Allerdings ist vorliegend --entgegen der Auffassung des Kostenschuldners-- der Streitwert mit 10 000 € anzusetzen.
Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG a.F. ist in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Falls der bisherige Sach- und Streitstand hierfür keine genügenden Anhaltspunkte bietet, ist ein Streitwert von 4 000 € anzunehmen (§ 13 Abs. 1 Satz 2 GKG a.F.). Danach ist der Streitwert von 4 000 € nicht als Regelstreitwert, sondern als ein Auffangwert anzusehen, der nur dann anzusetzen ist, wenn eine individuelle Bemessung nicht möglich ist, weil hinreichende Anhaltspunkte dafür fehlen (vgl. Senatsbeschluss vom 18. Februar 2000 VII E 2/00, BFH/NV 2000, 975). Um einen solchen Fall handelt es sich hier allerdings nicht; denn der Streitfall weist hinreichende Anhaltspunkte auf, um den Streitwert bemessen zu können.
Der Senat hat bei Streitigkeiten um das Bestehen einer Prüfung als Steuerberater in früheren Entscheidungen einen heute 5 000 € entsprechenden Streitwert angesetzt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 16. Februar 1983 VII S 31/82, BFHE 137, 574, BStBl II 1983, 422, und vom 24. Oktober 1989 VII S 21/89, BFH/NV 1990, 389). Diese Rechtsprechung hat der Senat aufgegeben und neuerdings entschieden, dass diese Festsetzung mit Rücksicht auf die Entwicklung der Einkommensverhältnisse nicht aufrecht erhalten werden könne, sondern der Streitwert in einem Verfahren, in dem es um den Zugang zum Beruf des Steuerberaters gehe, grundsätzlich mit 25 000 € anzusetzen sei (Senatsbeschlüsse vom 10. April 2003 VII S 9/03, BFH/NV 2003, 1082, hinsichtlich einer prüfungsfreien Bestellung als Steuerberater; vom 18. November 2003 VII B 299/02, BFH/NV 2004, 515, hinsichtlich des Bestehens einer Steuerberaterprüfung; vgl. auch Senatsbeschluss vom 15. März 2004 VII B 66/03, nicht veröffentlicht). Die Entscheidungen in BFH/NV 2003, 1082 sowie in BFH/NV 2004, 515 sind allerdings nicht so zu verstehen, dass der Senat den Streitwert in Fällen, in denen es um den Zugang zum Beruf des Steuerberaters geht, stets mit 25 000 € ansetzen wollte. Vielmehr stellt diese Festsetzung lediglich einen pauschalen Wert dar, der im Regelfall und vorbehaltlich gegenteiliger Anhaltspunkte im Einzelfall heranzuziehen ist.
Der beschließende Senat geht davon aus, dass im Streitfall ein vom Regelfall abweichender besonderer Fall vorliegt, der eine solche Ausnahme rechtfertigt. Der Senat hält es daher für angemessen, den Streitwert aufgrund der besonderen Umstände im Einzelfall mit 10 000 € anzusetzen. Der Kostenschuldner hat in seiner Erinnerung überzeugend dargelegt, dass er wegen seiner besonderen persönlichen Verhältnisse nicht in der Lage gewesen wäre, den Beruf des Steuerberaters in der ansonsten üblichen umfangreichen Art und Weise auszuüben. Dementsprechend wäre nicht zu erwarten gewesen und konnte auch nicht unterstellt werden, dass die Einkommensverhältnisse des Kostenschuldners sich ähnlich günstig entwickelt hätten als diejenigen eines Steuerberaters, der nicht mit vergleichbaren Einschränkungen in seinem Beruf tätig werden kann. Da der Kostenschuldner wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig pensioniert wurde, waren für ihn vorrangig soziale und therapeutische und weniger finanzielle Gründe maßgebend, um eine Befreiung von der Steuerberaterprüfung zu beantragen. Aufgrund einer bestehenden Schwerbehinderung wäre der Kostenschuldner auch in tatsächlicher Hinsicht daran gehindert gewesen, den Beruf des Steuerberaters voll auszuüben. Vielmehr hätte er nur in geringem Umfang mit entsprechend geringen Verdienstmöglichkeiten als Steuerberater tätig werden können. Darüber hinaus wären aufgrund beamtenrechtlicher Vorschriften die Verdienstmöglichkeiten des Kostenschuldners auf 10 000 € im Jahr begrenzt gewesen, da ansonsten seine Pensionsbezüge gekürzt worden wären. Diese besonderen Umstände geben dem Senat hinreichende Anhaltspunkte, um einen vom Regelfall abweichenden Fall anzunehmen. Da der Kostenschuldner selbst vorgetragen hat, dass seine Verdienstmöglichkeiten auf 10 000 € im Jahr begrenzt gewesen wären, erscheint es dem Senat gerechtfertigt, den Streitwert mit diesem Betrag anzusetzen.
Die von der Kostenstelle des BFH angesetzten Gerichtskosten sind daher bei einem Streitwert von 10 000 € auf 392 € herabzusetzen (Anlage 1 Teil 3 IV Nr. 3402 zu § 11 Abs. 1 GKG a.F. und Anlage 2 zu § 11 Abs. 2 GKG a.F.).
4. Soweit der Kostenschuldner darüber hinaus begehrt, der Kostenrechnung einen Streitwert von 4 000 € zugrunde zu legen, ist die Erinnerung unbegründet. Denn ein Streitwert von 4 000 € ist gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG a.F. erst dann anzunehmen, wenn der bisherige Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine hinreichenden Anhaltspunkte bietet. Wie bereits oben unter II. 1. der Gründe ausgeführt, ist dies vorliegend gerade nicht der Fall.
5. Das Verfahren über die Erinnerung ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 5 Abs. 6 GKG a.F.).
Fundstellen
Haufe-Index 1414757 |
BFH/NV 2005, 2021 |