Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Statthaftigkeit einer zulassungsfreien Revision
Leitsatz (NV)
- Die Rüge, das Urteil stelle die tatsächlichen Grundlagen der Entscheidung unzureichend dar, ist nicht mit der Revision nach § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO sondern mit dem Antrag auf Tatsachenberichtigung nach § 108 FGO oder - wenn die Revision nicht zugelassen wurde - mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend zu machen.
- Die Rüge, das FG habe einen Antrag, das Verfahren auszusetzen oder ruhen zu lassen, nicht beachtet ist - wenn die Revision nicht zugelassen wurde - mit der Nichtzulassungsbeschwerde und nicht mit der Revision nach § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO geltend zu machen.
Normenkette
FGO §§ 108, 116 Abs. 1 Nr. 5
Tatbestand
I. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.
Mit seiner Revision rügt der Kläger und Revisionskläger (Kläger) Verletzung von Bundesrecht, insbesondere des Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) sowie des § 119 Nr. 6 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Mit Schriftsatz vom 8. Dezember 1995 habe er zusätzlich beantragt, das Verfahren ruhen zu lassen bzw. auszusetzen bis das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) über vergleichbare Verfassungsbeschwerden entschieden habe. Eine Antwort hierauf habe er nicht erhalten. Dieses Art. 103 GG tangierende Verhalten werde entgegen § 105 Abs. 2 Nr. 4 und Nr. 5 FGO weder im Tatbestand noch in den Entscheidungsgründen erwähnt. Das FG hätte sich mit diesem selbständigen Angriffs- und Verteidigungsmittel auseinandersetzen und ihm ggf. rechtliches Gehör gewähren müssen. Das Urteil sei daher nach § 119 Nr. 6 FGO nicht mit Gründen versehen.
Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unzulässig und gemäß § 124, § 126 Abs. 1 FGO durch Beschluß zu verwerfen. Die Revision ist vom FG nicht zugelassen worden. Die vom Kläger eingelegte Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision ist durch Beschluß des erkennenden Senats vom heutigen Tag als unbegründet zurückgewiesen worden. Der Fall einer zulassungsfreien Revision ist nicht gegeben.
1. Der vom Kläger behauptete Verfahrensmangel fällt nicht unter § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO. Ein Verfahrensmangel liegt danach vor, wenn das Gericht seine Entscheidung überhaupt nicht oder jedenfalls zu einem wesentlichen Teil nicht begründet, indem ein selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel mit Stillschweigen übergangen wird. Die Begründung soll die Beteiligten in die Lage versetzen, die für die Entscheidung des Gerichts wesentlichen rechtlichen Erwägungen zur Kenntnis zu nehmen, um ihre prozessualen Rechte wahrnehmen zu können. Die Vorschrift des § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO betrifft nicht den Fall, daß eine Entscheidung den Tatbestand nicht oder nicht vollständig wiedergibt (Beschluß des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12. April 1994 III R 44/93, BFH/NV 1994, 885) oder einen Verfahrens- oder Sachantrag übergeht (BFH-Beschluß vom 17. Juni 1994 III R 58/93, BFH/NV 1995, 49). Hat das Gericht einen Antrag überhaupt nicht beschieden, fehlt es nicht an der Begründung einer Entscheidung, sondern an der Entscheidung selbst (BFH-Beschluß vom 18. Juni 1996 IV R 66/95, BFH/NV 1996, 840).
2. Der Kläger rügt nicht das Fehlen einer die Entscheidung tragenden rechtlichen Begründung. Er macht vielmehr geltend, das FG habe seinen Antrag, das Verfahren ruhen zu lassen bzw. auszusetzen, bis das BVerfG über vergleichbare Verfassungsbeschwerden entschieden habe, unbeantwortet gelassen und weder im Tatbestand noch in den Entscheidungsgründen erwähnt.
a) Soweit der Kläger damit rügt, das Urteil stelle die tatsächlichen Grundlagen der Entscheidung unzureichend dar, so ist dieser Mangel nicht mit der Rüge nach § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO, sondern mit dem Antrag auf Tatbestandsberichtigung nach § 108 FGO beim FG geltend zu machen oder mittels sog. einfacher Verfahrensrügen im Rahmen einer zugelassenen Revision oder mit der Nichtzulassungsbeschwerde (BFH-Beschluß in BFH/NV 1994, 885; vgl. hierzu Ruban in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 119 Anm. 23, zur insoweit identischen Vorschrift des § 119 Nr. 6 FGO); der BFH ist an die tatsächlichen Feststellungen des FG im Rahmen des § 118 Abs. 2 FGO gebunden.
b) Soweit der Kläger das Übergehen seines Antrags auf Aussetzung des Klageverfahrens rügt und damit einen Fehler des --vor oder bei der Findung der Entscheidung-- zu beachtenden gerichtlichen Verfahrens, ist ein solcher Fehler mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend zu machen (vgl. hierzu BFH-Beschlüsse in BFH/NV 1994, 885; in BFH/NV 1995, 49, und vom 14. Juli 1987 VIII R 19/86, BFH/NV 1988, 164; Ruban in Gräber, a.a.O., § 119 Anm. 23).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO. Gründe, von der Erhebung von Kosten nach § 8 des Gerichtskostengesetzes abzusehen, sind nicht gegeben.
Fundstellen
Haufe-Index 422604 |
BFH/NV 2000, 323 |