Entscheidungsstichwort (Thema)
Verletzung der Aufklärungspflicht; Bezeichnung einer Gehörsverletzung
Leitsatz (NV)
- Zur Rüge mangelnder Sachaufklärung gehört die Angabe, woraus folgt, daß nach der Rechtsansicht des FG die betreffende Tatsache rechtserheblich ist. Ferner mit welchen Beweismitteln welche konkreten Tatsachen hätten aufgeklärt werden müssen, daß substantiierte Beweisanträge gestellt worden sind oder daß sich trotz Unterlassens solcher Beweisanträge aus genau anzugebenden Gründen dem FG eine Aufklärung von Amts wegen hätte aufdrängen müssen, welche Ergebnisse die Beweiserhebung voraussichtlich gehabt hätte und inwiefern sie aus der rechtlichen Sicht des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (st. Rspr.).
- Die Aufhebung oder Vertagung eines Termins zur mündlichen Verhandlung steht im Ermessen des Gerichts. Für eine Gehörsrüge ist deshalb darzulegen, weshalb das Ermessen des FG eingeschränkt war. Ferner was bei Gewährung weiteren Gehörs noch hätte vorgetragen werden sollen und inwiefern dies eine andere Entscheidung des Gerichts zur Folge gehabt hätte.
Normenkette
FGO § 76 Abs. 1 S. 1, § 96 Abs. 2, § 115 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 S. 3, § 142
Tatbestand
Der Antragsteller war Geschäftsführer einer GmbH. Diese hat Anfang 1995 Löhne für die Monate Oktober und November 1994 an ihre Arbeitnehmer ausgezahlt, ohne die darauf entfallende Lohnsteuer an den Beklagten und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) abzuführen. Gegen den deshalb vom FA wegen der Lohn- und Lohnkirchensteuer und Säumniszuschlägen erlassenen Haftungsbescheid hat der Antragsteller Klage erhoben, die inzwischen durch das Finanzgericht (FG) ―außer wegen eines Teils der Säumniszuschläge― abgewiesen worden ist. Prozeßkostenhilfe (PKH) zu gewähren, hat das FG abgelehnt. Das Verfahren wegen Nichtzulassung der Revision ist bei dem beschließenden Senat unter dem Az. … anhängig, die PKH-Beschwerde unter dem Az. VII B 311/98. Für diese Verfahren begehrt der Antragsteller PKH.
Zur Begründung seines Urteils führt das FG im wesentlichen folgendes aus:
Der Antragsteller habe nicht dargelegt, welche unvorhergesehenen Ereignisse zwischen Auszahlung der Löhne und Fälligkeit der Lohnsteuer ihm deren pünktliche Abführung unmöglich gemacht hätten. Er habe die diesbezügliche ausdrückliche Anfrage des Gerichts auch in der mündlichen Verhandlung nicht beantworten können. Die Tatsache, daß bereits die am 10. Februar 1995 fällige Lohn- und Lohnkirchensteuer nicht gezahlt worden sei, zeige, daß das von der Bank im Zusammenhang mit dem vorläufigen Bewilligungsbescheid des Landes eingeräumte Sonderdarlehen von 400 000 DM bereits entweder verbraucht gewesen sei oder unter Benachteiligung des FA für andere Gläubiger verwandt wurde.
Die sich aus dem vorläufigen Bewilligungsbescheid ergebenden Hoffnungen entlasteten den Antragsteller nicht. Er sei bereits in dem Bescheid darauf hingewiesen worden, daß noch eine Genehmigung der Europäischen Union einzuholen sei.
Im übrigen folge aus der Tatsache, daß der Antragsteller über mehrere Monate hinweg die Löhne immer wieder ungekürzt ausgezahlt habe, daß er jedenfalls über ausreichende Mittel verfügte, um jeweils die für den vorangegangenen Kalendermonat rückständige Lohnsteuer in voller Höhe zu entrichten. Der Antragsteller hafte dementsprechend für die rückständigen Steuerabzugsbeträge.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Antragsteller Beschwerde eingelegt, mit der er geltend macht, das Urteil des FG beruhe auf Verfahrensmängeln. Der Antragsteller habe über den Kredit von 400 000 DM nicht frei verfügen können; die faktische Geschäftsführung habe insoweit vielmehr bei der Bank gelegen, die alle Zahlungsein- und -ausgänge verwaltet habe. Das FG habe von Amts wegen feststellen müssen, inwieweit der Antragsteller die Auszahlung der Löhne bzw. die Abführung der Lohnsteuer habe beeinflussen können. Ferner habe das FG seine Aufklärungspflicht dadurch verletzt, daß es nicht festgestellt habe, inwieweit der Antragsteller ein berechtigtes Vertrauen in die endgültige Zusage des Bewilligungsbescheides haben konnte; die Zuführung der Darlehenssumme von 900 000 DM hätte die finanzielle Konsolidierung der GmbH ermöglicht. Zudem sei der Kontokorrentkredit von der Hausbank am 15. März 1995 unerwartet gesperrt worden. Das habe dazu geführt, daß der Antragsteller die Forderungen des FA nicht mehr habe erfüllen können.
Schließlich rügt die Beschwerde, daß dem Antragsteller die in der mündlichen Verhandlung erbetene Erklärungsfrist nicht gewährt worden sei. Er hätte sonst darlegen können, daß es für ihn nicht offenkundig war, daß er die Zahlungstermine für die Lohnsteuer versäumen werde. Das FG habe die Ablehnung der Erklärungsfrist zwar damit begründet, daß es den Antragsteller vorab aufgefordert habe, sich zu erklären; das FG verkenne jedoch, daß rechtliches Gehör "großzügig" gewährt werden müsse.
Entscheidungsgründe
Der Antrag auf Gewährung von PKH für das Verfahren wegen Nichtzulassung der Revision ist unbegründet. Dem Antragsteller kann keine PKH gewährt werden, weil die Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg verspricht. Denn die Beschwerde ist unzulässig, weil ihre Begründung nicht den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entspricht.
Wird das Begehren, die Revision zuzulassen, auf den Zulassungsgrund des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO gestützt, so ist nach der vorgenannten Vorschrift in der Beschwerdebegründung genau anzugeben, aufgrund welcher Tatsachen sich ergibt, daß das FG Verfahrensvorschriften verletzt hat, und inwiefern sein Urteil darauf beruhen kann.
Es ist nicht dargelegt, daß das Urteil des FG darauf beruhen kann, daß es nicht aufgeklärt hat, ob die Hausbank der GmbH "faktische Geschäftsführerin hinsichtlich der Verwaltung des Sonderdarlehens von 400 000 DM" war. Denn es ist nicht angegeben ―und auch nicht erkennbar―, woraus folgt, daß nach der Rechtsansicht des FG eine solche Stellung der Bank die Haftung des Antragstellers entfallen lassen würde.
Ebensowenig ist dargelegt oder erkennbar, daß das FG hätte zu einer anderen Entscheidung gelangen können, wenn es weiter aufgeklärt hätte, ob die Gewährung eines Landesdarlehens von 900 000 DM zur Konsolidierung der GmbH geführt hätte und inwiefern der Antragsteller auf die Gewährung dieses Darlehens vertrauen konnte. Die Beschwerde übersieht in diesem Zusammenhang, daß nach der ―übrigens zutreffenden― Rechtsansicht des FG die Haftung des Antragstellers von einer solchen Erwartung unabhängig ist, weil es allein darauf ankomme, ob der Antragsteller von der Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit der GmbH im Fälligkeitszeitpunkt der Steuern ausgehen konnte. Daß die Gewährung der Landesbürgschaft bzw. eines entsprechenden Darlehens der Bank diese nicht (rechtzeitig) hätte herstellen können, hat das FG, für das angestrebte Revisionsverfahren mangels dazu erhobener Verfahrensrügen nach § 118 Abs. 2 FGO bindend, festgestellt.
Soweit die Beschwerde die angeblich mangelhafte Aufklärung der Sperrung des Kontokorrentkredits rügt, ist weder dargelegt, daß das Urteil des FG darauf beruhen kann, noch enthält die Beschwerdebegründung die erforderlichen Angaben, mit welchen Beweismitteln welche konkreten Tatsachen hätten aufgeklärt werden müssen, daß der Antragsteller deswegen substantiierte Beweisanträge gestellt hat oder daß sich trotz Unterlassens solcher Beweisanträge ―aus genau anzugebenden Gründen― dem FG eine Aufklärung von Amts wegen hätte aufdrängen müssen, welche Ergebnisse die Beweiserhebung voraussichtlich gehabt hätte und inwiefern sie ―aus der rechtlichen Sicht des FG― zu einer anderen Entscheidung hätte führen können.
Auch die Rüge, das FG habe zu Unrecht keine weitere Erklärungsfrist gewährt ―was die Aufhebung oder Vertagung der bereits begonnenen mündlichen Verhandlung erfordert hätte―, ist unschlüssig. Denn die Aufhebung oder Vertagung eines Termins zur mündlichen Verhandlung steht im Ermessen des Gerichts (vgl. u.a. Beschluß des Bundesfinanzhofs vom 30. November 1992 X B 18/92, BFH/NV 1993, 732). Es ist nicht dargelegt und nicht erkennbar, weshalb im vorliegenden Fall das Ermessen des FG dahin eingeschränkt war, trotz rechtzeitigen richterlichen Hinweises auf die in der mündlichen Verhandlung zu erörternden Tatsachen, den der Antragsteller indes unbeachtet gelassen hat, den Verhandlungstermin aufzuheben oder zu vertagen statt abschließend zur Sache zu verhandeln. Im übrigen ist der Verfahrensmangel einer Verletzung des Anspruches auf rechtliches Gehör grundsätzlich nur bezeichnet, wenn u.a. genau angegeben wird, was bei Gewährung weiteren Gehörs noch hätte vorgetragen werden sollen und inwiefern dies eine andere Entscheidung des Gerichts zur Folge gehabt hätte. Diesbezügliche Darlegungen des Klägers fehlen.
Daß dem Antragsteller auch für das Verfahren VII B 311/98 PKH nicht gewährt werden kann, folgt aus den Gründen des heute in dieser Sache ergangenen Beschlusses des Senats.
Fundstellen
Haufe-Index 302374 |
BFH/NV 1999, 1484 |