Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Aussetzung der Vollziehung eines Teilwertbescheides nach § 55 Abs. 5 EStG im Revisionsverfahren
Leitsatz (NV)
1. Die Grundsätze für die Aussetzung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO gelten auch für die Aussetzung der Vollziehung eines Teilwertbescheides nach § 55 Abs. 5 EStG.
2. Wird der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung im Revisionsverfahren gestellt, müssen die beschränkten Prüfungsmöglichkeiten in diesem Verfahren beachtet werden. Maßgebend sind die Erfolgsaussichten des Revisionsverfahrens, wenn man sie einer summarischen Prüfung unterzieht.
Normenkette
EStG § 55 Abs. 5; FGO § 69 Abs. 2-3
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger, Revisionskläger und Antragsteller (Kläger) begehrt neben dem Revisionsverfahren in der Hauptsache - Aktenzeichen IV R 162/85 -, die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Bescheides über die Feststellung des höheren Teilwertes nach § 55 Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) vom 8. März 1976 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. September 1978.
Streitpunkt der Anfechtung des Feststellungsbescheides in der Hauptsache ist die Höhe des Teilwertes zum 1. Juli 1970 der landwirtschaftlichen Grundstücke in einer Gesamtgröße von 18 780 qm, die der Kläger mit Vertrag vom 27. Juni 1972 an die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) XY, zu einem Preise von 40 DM pro qm veräußert hat. Der Beklagte, Revisionsbeklagte und Antragsgegner (das Finanzamt - FA -) hat den Teilwert dieser Grundstücke zum 1. Juli 1970 mit 20 DM pro qm festgestellt.
Der Kläger vertritt demgegenüber die Auffassung, der im Juni 1972 erzielte Veräußerungspreis sei zugleich der Teilwert dieser Grundstücke zum 1. Juli 1970, da derselbe Preis schon bei den Verkaufsverhandlungen vor dem 1. Juli 1970 im Gespräch gewesen sei und außerdem nach dem Schreiben des Bundesministers für Wirtschaft und Finanzen (BMWF) vom 26. Februar 1972 (BStBl I 1972, 102) ein bis zum 1. Juli 1972 erzielter Veräußerungspreis für ein Betriebsgrundstück grundsätzlich auch als sein Teilwert zum 1. Juli 1970 anzusehen sei. Davon seien die Beteiligten beim Verkauf am 27. Juni 1972 ausgegangen. Ein Abweichen von dieser Anweisung sei ein Verstoß gegen Treu und Glauben.
Im Klageverfahren hat das Finanzgericht (FG) über die Streitfrage Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. In dem Gutachten kam der Sachverständige zu einem Teilwert, den er mit 30 DM pro qm berechnete.
Das FG hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, der im Juni 1972 erzielte Veräußerungspreis könne nicht dem Teilwert zum 1. Juli 1970 entsprechen, da es sich dabei um einen rein spekulativ motivierten Kaufpreis gehandelt habe, der nach den tatsächlichen Marktverhältnissen für landwirtschaftliche Grundstücke, für die keine andere Nutzung in Betracht gekommen sei, nicht gerechtfertigt gewesen wäre. Die veräußerten landwirtschaftlichen Grundstücke seien weder baureifes Land noch Rohbauland noch Bauerwartungsland gewesen. Eine andere Nutzung als die landwirtschaftliche sei nicht in Betracht gekommen und sei auch heute noch nicht möglich. Mit 20 DM pro qm habe das FA allen Gesichtspunkten, die für eine Erhöhung des Bodenpreises für nur landwirtschaftlich nutzbare Grundstücke von 9 DM pro qm sprächen, Rechnung getragen.
Mit der Revision macht der Kläger geltend, laut Schreiben des BMWF vom 29. Februar 1972 (BStBl I 1972, 102) entspreche bei Verkäufen vor dem 1. Juli 1972 der erzielte Verkaufspreis in der Regel dem Teilwert zum 1. Juli 1970, wenn nicht besondere Umstände vorlägen. Nach diesem Schreiben hätten sich die Beteiligten bei den Verkäufen gerichtet. Das Schreiben sei wesentliche Grundlage des Verkaufes der strittigen Flächen gewesen. Das FG unterstelle, daß im Streitfall besondere Umstände im Sinne des angeführten Schreibens vorgelegen hätten. Dies sei aber nicht der Fall. Der Verkaufspreis von 40 DM pro qm sei schon vor dem 1. Juli 1970 Verhandlungsgegenstand gewesen. Es sei zwar richtig, daß es sich dabei um einen spekulativ motivierten Kaufpreis gehandelt habe. Dieser Preis sei jedoch nicht überhöht gewesen. Auch ein spekulativ motivierter Kaufpreis müsse bei der Teilwertberechnung Berücksichtigung finden, da z. B. jeder Kauf von Bauerwartungsland ein spekulativer Kauf sei, getragen von der Hoffnung, dieses Grundstück in naher Zukunft bebauen zu können.
Der Kläger beantragt mit der Revision, unter Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung, das FA zu verpflichten, den Feststellungsbescheid dahingehend zu ändern, daß der Teilwertberechnung ein qm-Preis von 40 DM zugrunde gelegt wird.
Hilfsweise beantragt der Kläger, die Streitsache wegen mangelnder Sachaufklärung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Neben der Revision beantragt der Kläger die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Feststellungsbescheides nach § 55 Abs. 5 EStG vom 8. März 1976, nochmals zugestellt am 2. Januar 1978, in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. September 1978 in Höhe des strittigen Betrages von 375 600 DM (Differenz des Teilwertes bei 40 DM pro qm und 20 DM pro qm) bis zur Bekanntgabe der Entscheidung durch den Bundesfinanzhof (BFH), da ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bestünden.
Zur Begründung verweist der Kläger auf seine Revisionsbegründung in der Hauptsache vom 24. September 1985. Das FA hat die Aussetzung der Vollziehung in Höhe der fälligen Einkommensteuer nur bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung des FG bewilligt. Den Antrag des Klägers auf Verlängerung der Aussetzung der Vollziehung bis zur Entscheidung des BFH wurde vom FA abgelehnt.
Entscheidungsgründe
Der Aussetzungsantrag kann keinen Erfolg haben.
1. Der Antrag ist zulässig.
Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. Abs. 2 Satz 2 dieser Vorschrift kann der Senat als das Gericht der Hauptsache die Vollziehung aussetzen, wenn ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgabe- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Diese Grundsätze gelten auch für den Bescheid über die Feststellung des höheren Teilwertes nach § 55 Abs. 5 EStG. Denn dieser Bescheid stellt für die Gewinnfeststellungsbescheide bzw. für die Einkommensteuerbescheide, in denen Veräußerungsgewinne oder Entnahmegewinne der in dem Feststellungsbescheid enthaltenen Grundstücke erfaßt werden sollen, den zugehörigen Grundlagenbescheid dar (vgl. BFH-Beschluß vom 12. Januar 1978 IV S 12-13/77, BFHE 124, 147, BStBl II 1978, 227, und BFH-Urteil vom 12. Juli 1979 IV R 55/74, BFHE 128, 527, BStBl II 1980, 5). Mit dem Aussetzungsantrag erstrebt der Kläger, daß aus dem niedrigeren Ansatz des Teilwertes = Einlagewert i. S. des § 55 Abs. 7 EStG der fraglichen Grundstücke zum 1. Juli 1970 durch das FA bei den durch ihre Veräußerung entstandenen Veräußerungsgewinnen so lange keine Folgerungen gezogen werden, als nicht über seine die Höhe dieser Werte betreffende Revision vom Senat entschieden ist. Dieses Ziel kann der Kläger durch eine Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Feststellungsbescheids in Höhe des streitigen Differenzbetrages erreichen.
Auch die besonderen Voraussetzungen aus Art. 3 § 7 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit vom 31. März 1978 - VGFGEntlG - (BGBl I, 446) sind erfüllt; der Kläger und das FA haben übereinstimmend vorgetragen, daß die Finanzbehörde die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Feststellungsbescheids bis zur Entscheidung der Hauptsache durch den BFH abgelehnt hat.
2. Der Antrag ist jedoch unbegründet; es bestehen nach der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Streitfrage keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Feststellungsbescheids.
Da der Antrag erst im Revisionsverfahren gestellt worden ist, müssen die beschränkten Prüfungsmöglichkeiten des Revisionsgerichts beachtet werden. Maßgebend sind daher die Erfolgsaussichten des Revisionsverfahrens, wenn man sie einer summarischen Prüfung unterzieht. Danach bestehen nach dem gegenwärtigen Sachstand für die Revision keine Erfolgsaussichten.
Zur Bestimmung des Teilwerts i. S. des § 55 Abs. 5 EStG für landwirtschaftliche Grundstücke hat der Senat im Urteil vom 25. August 1983 IV R 218/80 (BFHE 139, 268, BStBl II 1984, 33) grundsätzliche Ausführungen gemacht, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen werden kann. Danach entspricht der nach § 55 Abs. 5 EStG zu bestimmende Teilwert landwirtschaftlich genutzter Grundstücke in der Regel den Wiederbeschaffungskosten, die mit dem erzielbaren Veräußerungspreis übereinstimmen können, aber nicht übereinstimmen müssen.
Von diesen Grundsätzen ist das FG bei der Ermittlung des Teilwerts ausgegangen und kam dabei zur Bestätigung des vom FA festgestellten Teilwerts von 20 DM pro qm für die gesamte veräußerte Grundstücksfläche von 18 780 qm. Die Ablehnung des vom Kläger begehrten Teilwerts von 40 DM pro qm, d. h. eines Werts, den der Kläger beim Verkauf der Grundstücke im Juni 1972 tatsächlich realisiert hat, begründete das FG damit, daß es sich dabei um einen rein spekulativ motivierten Preis gehandelt habe, der lediglich auf subjektiven Erwägungen und nicht erfüllbaren Erwartungen beruht habe, ohne Rücksicht auf sachliche Anhaltspunkte für eine erhoffte künftige Bebauung bezahlt worden sei und deshalb zur Feststellung des objektiven Teilwerts nicht herangezogen werden könne. Diese Schlußfolgerung unterliegt keinen ernsthaften Zweifeln, wenn feststeht, daß nur ein einzelner Käufer in einem Einzelfall zur damaligen Zeit bereit war, diesen überhöhten Preis aus rein spekulativen Erwägungen zu zahlen, wovon das FG auch ausgegangen ist. Denn dieser spekulativ begründete Preis entspricht dann nicht den Wiederbeschaffungskosten, die für betriebsnotwendige Wirtschaftsgüter, zu denen die landwirtschaftlichen Nutzflächen grundsätzlich gehören, den möglichen Höchstwert für die Teilwertermittlung darstellen. Solche rein spekulativ motivierten Angebote von Kaufpreisen liegen nach der Marktlage über dem allgemeinen Preisniveau für derartige Grundstücke und damit auch eindeutig über den möglichen Wiederbeschaffungskosten.
Die Feststellung des FG, daß 40 DM pro qm noch im Juni 1972 ein reiner Spekulationspreis war, beruht auf einer Würdigung tatsächlicher Verhältnisse durch das FG, an die das Revisionsgericht gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist, wenn sie nicht gegen die Denkgesetze und die allgemeinen Erfahrungssätze verstößt, wenn sie also an sich möglich ist und der Revisionskläger dagegen keine zulässigen und begründeten Revisionsrügen vorgebracht hat.
Die summarische Prüfung ergibt keine Anhaltspunkte dafür, daß diese Würdigung tatsächlicher Verhältnisse durch das FG gegen die Denkgesetze oder die allgemeinen Erfahrungssätze verstößt. Der Kläger hat gegen diese Würdigung auch keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen vorgebracht. Danach ist unter Berücksichtigung der dargelegten beschränkten Nachprüfbarkeit die vom FG vorgenommene Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse, aufgrund deren es zu einem Teilwert von 20 DM pro qm gelangte, durch das Revisionsgericht nicht zu beanstanden. Zwar ist der Sachverständige in seinem Gutachten zu einem höheren Teilwert von 30 DM pro qm gelangt, weil er der Meinung war, bei landwirtschaftlichen Flächen, deren eventuelle Bebauung durch ihre Lage und Beschaffenheit nicht ausgeschlossen werden könne, müsse der Wert von 9 DM pro qm um das 3‹-fache erhöht werden, worin ihm aber das FG nicht gefolgt ist. Es hat darauf hingewiesen, der behauptete, aber vom Sachverständigen durch nichts belegte Erfahrungswert des 3‹-fachen des landwirtschaftlichen Bodenwerts für die fraglichen Grundstücke erscheine überhöht; soweit eine erhöhte Bewertung überhaupt in Betracht komme, habe das FA mit einem Wert von 20 DM pro qm dem ausreichend Rechnung getragen. In dieser Abweichung von dem Gutachten des Sachverständigen liegt wiederum eine mögliche Würdigung tatsächlicher Verhältnisse, die schon deshalb nicht beanstandet werden kann, weil der Sachverständige die Möglichkeit der späteren Bebauung des Areals offenbar zu optimistisch beurteilt hat und außerdem der von ihm und vom FA angesetzte Bodenpreis für landwirtschaftliche Grundflächen in Höhe von 9 DM pro qm an sich schon einen hohen Wert darstellt, dessen Multiplizierung mit dem 3‹-fachen bereits Baulandpreise ergibt. Auch diese Würdigung des FG erscheint daher möglich und damit für das Revisionsgericht bindend.
Im Vordergrund der Revision des Klägers steht zwar der Einwand, das FG habe mit seiner Entscheidung die Grundsätze von Treu und Glauben verletzt, weil es von der Anweisung der Finanzverwaltung im Schreiben des BMWF vom 29. Februar 1972 (BStBl I 1972, 102) abgewichen sei. Dieser Einwand liegt zwar außerhalb der tatsächlichen Würdigung der Preisverhältnisse zum 1. Juli 1970 durch das FG, er betrifft eine Rechtsfrage. Das FG hat aber zutreffend darauf hingewiesen, daß das Schreiben des BMWF vom 29. Februar 1972, nach dem bei Grundstücksveräußerungen vor dem 1. Juli 1972 bei der Feststellung des höheren Teilwerts nach § 55 Abs. 5 EStG im allgemeinen auch ohne besonderen Nachweis von dem tatsächlich erzielten Veräußerungserlös abzüglich etwaiger Veräußerungskosten ausgegangen werden könne, für den Streitfall nichts hergebe, weil diese Vermutung nur gelte, wenn keine besonderen Umstände dagegen sprächen; im vorliegenden Fall liege aber in der Zahlung eines überhöhten, rein spekulativ motivierten Kaufpreises ein solcher besonderer Umstand, der den im Juli 1972 bezahlten Kaufpreis für eine Teilwertermittlung zum 1. Juli 1970 als Maßstab untauglich mache. Die Entscheidung der Rechtsfrage, ob FA und FG gegen Treu und Glauben verstoßen haben, beruht also wieder auf der oben dargelegten möglichen Tatsachenwürdigung durch das FG.
Nach der dargelegten Rechtslage fehlen somit Gründe, die die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Feststellungsbescheids als ernstlich zweifelhaft erscheinen ließen. Der Antrag war daher als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 414905 |
BFH/NV 1988, 442 |