Entscheidungsstichwort (Thema)
Weinhandel; Einkünfteerzielungsabsicht/rechtliches Gehör
Leitsatz (NV)
Die schlüssige Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, die sich auf einzelne Feststellungen oder rechtliche Gesichtspunkte des finanzgerichtlichen Urteils beschränkt, setzt voraus, dass der Beschwerdeführer im einzelnen darlegt, wozu er sich nicht hat äußern können, was er bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs vorgetragen hätte und dass bei Berücksichtigung des übergangenen Vorbringens eine andere Entscheidung in der Sache möglich gewesen wäre.
Normenkette
GG Art. 103 Abs. 1; EStG § 15; FGO §§ 115-116
Verfahrensgang
Tatbestand
I. An der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) --der X-KG (KG)-- ist Herr X. als alleiniger Kommanditist beteiligt. Gegenstand des Unternehmens war zunächst nur die Durchführung von Bauvorhaben, seit 1994 betrieb die KG zusätzlich einen Weinhandel, aus dem sie jedenfalls bis einschließlich des Jahres 2000 nur Verluste erzielte. Im Anschluss an eine Betriebsprüfung erkannte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) die Gewinnerzielungsabsicht für die Streitjahre (1997 bis 1999) nicht an. Hierzu wurde im Betriebsprüfungsbericht unter anderem dargelegt, dass der von der KG vertriebene Wein ausschließlich von einem italienischen Weingut bezogen worden sei, an dem die Eheleute X. im Prüfungszeitraum beteiligt gewesen seien. Zudem seien die Weine unter dem Selbstkostenpreis abgegeben worden. Nach dem Bericht sind des Weiteren die Inventurbestände fehlerhaft aufgenommen worden mit der Folge der Schätzung eines durchschnittlichen Eigenverbrauchs in Höhe von 150 Flaschen je Kalenderjahr. Schließlich ging der Prüfer im Hinblick auf den Verkauf an den Bruder des Herrn X. für die Jahre 1997 und 1999 von einem Eigenverbrauch in Höhe der Differenz von den Selbstkosten (Einkaufspreis zuzüglich Transportkosten) einerseits und den vereinnahmten Entgelten andererseits aus.
Die gegen die entsprechenden Änderungsbescheide vom 24. Februar 2003 --betreffend Gewinnfeststellungen 1997 bis 1999, gesonderte Feststellung des nach § 10a des Gewerbesteuergesetzes vortragsfähigen Verlusts auf den 31. Dezember 1997 bis 31. Dezember 1999, Umsatzsteuer 1997 bis 1999-- erhobenen Einsprüche hatten lediglich insoweit Erfolg, als das FA die dem Weinhandel zuzuordnenden --und weiterhin nicht berücksichtigten-- Verluste verminderte; zudem reduzierte es die Bemessungsgrundlagen für die angesetzten Eigenverbrauchstatbestände.
Die hiergegen erhobene Klage wurde vom Finanzgericht (FG) abgewiesen. Zum einen sei --so die Vorinstanz-- bezüglich des Weinhandels von einer ertragsteuerrechtlich unbeachtlichen Liebhaberei auszugehen, da die Klägerin auf die --jedenfalls in den Jahren 1994 bis 2000 erlittenen-- Verluste nicht mit einer Änderung ihres Geschäftskonzepts reagiert habe. Hinzu komme, dass für einen Weinvertrieb die Befriedigung persönlicher Neigungen der hinter der Personengesellschaft stehenden natürlichen Personen nicht typischerweise ausgeschlossen werden könne; im Streitfall müsse dabei zudem berücksichtigt werden, dass das Ehepaar X. an dem Weingut in Italien, dem einzigen Lieferanten der Klägerin, beteiligt gewesen sei und es deshalb nahe liege, auch den Weinvertrieb der privaten Lebensführung zuzuordnen. Zum anderen sei der Schätzung des Eigenverbrauchs durch das FA auf der Basis von 150 Flaschen je Jahr und einem durchschnittlichen Preis von 11,59 DM beizutreten.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.
1. Der Vortrag, das Urteil des FG beruhe auf Verfahrensmängeln, genügt nicht den hierbei zu beachtenden Darlegungserfordernissen (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
a) Dies gilt zum einen für die Rüge, die Vorinstanz habe deshalb eine Überraschungsentscheidung getroffen und damit gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör verstoßen, weil das FG die im finanzgerichtlichen Verfahren nur durch Herrn X. vertretene Klägerin nicht darauf hingewiesen habe, dass es für die Anerkennung der Gewinnerzielungsabsicht der Vorlage eines schlüssigen Betriebskonzepts bedürfe.
Dabei kann der Senat offenlassen, ob und in welchem Umfang es auch einem nicht fachkundig vertretenen Kläger obliegt, die für die Entscheidung über seinen Streitfall erforderlichen tatsächlichen Umstände auch ohne einen ausdrücklichen Hinweis des Gerichts vorzutragen. Der Senat neigt dazu, Letzteres im Streitfall deshalb zu bejahen, weil die Frage eines geeigneten unternehmerischen Konzepts bereits Gegenstand sowohl des Betriebsprüfungsberichts und der hierzu verfassten Stellungnahme der Klägerin vom 2. Dezember 2002 als auch des von der A-GmbH (Steuerberatungsgesellschaft) verfassten Einspruchs und der daraufhin ergangenen Einspruchsentscheidung war. Zudem wurde im finanzgerichtlichen Verfahren --im Anschluss an die mit Schriftsatz vom 23. März 2004 angekündigte Einarbeitung eines neuen Steuerberaters-- vollumfänglich auf die bisherigen Stellungnahmen verwiesen (weiterer Schriftsatz vom 30. April 2004). Demgemäß ist nicht ersichtlich, was die Klägerin zu der Annahme hätte verleiten können, dass das FG die Gewinnerzielungsabsicht bezüglich des Weinhandels auch ohne substantiierte Darlegungen zu einem schlüssigen Betriebskonzept bejahen würde. Zudem erscheint der Beschwerdevortrag auch insoweit nicht widerspruchsfrei, als die Klägerin einerseits die Rüge eines fehlenden Hinweises durch die Vorinstanz erhebt, andererseits aber (auf S. 4 der Beschwerdeschrift) ausführt, welche Maßnahmen sie --gemäß ihrem "expliziten" erstinstanzlichen Vortrag-- zur Steigerung der Verkaufspreise ergriffen habe (Messepräsenz, Werbeanzeigen, Umstellung des Vertriebswegs etc.).
Beidem ist jedoch nicht weiter nachzugehen, da nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) eine schlüssige Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs, die sich auf einzelne Feststellungen oder rechtliche Gesichtspunkte des finanzgerichtlichen Urteils beschränkt, jedenfalls voraussetzt, dass der Beschwerdeführer im Einzelnen darlegt, wozu er sich nicht hat äußern können, was er bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs (noch zusätzlich) vorgetragen hätte und dass bei Berücksichtigung des übergangenen Vorbringens eine andere Entscheidung in der Sache möglich gewesen wäre (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 119 Rz 14, mit umfangreichen Nachweisen). Vorliegend ist diesem Darlegungserfordernis weder durch den Hinweis, im Bestreitensfalle das Betriebskonzept der Klägerin vorzulegen noch durch die Behauptung genügt, dass nach diesem Konzept "jedenfalls aus der ex ante‐Betrachtung" der Weinhandel "eine Einkommensquelle im Sinne des Einkommensteuerrechts dargestellt (habe)". Erforderlich wären vielmehr substantiierte und nachvollziehbare Ausführungen dazu gewesen, auf der Grundlage welcher und im Einzelnen zu benennender Umstände die Klägerin damit rechnen konnte, einen Totalgewinn aus dem Weinhandel zu erzielen.
b) Im Ergebnis aus den nämlichen Gründen ist auch der Vortrag, das FG habe im Zusammenhang mit dem Ansatz eines Eigenverbrauchs aufgrund des Weinverkaufs an den Bruder von Herrn X. den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, unsubstantiiert (zur Zuständigkeit des Senats vgl. Teil A, Ergänzende Regelungen, I.3, letzter Halbsatz i.V.m. I.1 des Geschäftsverteilungsplans des BFH für das Jahr 2008).
Soweit die Klägerin geltend macht, das FG habe versäumt, darauf hinzuweisen, dass es die Klägerin bezüglich der Behauptung von (Not-)Verkäufen nicht mehr lagerfähiger Weine als darlegungs- und beweispflichtig ansehen werde, kann mit Rücksicht darauf, dass auch dieser Gesichtspunkt bereits in das Einspruchsverfahren eingeführt wurde, offenbleiben, ob die Vorinstanz zu einem solchen Hinweis verpflichtet war. Jedenfalls war es im Rahmen einer schlüssigen Gehörsrüge zumindest geboten, die Behauptung anhand einzelner (repräsentativer) Notverkäufe substantiiert zu erläutern und zu belegen. Auch insoweit genügt der bloße Verweis auf eine Zeugenvernehmung des Herrn X nicht.
c) Unschlüssig ist ferner die Rüge, das FG habe dadurch den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, dass die Klägerin (bezüglich der Annahme einer fehlenden Gewinnerzielungsabsicht) nicht aufgefordert worden sei, zu den in den Jahren 2002, 2004 und 2007 "möglicherweise" angefallenen Gewinnen Stellung zu nehmen. Abgesehen davon, dass die Beschwerdeschrift auch insoweit nicht erläutert, in welcher Weise die Klägerin sich auf eine solche Anforderung durch das FG geäußert hätte, lässt der Vortrag außer Acht, dass der Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs der materiell-rechtliche Standpunkt der Vorinstanz zugrunde zu legen ist (Gräber/Ruban, a.a.O., § 119 Rz 14) und das FG in diesem Zusammenhang ausgeführt hat, dass selbst dann, wenn in den genannten Jahren geringfügige Gewinne angefallen sein sollten, sich hieraus keine positive Zukunftsprognose ableiten lasse, die auf einer Änderung des Betriebskonzepts beruht hätte. Demgemäß ist auch in keiner Weise erkennbar, welchen Einfluss die für die Jahre 2002, 2004 und 2007 als möglich erachteten Gewinne auf die Entscheidung der Vorinstanz haben könnten.
2. Unsubstantiiert ist schließlich auch die Rüge, die Zulassung der Revision sei zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO). Insoweit fehlt es an der Benennung eines tragenden und abstrakten Rechtssatzes im Urteil der Vorinstanz, der von einem gleichfalls tragenden und abstrakten Rechtssatz in einer Entscheidung des BFH abweicht. Die bloße Behauptung, die Vorinstanz habe den konkreten Fall falsch gewürdigt, genügt hierfür nicht (Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 42). Ein solcher Vortrag ist des Weiteren auch nicht geeignet, die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darzulegen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO; Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 34).
Fundstellen