Leitsatz (amtlich)
Hat das FG in der Annahme, die Hauptsache sei durch übereinstimmende Erklärungen der Beteiligten erledigt, eine Kostenentscheidung nach § 138 Abs. 1 FGO erlassen und legt ein Beteiligter dagegen Beschwerde ein, mit der Behauptung, er habe keine Erledigungserklärung abgegeben, so kann die Beschwerde nur dazu führen, daß unter Aufhebung der Kostenentscheidung die Sache zur Fortsetzung des Verfahrens an das FG zurückverwiesen wird, das nunmehr durch Urteil zu entscheiden hat.
Normenkette
FGO §§ 128, 138 Abs. 1
Tatbestand
Streitig ist, ob das beklagte FA in der Vorinstanz gemeinsam mit der Klägerin in der mündlichen Verhandlung die Hauptsache für erledigt erklärt hat und das FG deshalb das Verfahren durch eine isolierte Kostenentscheidung zuungunsten des FA beenden konnte.
Der Rechtsstreit ging in der Hauptsache um die Frage, ob die Klägerin gemäß § 10a GewStG Verluste einer Firma, mit der nach dem Vortrag der Klägerin eine Unternehmenseinheit bestanden haben soll, bei der Gewerbesteuerveranlagung für die Jahre 1961 und 1962 geltend machen konnte.
Das FA lehnte den Verlustabzug durch Gewerbesteuermeßbescheid für 1960 vom 29. Mai 1963 und durch Gewerbesteuermeßbescheid für 1961 vom 2. April 1963 sowie durch die Einspruchsentscheidung vom 22. September 1964 ab.
Gegen die Einspruchsentscheidung legte die Klägerin Berufung ein. Während des Verfahrens vor dem FG wurden aufgrund einer zwischenzeitlich durchgeführten Betriebsprüfung die angefochtenen Gewerbesteuermeßbescheide 1960 und 1961 nach § 218 Abs. 4 AO geändert. Daraufhin erklärten laut Sitzungsniederschrift der mündlichen Verhandlung vor dem FG am 18. Dezember 1967 sowohl der Vertreter der Klägerin als auch der Vertreter des FA die Hauptsache für erledigt. Aufgrund dieser Erklärungen erließ das FG folgenden Beschluß: "Nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache werden die Kosten der Klage dem Beklagten Finanzamt auferlegt. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 13 770 DM festgestellt." In der Begründung führte das FG unter anderem aus, Klägerin und FA hätten in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend die Hauptsache für erledigt erklärt. Die Hauptsache sei deshalb erledigt, weil das FA die angefochtenen Bescheide nach Rechtshängigkeit gemäß § 218 Abs. 4 AO durch neue Bescheide ersetzt habe. Nur die Kostenfrage sei streitig geblieben. Bei der Kostenentscheidung nach Erledigung der Hauptsache sei der bisherige Streitstand zu berücksichtigen. Danach seien die gesamten Kosten dem FA aufzuerlegen, weil die angegriffenen Bescheide aus formellen Gründen hätten aufgehoben werden müssen, wenn sie im Zeitpunkt der Entscheidung noch bestanden hätten.
Mit der Beschwerde beantragt das FA, den Beschluß des FG aufzuheben und die Fortführung des streitigen Verfahrens vor dem FG anzuordnen. Hilfsweise wendet sich das FA auch gegen die Auferlegung der gesamten Verfahrenskosten. Es trägt vor, der Rechtsstreit habe in der Hauptsache keine Erledigung gefunden. Die Unterstellung des FG, es habe in der mündlichen Verhandlung vom 18. Dezember 1967 in Übereinstimmung mit der Klägerin die Hauptsache für erledigt erklärt, treffe nicht zu. Sein Vertreter habe vielmehr auch in der mündlichen Verhandlung auf die Rechtslage gemäß dem Urteil des BFH VI 132/63 U vom 16. Oktober 1964 (BFHE 81, 93, BStBl III 1965, 32) hingewiesen, wonach ein während des Berufungsverfahrens ergangener Änderungsbescheid nach § 218 Abs. 4 AO auch ohne Antrag des Klägers Gegenstand des Verfahrens werde. Er sei in der mündlichen Verhandlung auch nicht gefragt worden, ob er seinerseits die Hauptsache für erledigt erkläre.
Die Klägerin beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen. Sie tritt den Ausführungen des FA in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht entgegen.
Das FG half der Beschwerde nicht ab.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
1. Das FG ist bei seiner Kostenentscheidung davon ausgegangen, daß Klägerin und FA in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend die Hauptsache für erledigt erklärt haben. Wenn demgegenüber das FA mit der Beschwerde bestreitet, diese Erklärung abgegeben zu haben, so ist damit nicht die Kostenentscheidung an sich angefochten, sondern ihre als unstreitig vorausgesetzte Rechtsgrundlage, auf der sie beruht und bei deren Vorliegen sie allein überhaupt zulässig war. Durch das Bestreiten dieser als unstreitig angenommenen Voraussetzung, von der die Kostenentscheidung ausgeht, wurde ihr auf jeden Fall die Rechtsgrundlage entzogen; sie muß daher aufgehoben werden. Eine isolierte Kostenentscheidung ist jetzt nicht mehr möglich. Denn selbst wenn sich erweisen sollte, daß das FA die Erledigungserklärung tatsächlich abgegeben hat, müßte das durch Urteil ausgesprochen und der Kostenentscheidung vorangestellt werden. Sollte es sich hingegen als zutreffend erweisen, daß das FA keine Erklärung über die Erledigung der Hauptsache abgegeben hat, so müßte geprüft und durch Urteil entschieden werden, ob die Hauptsache der Sachlage nach tatsächlich erledigt ist oder nicht. Der angefochtene Kostenbeschluß enthält noch keine solche Entscheidung, er setzt vielmehr die Erledigung der Hauptsache aufgrund übereinstimmender Erklärungen der Beteiligten voraus, das heißt er geht von ihr aus, weil er sie für unstreitig hält. Der Streit über die Erledigung der Hauptsache hat erst mit der Anfechtung dieser Rechtsgrundlage der Kostenentscheidung des FG begonnen.
2. Aus diesen Ausführungen ergibt sich bereits, daß der Senat im anhängigen Beschwerdeverfahren nicht darüber entscheiden kann, ob die Hauptsache durch die übereinstimmenden Erklärungen der Beteiligten ihre Erledigung gefunden hat. Da durch die Kostenentscheidung nicht streitig entschieden wurde, ob eine solche Erledigung der Hauptsache eingetreten ist, und da eine solche Entscheidung nur durch Urteil erfolgen könnte, in der Revisionsinstanz also durch fünf statt durch drei Richter, kann im Beschwerdeverfahren gegen die Kostenentscheidung nicht über diese Frage entschieden werden. Sie war nicht Gegenstand des Vorverfahrens. Die Entscheidung des FG muß daher aufgehoben werden, damit das Verfahren wegen des Streites über die Erledigung der Hauptsache in der Instanz fortgesetzt werden kann, in der das Verfahren unter der Annahme der Erledigung der Hauptsache durch eine isolierte Kostenentscheidung seinen vorläufigen Abschluß gefunden hat. Das FG muß nunmehr durch Urteil entscheiden, ob die Hauptsache erledigt ist, weil entweder entgegen der Behauptung des FA beide Beteiligten übereinstimmend die Hauptsache für erledigt erklärt haben, oder auch bei fehlender übereinstimmender Erklärung die Hauptsache der Sache nach erledigt ist. Im Falle der Verneinung der Hauptsachener edigung muß ein Sachurteil in der Hauptsache selbst ergehen.
Im Grundsatz vertreten diese Auffassung auch Eyermann-Fröhler (vgl. Kommentar zur Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Aufl., Anm. 12 zu § 161 VwGO). Entgegen deren Meinung ist aber der Senat nicht der Auffassung, daß die Beschwerde, mit der die vom Gericht angenommene Erledigung der Hauptsache bestritten wird, in einen Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens in der betreffenden Ausgangsinstanz umzudeuten sei. Denn die Beschwerde gegen eine unter der Voraussetzung der Erledigung der Hauptsache ergangene isolierte Kostenentscheidung, deren Zulässigkeit nach § 128 FGO nicht zweifelhaft ist, kann für den Beschwerdeführer ein geeigneteres Mittel darstellen, um die Fortsetzung des Verfahrens zu erreichen, als ein Antrag bei der betreffenden Instanz selbst. Dieses Gericht hätte im Falle einer Beschwerde der vorliegenden Art durch die Abhilfe ohnehin die Möglichkeit, das Verfahren ohne Entscheidung der Beschwerdeinstanz fortzusetzen. Hilft es der Beschwerde nicht ab, so bringt es damit zum Ausdruck, daß es die Fortsetzung des Verfahrens für einen prozessual nicht gangbaren Weg hält, dem Beschwerdeführer aber bleibt dann noch die Aussicht, die Fortsetzung des Verfahrens durch eine Beschwerdeentscheidung zu erreichen, durch die in bindender Weise die Sache zur Fortsetzung des Verfahrens an die erste Instanz zurückverwiesen wird. Der gestellte günstigere und auch zulässige Verfahrensantrag kann nicht in einen zwar richtigen, aber möglicherweise weniger erfolgversprechenden Antrag umgedeutet werden.
Der Streitfall liegt hinsichtlich der hier zu entscheidenden prozessualen Frage im Grunde nicht anders als der vom II. Senat des BFH in dem Beschluß II B 26/69 vom 19. Januar 1972 (BFHE 104, 291, BStBl II 1972, 352) und vom erkennenden Senat in dem Beschluß IV B 99/70 vom 9. Mai 1972 (BFHE 105, 246, BStBl II 1972, 543) entschiedene Fall der Beschwerde gegen einen Einstellungsbeschluß aufgrund einer Klagerücknahme, deren Wirksamkeit mit der Beschwerde bestritten wurde. Denn einmal ist beiden Arten von Beschlüssen trotz des unterschiedlichen Charakters eines Einstellungsbeschlusses nach § 72 Abs. 2 Satz 2 FGO und einer Kostenentscheidung nach § 138 Abs. 1 FGO gemeinsam, daß sie, ohne dazu selbst eine Entscheidung zu treffen, davon ausgehen, das Hauptverfahren habe durch wirksame prozessuale Erklärungen der Beteiligten seinen Abschluß gefunden, zum anderen ist den betreffenden Beschwerden insbesondere gemeinsam, daß die vom Gericht vorausgesetzten notwendigen Erklärungen der Beteiligten vom Beschwerdeführer bestritten bzw. in ihrer Wirksamkeit angefochten werden. Der II. Senat und der erkennende Senat haben auch in den genannten Fällen der Beschwerde gegen einen Einstellungsbeschluß nach § 72 Abs. 2 Satz 2 FGO die Auffassung vertreten, die zulässige Beschwerde könne nur dazu führen, daß die Sache an das FG zurückverwiesen wird, damit dieses nunmehr in Urteilsverfahren entweder sachlich über die Frage entscheidet oder ausspricht, daß die Klage zurückgenommen ist. Auf diese Entscheidungen wird daher Bezug genommen.
Mit dem III. Senat ist der erkennende Senat der Auffassung, daß die vorliegende Entscheidung in keiner Rechtsfrage von dem Beschluß III B 26/66 vom 21. Juni 1968 (BFHE 93, 212, BStBl II 1968, 742) abweicht und in Übereinstimmung mit dem V. Senat hält er auch wegen des nicht ganz gleichliegenden Sachverhalts eine Abweichung von dem Beschluß V B 46/67 vom 15. Februar 1968 (BFHE 91, 514, BStBl II 1968, 413) nicht für gegeben. Eine andere Frage ist es, ob der erkennende Senat über die Beschwerde im Falle V B 46/67 ebenso wie der V. Senat sachlich entscheiden würde. Aber diese Frage war hier nicht zu entscheiden.
Da der Hauptantrag des FA auf Aufhebung der Kostenentscheidung Erfolg hat, entfällt die hilfsweise beantragte Überprüfung der Kostenentscheidung hinsichtlich der Zuteilung der Kosten.
Die Kosten eines Rechtsstreits fallen dem zur Last, der im endgültigen Ergebnis unterliegt. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens mußte daher der Entscheidung im Hauptverfahren vorbehalten bleiben.
Fundstellen
Haufe-Index 70170 |
BStBl II 1973, 243 |
BFHE 1973, 362 |