Entscheidungsstichwort (Thema)
NZB: Darlegungsanforderungen
Leitsatz (NV)
1. Ein "abweichender Rechtssatz" im Rahmen der Geltendmachung einer Divergenz ist nicht dargelegt, wenn die Klägerin aus dem Entscheidungsergebnis des angefochtenen Urteils einen Rechtssatz ableitet, den das FG selbst aber nicht aufgestellt hat. Damit wird nur ein materieller Fehler des FG gerügt, was für die Revisionszulassung grundsätzlich nicht ausreicht.
2. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist nicht schon dann verletzt, wenn sich das Gericht in den Entscheidungsgründen nicht mit jedwedem Vorbringen eines Beteiligten auseinandersetzt.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 2-3, § 96 Abs. 2, § 116 Abs. 3 S. 3; GG Art. 103 Abs. 1
Verfahrensgang
FG München (Urteil vom 24.10.2007; Aktenzeichen 6 K 2102/04) |
Tatbestand
I. Streitig ist der Ansatz von verdeckten Gewinnausschüttungen (vGA).
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine 1992 errichtete GmbH, erbrachte in den Streitjahren 1996 bis 1999 Leistungen im Baubereich (Montage und Innenausbau). Gesellschafter waren die Eheleute X (zu 96 %) und Y (zu 4 %). Das Gehalt der mit einer Wochenarbeitszeit von 37 Stunden angestellten Geschäftsführerin X (einer ausgebildeten Einzelhandelskauffrau) wurde von zunächst 3 500 DM brutto (1992) in mehreren Stufen auf 10 500 DM (zuzüglich Urlaubs- und Weihnachtsgeld von je 10 000 DM; Gewinntantieme von 20 % des Gewinns vor Abschreibung; private Kfz-Nutzung) angehoben; in 1998 erhielt sie Bezüge von 170 065 DM (inklusive einer Nachzahlung der Gewinntantieme für die Jahre 1995 bis 1997 in Höhe von 19 877 DM) und in 1999 von 150 188 DM ausgezahlt. Y war als kaufmännischer Angestellter beschäftigt; seine monatlichen Bezüge beliefen sich von beginnend mit 2 000 DM in den Streitjahren auf 2 650 DM.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte bei der Veranlagung der Streitjahre 1998 und 1999 vGA gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) --unter Herstellung der Ausschüttungsbelastung-- in Höhe von 103 396 DM (1998) bzw. 83 518 DM (1999), was zugleich (wegen des Wegfalls eines Verlustrücktrags aus 1998) Folgeänderungen in den Jahren 1996 und 1997 auslöste. Die Klage führte zu einer Minderung der vGA auf 74 877 DM (1998) bzw. auf 54 992 DM (1999) durch das Urteil des Finanzgerichts (FG) München vom 24. Oktober 2007 6 K 2102/04.
Die Klägerin beantragt unter Hinweis auf § 115 Abs. 2 Nr. 2 und 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO), die Revision gegen das FG-Urteil zuzulassen.
Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Denn Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
1. Für eine Darlegung (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO), dass das FG i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO von bisher vorliegender Rechtsprechung abgewichen ist, gehört u.a. eine hinreichend genaue Bezeichnung der vermeintlichen Divergenzentscheidung sowie die Gegenüberstellung tragender abstrakter Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus der behaupteten Divergenzentscheidung andererseits, um eine Abweichung erkennbar zu machen. Eine Divergenz in der Würdigung von Tatsachen oder die (angeblich) fehlerhafte Anwendung von Rechtsprechungsgrundsätzen auf die Besonderheiten des Einzelfalles bzw. schlichte Subsumtionsfehler des FG reichen nicht aus (z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19. November 2007 VIII B 70/07, BFH/NV 2008, 380).
Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Die Klägerin hat zwar einen Rechtssatz formuliert, aus dem auf eine Abweichung von der Rechtsprechung des BFH zu den Tatbestandsmerkmalen einer vGA geschlossen werden könnte. Allerdings hat das FG diesen Rechtssatz in seinen Entscheidungsgründen nicht aufgestellt. Vielmehr hat die Klägerin diesen Rechtssatz aus dem vom FG im Streitfall gefundenen Ergebnis zur Höhe des Ansatzes der vGA in 1998 abgeleitet. Die Klägerin rügt damit einen materiellen Fehler des Gerichts (unterbliebene Prüfung der einkommensmindernden Auswirkung des Gesamtbetrages der Gehaltsauszahlung in 1998); dies ist aber --abgesehen von dem im Streitfall weder gerügten noch sonst erkennbaren Fall eines qualifizierten Rechtsanwendungsfehlers-- für eine Revisionszulassung nicht ausreichend (BFH-Beschlüsse vom 17. Januar 2006 VIII B 172/05, BFH/NV 2006, 799; in BFH/NV 2008, 380).
2. Die Rüge der Klägerin, es liege ein Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO (Verstoß gegen § 96 Abs. 2 bzw. § 76 Abs. 1 FGO) vor, hat keinen Erfolg.
Rechtliches Gehör i.S. des Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes wird den Beteiligten dadurch gewährt, dass sie Gelegenheit erhalten, sich zu dem Sachverhalt zu äußern, der einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde gelegt werden soll. Das rechtliche Gehör bezieht sich vor allem auf Tatsachen und Beweisergebnisse (§ 96 Abs. 2 FGO); darüber hinaus darf das FG seine Entscheidung auf einen rechtlichen Gesichtspunkt nur stützen, wenn die Beteiligten zuvor Gelegenheit hatten, dazu Stellung zu nehmen (z.B. BFH-Beschluss vom 11. Juli 2007 XI B 184/06, BFH/NV 2007, 1880, m.w.N.).
Das FG hat den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör nicht verletzt. Die Klägerin hat selbst vorgetragen, dass sie Gelegenheit hatte, sich zu den aufgeworfenen Rechtsfragen (einschließlich der Frage einer Änderung der bestandskräftigen Veranlagung des Streitjahres 1998 nach § 173 der Abgabenordnung) zu äußern. Dies genügt bereits den genannten Anforderungen zur Wahrung rechtlichen Gehörs. Soweit die Klägerin beanstandet, das FG habe diesen Vortrag nicht zur Kenntnis genommen, weil in den Entscheidungsgründen des FG-Urteils eine Auseinandersetzung mit diesem Vorbringen nicht stattgefunden habe, liegt darin keine Gehörsverletzung. Denn das Gericht ist nicht verpflichtet, sich mit jedem Vortrag in den Entscheidungsgründen seines Urteils ausdrücklich zu befassen. Vielmehr ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen hat (z.B. BFH-Urteil vom 12. Dezember 2007 XI R 25/07, BFH/NV 2008, 339).
Fundstellen