Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsätzliche Bedeutung; auch im Eigenheimzulagenrecht kein entgeltlicher Erwerb bei mittelbarer Grundstücksschenkung und vorweggenommener Erbfolge; Verletzung des rechtlichen Gehörs wegen unzureichender Urteilsbegründung
Leitsatz (NV)
- Das Recht der Verfahrensbeteiligten auf Gehör verpflichtet das Gericht, alle Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Indes muss sich das Gericht in der Begründung seiner Entscheidung nicht mit jedem Vorbringen ausdrücklich befassen. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist vielmehr nur dann feststellbar, wenn sich aus den besonderen Umständen des Streitfalles deutlich ergibt, dass das Gericht Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder zumindest nicht in Erwägung gezogen hat.
- Der Fördertatbestand der Anschaffung in § 2 Abs. 1 EigZulG ist ebenso wie in § 10e Abs. 1 EStG nur dann erfüllt, wenn für den Erwerb des Vermögensgegenstandes dem Anspruchsberechtigten eigene Aufwendungen entstanden sind, er also entgeltlich erworben hat. Diese Grundsätze gelten entsprechend für teilentgeltliche Rechtsgeschäfte, bei denen die Bemessungsgrundlage um den geschenkten Betrag zu kürzen ist.
- Ein unentgeltlicher Erwerb liegt auch bei einer sog. mittelbaren Grundstücksschenkung vor. Nur wenn der Erwerber einen Geldbetrag zur freien Verfügung geschenkt bekommen hat und mit diesen Mitteln eine eigengenutzte Wohnung anschafft, kann er eine Eigenheimzulage in Anspruch nehmen.
- Soweit ertragsteuerlich der Erwerb eines Grundstücks als unentgeltlicher und damit nicht zu Anschaffungskosten führender Vorgang beurteilt wird, gelten diese Grundsätze in gleicher Weise im Anwendungsbereich der Wohnraumförderung.
Normenkette
EStG § 10e Abs. 1 S. 1; BGB § 2315; EigZulG § 2 Abs. 1 S. 1; FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2, § 116 Abs. 3 S. 3; GG Art. 6 Abs. 1
Verfahrensgang
Gründe
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beschwerde bereits unzulässig ist, weil der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) die Zulassungsgründe nicht hinreichend entsprechend den gesetzlichen Anforderungen dargelegt hat (§ 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet, da weder die Verfahrensrügen durchgreifen noch die aufgeworfenen Rechtsfragen klärungsbedürftig sind.
1. a) Das Recht der Verfahrensbeteiligten auf Gehör verpflichtet das Gericht, alle Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Indessen bedeutet es nicht, dass das Gericht sich in der Begründung seiner Entscheidung mit jedem Vorbringen der Beteiligten ausdrücklich befassen müsste (Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 8. Dezember 2000 I B 103/00, BFH/NV 2001, 631). Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist vielmehr nur dann festzustellen, wenn sich aus den besonderen Umständen des einzelnen Falles deutlich ergibt, dass das Gericht Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder zumindest bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ―BVerfG― vom 5. Dezember 1995 1 BvR 1463/89, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung ―HFR― 1996, 153, m.w.N.; BFH-Beschluss vom 26. April 1995 I B 166/94, BFHE 177, 451, BStBl II 1995, 532, m.w.N.).
b) Das Finanzgericht (FG) hat das gesamte Vorbringen des Klägers im Tatbestand des angefochtenen Urteils ausdrücklich dargestellt. In den Entscheidungsgründen hat es sich zwar nicht mit jedem einzelnen Vorbringen näher auseinander gesetzt. Dies beruht indes erkennbar darauf, dass es entsprechend seiner materiell-rechtlichen Auffassung, es handele sich um eine mittelbare Grundstücksschenkung, dem insoweit abweichenden Vorbringen des Klägers nicht gefolgt ist. Umstände dafür, das FG hätte den gerügten Vortrag des Klägers völlig übersehen oder nicht beachtet, sind nicht ersichtlich.
2. Den Rechtsfragen kommt auch keine grundsätzliche Bedeutung zu.
a) Eine Rechtsfrage hat grundsätzliche Bedeutung, wenn ihre Beantwortung durch den BFH aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Es muss sich um eine bestimmte, klärungsbedürftige Rechtsfrage handeln, die im konkreten Streitfall voraussichtlich auch klärungsfähig ist. Eine Rechtsfrage ist u.a. dann nicht (mehr) klärungsbedürftig, wenn sie sich ohne weiteres aus dem Gesetz beantworten lässt oder offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das FG getan hat oder auf den Sachverhalt durch die Rechtsprechung geklärte Rechtsgrundsätze anzuwenden und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute höchstrichterliche Prüfung und Entscheidung dieser Frage geboten erscheinen lassen.
Dies gilt ebenfalls, wenn bei einer gesetzlichen Neuregelung eines Sachverhaltes in das Gesetz Tatbestandsmerkmale übernommen werden, zu denen es bereits eine feststehende höchstrichterliche Rechtsprechung gibt (BFH-Beschlüsse vom 4. Mai 1999 IX B 38/99, BFHE 188, 395, BStBl II 1999, 587; vom 17. Oktober 2001 III B 65/01, BFH/NV 2002, 217, jeweils m.w.N.).
b) Nach der zu § 10e Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ergangenen ständigen Rechtsprechung des BFH ist der Fördertatbestand der Anschaffung nur erfüllt, wenn dem Anspruchsberechtigten für den Erwerb des Vermögensgegenstandes eigene Aufwendungen entstanden sind; er also entgeltlich erworben hat. Nur die vom Steuerpflichtigen selbst aufgewendeten Kosten für die Anschaffung einer Wohnung sind deshalb nach § 10e Abs. 1 Satz 1 EStG begünstigt (BFH-Urteil vom 8. Juni 1994 X R 51/91, BFHE 175, 76, BStBl II 1994, 779).
Ein unentgeltlicher Erwerb liegt auch bei einer sog. mittelbaren Grundstücksschenkung vor. Zur Inanspruchnahme der Grundförderung gemäß § 10e Abs. 1 EStG ist der Erwerber nur berechtigt, wenn er einen Geldbetrag zur freien Verfügung geschenkt bekommen und mit diesen geschenkten Mitteln eine eigengenutzte Wohnung angeschafft hat. Von dieser Rechtsprechung gehen ―entgegen der Auffassung des Klägers― auch Hausen/Kohlrust-Schulz (Die Eigenheimzulage, 2. Aufl.) in dem in Rz. 8 aufgeführten Beispiel erkennbar aus.
Kann der Erwerber hingegen nicht über den geschenkten Betrag, sondern erst über die damit erworbene Wohnung verfügen, so ist Gegenstand der Schenkung nicht der Geldbetrag, sondern die Wohnung. Will der Schenker dem Beschenkten kein Geld, sondern ein bestimmtes Grundstück zuwenden und entrichtet er deshalb den Kaufpreis für das Grundstück an den Verkäufer, so ist der Beschenkte nicht mit Anschaffungskosten belastet und mithin nicht nach § 10e EStG anspruchsberechtigt. Darauf, wer aus dem Kaufvertrag zur Zahlung des Kaufpreises verpflichtet ist, kommt es nicht an (BFH-Urteil vom 29. Juli 1998 X R 54/95, BFHE 186, 400, BStBl II 1999, 128).
Was Gegenstand der Zuwendung ist, bestimmt sich nach der Schenkungsabrede und danach, was der Bedachte endgültig erhalten hat. Es kommt also darauf an, was nach der Schenkungsabrede geschenkt sein soll und worüber der Bedachte im Verhältnis zum Schenker tatsächlich und rechtlich verfügen kann. Entscheidend ist, wie sich das Vermögen beim Bedachten vermehrt.
Diese Grundsätze gelten in gleicher Weise für teilentgeltliche Rechtsgeschäfte, bei denen die Bemessungsgrundlage um den geschenkten Betrag zu kürzen ist (BFH-Urteil vom 27. Juli 2000 X R 42/97, BFH/NV 2001, 307). Der BFH hat angesichts dieser gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung für diesbezügliche Rechtsfragen eine grundsätzliche Bedeutung verneint (BFH-Beschluss vom 31. Oktober 2001 X B 11/01, BFH/NV 2002, 193, m.w.N.).
Der erkennende Senat hat sich hinsichtlich der Auslegung des Begriffs der Anschaffung in § 2 Abs. 1 Satz 1 des Eigenheimzulagengesetzes (EigZulG) der Rechtsprechung zu § 10e EStG angeschlossen (BFH-Urteil vom 29. Januar 2003 III R 53/00, BFHE 202, 57, BStBl II 2003, 565).
Nach den in Übereinstimmung mit § 2 Ziff. 5 des notariellen Kaufvertrages vom 22. März 1999 getroffenen Feststellungen des FG hatte der Vater des Klägers den Kaufpreis unter Berücksichtigung eines Eigenanteils des Klägers aus einem Bausparvertrag in Höhe von ca. 30 000 DM unmittelbar an den Verkäufer der Wohnung zu entrichten und ist auch tatsächlich dementsprechend verfahren.
c) Die Frage nach dem Rechtsgrund dieser Geldzuwendung durch den Vater des Klägers ist weder klärungsbedürftig noch wäre sie in einem künftigen Revisionsverfahren klärbar.
Nach der ausdrücklichen Bestimmung in § 2 Ziff. 5 Satz 2 des notariellen Kaufvertrages vom 22. März 1999 sollte es sich um eine Zuwendung im Wege einer vorweggenommenen Erbfolge handeln, hingegen nicht um ein Ausstattungsversprechen i.S. von § 1624 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB).
Die in dieser vertraglichen Regelung zugleich festgelegte Anrechnungsverpflichtung i.S. von § 2315 BGB umfasst im Übrigen jegliche freiwillige und freigebige Zuwendung (vgl. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 62. Aufl., § 2315 Rz. 1).
Der Erwerb eines Grundstücks im Wege vorweggenommener Erbfolge stellt einen unentgeltlichen und damit nicht zu Anschaffungskosten führenden Vorgang dar (BFH-Beschluss vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89, BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847). Diese ertragsteuerlichen Grundsätze sind in gleicher Weise im Anwendungsbereich der Wohneigentumsförderung nach § 10e EStG und nach dem EigZulG zugrunde zu legen (vgl. z.B. zur Anwendung der Grundsätze zur Erbauseinandersetzung: BFH-Urteile vom 24. Oktober 2000 IX R 95/97, HFR 2001, 677, zum EigZulG; vom 24. Februar 1999 X R 2/96, BFH/NV 1999, 1083, und vom 29. November 2000 X R 36/97, BFH/NV 2001, 595, unter Ziff. 1. c der Gründe, jeweils m.w.N., zu § 10e EStG).
Ob und in welcher Höhe begünstigte Anschaffungskosten vorliegen und in welchem Umfang ein entgeltlicher Erwerb gegeben ist, richtet sich somit nach feststehenden und in der Rechtsprechung geklärten einkommensteuerrechtlichen Grundsätzen.
d) Nicht ersichtlich ist, weshalb der in Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes verbürgte besondere Schutz der Familie es gebieten sollte, die Eigenheimzulage im Wege verfassungskonformer Auslegung des EigZulG auch insoweit zu gewähren, als dem Kind keine eigenen Anschaffungskosten entstanden sind, weil die Eltern ihm einen Teil der Wohnung geschenkt haben. Wie ausgeführt, hätte der Kläger ohne weiteres in den Genuss der vollen Eigenheimzulage gelangen können, wenn der Vater dem Kläger den Geldbetrag zur freien Verfügung unmittelbar übergeben gehabt hätte. Dementsprechend können bei einer derartigen Gestaltung auch Anspruchsberechtigte ohne oder mit nur geringen eigenen Einkünften in den Genuss der Eigenheimzulage gelangen. Der Gesetzgeber ist nicht verpflichtet, Anspruchsberechtigte vor den Folgen zu bewahren, die sich aus einer selbst gewählten, möglicherweise weniger vorteilhaften Gestaltung ergeben (BVerfG-Beschlüsse vom 19. August 1986 1 BvR 448/86, Deutsche Steuer-Zeitung/Eildienst 1986, 326; Steuerrechtsprechung in Karteiform ―StRK―, Einkommensteuergesetz 1975, § 7b, Rechtsspruch 19a; vom 26. Februar 1993 2 BvR 164/92, Steuer-Eildienst 1993, 182, StRK, Einkommensteuergesetz 1975, § 7b, Rechtsspruch 58).
3. Auch der Zulassungsgrund der Rechtsfortbildung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO ist nicht gegeben.
Die hierfür in gleicher Weise wie für die Grundsatzrevision notwendigen Voraussetzungen der Klärungsbedürftigkeit und der Klärungsfähigkeit sind nach den Ausführungen zu Ziff. 2. hier nicht gegeben (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 217, unter Ziff. 2. a der Gründe).
Fundstellen
Haufe-Index 1075939 |
BFH/NV 2004, 164 |