Leitsatz (amtlich)

Der Bundesfinanzhof kann, wenn bei ihm nur eine Revision wegen einheitlicher Gewinnfeststellung anhängig ist, über eine Aussetzung der Vollziehung der für dieselben Streitjahre ergangenen Gewerbesteuermeßbescheide nur in den Fällen des § 35b GewStG entscheiden.

 

Normenkette

FGO § 69 Abs. 2-3; GewStG § 35b

 

Tatbestand

Die Antragstellerin hatte in den Jahren 1952 bis 1964 zahlreiche Grundstücksverkäufe getätigt. Der Antragsgegner (FA) vertrat die Auffassung, die Antragstellerin habe einen gewerblichen Grundstückshandel betrieben. Das FA erfaßte daher bei den einheitlichen Gewinnfeststellungen 1952 bis 1964 Grundstücksveräußerungsgewinne von insgesamt mehr als 1,5 Mill. DM als gewerbliche Gewinne. Die Antragstellerin erhob gegen die einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheide Sprungklage, die das FG jedoch als unzulässig abwies, weil es der Meinung war, daß durch die Einreichung eines Matrizenabzuges der Klageschrift mangels eigenhändiger Unterschrift die Klage nicht wirksam erhoben worden und Nachsicht nicht zu gewähren sei Die Antragstellerin legte hiergegen Revision ein mit dem Antrag, die angefochtenen einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheide 1952 bis 1964 ersatzlos aufzuheben. Zur Begründung wird neben der Verneinung eines gewerblichen Grundstückshandels vorgetragen, die angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheide seien rechtsunwirksam erlassen worden, weil in ihnen die einzelnen an der BGB-Gesellschaft (Grundstücksgemeinschaft) beteiligten Personen nicht aufgeführt worden seien.

Während des Revisionsverfahrens beantragte die Antragstellerin beim BFH die Aussetzung der Vollziehung der einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheide 1952 bis 1964 und - was den Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildet - auch die Aussetzung der Vollziehung der Gewerbesteuermeßbescheide 1957 bis 1964. Dem letztgenannten Antrag wird von seiten der Antragstellerin noch Nachdruck verliehen und seine Eilbedürftigkeit durch den Hinweis unterstrichen, daß die Stadt X nicht bereit sei, die Vollziehung der von ihr erlassenen Gewerbesteuerbescheide 1957 bis 1964 länger auszusetzen.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat hat somit vorweg über den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Gewerbesteuermeßbescheide zu entscheiden. Diese Entscheidung kann auch nicht dadurch ersetzt oder in ihrer Notwendigkeit beseitigt werden, daß der Senat zunächst über die ebenfalls beantragte Aussetzung der Vollziehung bezüglich der einheitlichen Gewinnfeststellung entscheidet. Denn diese Entscheidung hätte für die Gewerbesteuer keine bindende Wirkung. Der I. Senat des BFH hat zwar ausgeführt, daß bei Einkommensteuerbescheid und Gewerbesteuermeßbescheid ein ähnliches Verhältnis bestehen könne, wie es bei Grundlagenbescheid und Folgebescheid im Sinne von § 69 Abs. 2 Satz 3 FGO gegeben sei (vgl. die Beschlüsse vom 23. August 1966 I B 1/66, BFHE 86, 749, BStBl III 1966, 651, und vom 31. Januar 1968 I B 49/67, BFHE 91, 347, BStBl II 1968, 350). Das gilt jedoch nur, wie auch der I. Senat betont, soweit § 35b GewStG eingreift, das heißt nur hinsichtlich der Höhe der Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Dagegen besteht grundsätzlich keine Bindung an die bei der Einkommensteuer oder Gewinnfeststellung angenommene Einkunftsart (vgl. Urteile des Senats vom 27. April 1961 IV 336/59 U, BFHE 73, 34, BStBl III 1961, 281, und vom 5. März 1970 IV 213/65, BFHE 100, 1, BStBl II 1970, 793). Eine Entscheidung im Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung der einheitlichen Gewinnfeststellung könnte somit, auch wenn sie im Sinne der Antragstellerin erginge, die Stadt nicht zwingen, die Vollziehung der Gewerbesteuer weiterhin auszusetzen. Das wird noch besonders deutlich, wenn man davon ausgeht, daß etwa im Aussetzungsverfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung dem Einwand der Antragstellerin Rechnung getragen würde, daß die Gewinnfeststellungsbescheide aus formellen Gründen nicht wirksam seien; denn die Wirksamkeit der Gewerbesteuermeßbescheide würde dadurch nicht berührt.

Aus vorstehenden Darlegungen ergibt sich, daß zwar gute Gründe dafür sprechen können, neben der Aussetzung der Vollziehung von Gewinnfeststellungsbescheiden auch noch die Aussetzung der Vollziehung von Gewerbesteuermeßbescheiden zu beantragen. Im Streitfall ist jedoch der BFH zur Entscheidung über einen solchen Antrag nicht berufen. Sind die Gewerbesteuermeßbescheide, was dem Senat nicht bekannt ist, von der Antragstellerin angefochten worden, dann ist der BFH nicht Gericht der Hauptsache im Sinne von § 69 Abs. 3 FGO; denn hier ist nur eine Revision bezüglich der Gewinnfeststellungsbescheide, nicht jedoch bezüglich der Gewerbesteuermeßbescheide anhängig. Sind dagegen die Gewerbesteuermeßbescheide, deren Vollziehungsaussetzung begehrt wird, bestandskräftig, so kommt eine Aussetzung der Vollziehung deshalb nicht in Betracht, weil es sich im Streitfall - wie betont - nicht um eine bloße Folgeaussetzung eines Folgebescheides im Hinblick auf die etwaige Aussetzung eines Grundlagenbescheides handeln kann. Dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Gewerbesteuermeßbescheide 1957 bis 1964 konnte daher nicht entsprochen werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70666

BStBl II 1974, 639

BFHE 1975, 8

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