Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifierung von Geräten für die Bildverarbeitung
Leitsatz (NV)
1. Zur Frage, ob Bildverarbeitung als Datenverarbeitung im zolltariflichen Sinne anzusehen ist.
2. Tarifierung von Waren, die als Grafikkarten und für die Bildverarbeitung genutzt werden können (Vorlage an EuGH).
Normenkette
KN Pos. 8471, 8543
Tatbestand
Für die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) wurden von dem beklagten und revisionsbeklagten Hauptzollamt (HZA) in den Jahren 1988 bis 1991 "V-Boards" wie angemeldet als "Teile" (für Maschinen der Position 8471) aus Position 8473 der Kombinierten Nomenklatur (KN) zum freien Verkehr abgefertigt. Nachdem das HZA bei einer Überprüfung zu der Auffassung gelangt war, daß (andere) Maschinen ... mit eigener Funktion (Bildverarbeitung) der Unterposition 8543 8080 (Zolltarif 1988 bis 1990: Unterposition 8543 8090) vorlägen, forderte es den entsprechenden Unterschied an Zoll nach (Steueränderungsbescheid vom 7. November 1991, Einspruchsentscheidung vom 28. Dezember 1991). Die hiergegen gerichtete Klage wurde abgewiesen. Das Finanzgericht (FG) führte aus, die Waren seien zum Einsetzen in automatische Datenverarbeitungsmaschinen bestimmte, mit integrierten Schaltungen (u. a. Grafikprozessoren und Speicher) sowie aktiven und passiven Bauelementen bestückte gedruckte Schaltungen, die der Verarbeitung, nämlich der Erfassung, Behandlung und Speicherung von aus externen Videoquellen (z. B. Kamera, Recorder) stammenden Bild informationen in Form von Fernsehnormsignalen oder der Erstellung von Grafiken dienten. Sie gehörten nicht zu Position 8471 KN -- Einheiten automatischer Datenverarbeitungsmaschinen --, da sie nicht als integrierter und untrennbarer Teil der Funktion von Datenverarbeitungsmaschinen anzusehen seien. Sie besäßen vielmehr Funktionen, die über die einer "Einheit" hinausgingen (Bildverarbeitung). Die Bildverarbeitung, insbesondere die Verarbeitung von Bildern aus externen Quellen, sei zolltariflich eine andere Funktion als die der Datenverarbeitung.
Mit der Revision gegen dieses Urteil wendet die Klägerin sich gegen die Tarifauffassung des FG. Sie trägt im wesentlichen vor, die Waren unterschieden sich in ihrer Funktion nicht von sog. Input/Output-Karten, die Teile von Datenverarbeitungsanlagen seien. Die eingeführten Erzeugnisse seien auf eine höhere Kapazität ausgelegte Grafikkarten. Sie dienten nicht ausschließlich der Bearbeitung von Bildern bzw. der Erfassung von Signalen von Videokameras. Der Umstand, daß ein Analog/Digital-Wandler zwecks Zuführung externer Analogsignale auf der Karte aufgebracht sei, führe zu keiner anderen Beurteilung. Richtigerweise dürfe die zolltarifliche Einordnung nicht davon abhängen, wozu ein Erzeugnis sich auch eigne. Im übrigen stelle sich auch die mit den Waren vorgenommene Art der Verarbeitung von Bilddaten (nur "Momentaufnahmen") als Unterform der Datenverarbeitung dar.
Das HZA weist darauf hin, daß speziell ausgestattete Bildverarbeitungskarten für Videoproduktionen vorlägen, die von reinen Grafikkarten zu unterscheiden seien. Die "Boards" seien in der Lage, die von externen Videoquellen gelieferten natürlichen Bildsequenzen zu verarbeiten und als Bewegtbilder in Echtfarbe und -zeit auf Monitoren auszugeben. Die Bildverarbeitung sei eine eigene (andere) Funktion und für den Funktionsablauf "Datenverarbeitung" nicht erforderlich. Unmaßgeblich sei, daß die Waren sowohl Daten als auch Bilder bearbeiten könnten.
Entscheidungsgründe
Die Entscheidung über die Revision hängt von der Auslegung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften -- der Zolltarife 1988 bis 1991 -- ab, deren Auslegung Zweifel aufwirft. Der Senat ist somit verpflichtet, den Gerichtshof um Klärung der maßgebenden zolltariflichen Begriffe zu ersuchen (Art. 177 Abs. 1 Buchst. b, Abs. 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft).
Das FG hat die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Nachforderungsbescheides und die diesem zugrundeliegende zolltarifliche Beurteilung, nach der es sich bei den eingeführten Waren um in Kapitel 85 anderweit weder genannte noch inbegriffene (andere) Maschinen ... mit eigener Funktion der Position 8543 KN handelt, bestätigt. Nach den vom FG getroffenen Feststellungen, die der Senat für revisionsrechtlich verbindlich hält, dienen die Waren aufgrund ihrer Beschaffenheit (auch) zur Verarbeitung von Bild informationen aus externen Videoquellen in Fernsehnormsignale. Die Vorinstanz hat hierin eine eigene, die Erzeugnisse von einer Einreihung als Einheiten automatischer Datenverarbeitungsmaschinen der Position 8471 KN ausschließende Funktion gesehen.
Der Senat neigt der zolltariflichen Auffassung des FG zu, hält diese aber nicht für zweifelsfrei.
Nach Anm. 5 B letzter Absatz zu Kapitel 84 KN gehören Maschinen -- solche, die sich sonst als "Einheiten" darstellen könnten -- mit eigener Funktion, die an eine automatische Datenverarbeitungsmaschine angeschlossen werden und mit ihr zusammenarbeiten, nicht zu Position 8471, sondern werden entsprechend ihrer Funktion tarifiert. Als eigene Funktion ist eine andere Funktion als die der Datenverarbeitung anzusehen (Gerichtshof, Urteil vom 19. Mai 1994 C 11/93, Slg. 1994, I--1955, 1959 mit Hinweis auf die zolltariflichen Erläuterungen). Der Senat hat in seiner bisherigen Rechtsprechung (Urteil vom 14. Februar 1989 VII K 14/87, BFH/NV 1989, 677), der sich das FG angeschlossen hat, die Bildverarbeitung als eine "andere" (eigene) Funktion im zolltariflichen Sinne beurteilt. Er ist dabei von einer auch dem Zolltarif unterlegten Unterscheidung zwischen reiner Datenverarbeitung und Bildverarbeitung ausgegangen. Wird dieser Auffassung gefolgt, so wären die im Streitfall eingeführten Waren, nur bezogen auf ihren beschaffenheitsmäßig vorgegebenen Zweck, (auch) zur Verarbeitung von Bildinformationen aus externen Videoquellen in Fernsehnormsignale zu dienen, als Erzeugnisse mit eigener Funktion anzusehen. Daß die Waren aufgrund ihrer Beschaffenheit ebenso als Grafikkarten für die Datenverarbeitung genutzt werden können, dürfte dann unerheblich sein. Bei der Einreihung müßten alle zolltariflich bedeutsamen Merkmale der Waren berücksichtigt werden, d. h. hier auch diejenigen, die für sich gesehen die Eignung zur "Bildverarbeitung" begründen. Unter diesen Voraussetzungen wären die eingeführten Erzeugnisse als andere elektrische Maschinen mit eigener Funktion der Unterposition 8543 8080 KN 1991 (Unterposition 8543 8090 KN 1988 bis 1990) anzusprechen. Die Maschinenfunktion schließt sie von einer Beurteilung als "Teile" aus, die elektrische Funktionsweise von einer Einreihung in die Sammelposition (8479) für Maschinen des Kapitels 84.
Es ist indessen einzuräumen, daß die vorstehende Tarifauffassung nicht mehr eindeutig erscheint. Auch "Bildverarbeitung", wie sie mit den eingeführten Waren vorgenommen werden kann, ließe sich in einem weiteren, technologischen Sinne als Datenverarbeitung kennzeichnen. Möglicherweise wäre dies auch für den Zolltarif maßgebend, wenn es denn zutrifft, daß die Datenverarbeitung im Behandeln von Daten "aller Art" besteht (Erläuterungen Harmonisiertes System zu Position 8471 Teil I Satz 1). In diesem Falle wäre eine "eigene" Funktion der Waren zu verneinen und, da die Voraussetzungen nach Anm. 5 B zu Kapitel 84 KN im übrigen erfüllt sind, eine Einreihung in die Position 8471 KN geboten, mit der Folge, daß die Nachforderung nur zu einem geringen Teile rechtmäßig wäre. Wie die Klägerin vorgetragen hat, hat die britische Zollverwaltung unter dem 17. April 1991 eine Tarifauskunft mit Zuweisung entsprechender Waren zu Unterposition 8471 9190 KN erteilt. Im Hinblick hierauf erscheint eine Klärung veranlaßt.
Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen hat der Senat beschlossen, dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gemäß Art. 177 Abs. 1 Buchst. b, Abs. 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Ist Anmerkung 5 B zu Kapitel 84 des Gemeinsamen Zolltarifs (Kombinierte Nomenklaturen 1988 bis 1991) dahin auszulegen, daß Bildverarbeitung, mit "Boards" als "eigene Funktion" im Sinne der bezeichneten Vorschrift, d. h. als andere Funktion als die der Datenverarbeitung, anzusehen ist, mit der Folge, daß eine Einstufung solcher Waren in die Position 8471 ausscheidet?
2. Bei Bejahung von Frage 1:
Ist Position 8543 (hier: Unterposition 8543 8080 der Kombinierten Nomenklatur 1991, Unterposition 8543 8090 der Kombinierten Nomenklaturen 1988 bis 1990) dahin auszulegen, daß der Begriff "(andere) elektrische Maschinen ... mit eigener Funktion, in Kapitel 85 anderweit weder genannt noch inbegriffen` Erzeugisse wie "Boards" (1.) auch dann erfaßt, wenn diese aufgrund ihrer Beschaffenheit außer zur Bildverarbeitung noch als Grafikkarten für automatische Datenverarbeitungsmaschinen verwendet werden können?
3. Bei Verneinung von Frage 2:
Welche andere Zolltarifposition kommt für die Einreihung von Erzeugnissen wie "Boards" (1.) in Betracht?
Fundstellen
Haufe-Index 303016 |
BFH/NV 1996, 446 |