Entscheidungsstichwort (Thema)
Aussetzung der Vollziehung von Zollbescheiden nach der Bananenmarktordnung - Zulassung der Beschwerde gegen einen Aussetzungsbeschluß
Leitsatz (amtlich)
1. Gegen die Rechtmäßigkeit eines Zollbescheides, mit dem der in Art.18 Abs.2, 2.Gedankenstrich der Bananenmarktordnung vorgesehene Zoll angefordert wird, bestehen in Hinblick auf die sich wegen völkerrechtlicher Altverpflichtungen aus dem GATT und ihrer Berücksichtigung ergebende Frage der Anwendbarkeit dieser Marktordnung in der Bundesrepublik Deutschland begründete, eine Aussetzung der Vollziehung rechtfertigende Zweifel.
2. Zur Frage des Absehens von der Sicherheitsleistung bei Aussetzung der Vollziehung (1.) nach dem Zollkodex.
Orientierungssatz
Auch wenn das FG die Beschwerde gegen einen Beschluß über die Aussetzung der Vollziehung nur im Hinblick auf einer Rechtsfrage zugelassen hat, ist die Zulassung insgesamt erfolgt und als solche bindend. Der Zulassungsgrund hat keine bindende Wirkung.
Normenkette
FGO § 69 Abs. 3, 2, § 128 Abs. 3; EWGV 2913/92 Art. 244; EWGV 404/93 Art. 18 Abs. 2; EGVtr Art. 234 Abs. 1, Art. 177 (jetzt Art. 234 EG); GATTAbk Art. 1-3, 23 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Gestützt auf die vom Finanzgericht (FG) zu ihren Gunsten gegen den Antragsgegner und Beschwerdeführer (Hauptzollamt --HZA--) erlassenen einstweiligen Anordnungen (u.a. FG Hamburg, Beschluß vom 19. Mai 1995 IV 119/95 H, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1995, 730) ließ die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin), eine Importeurin von Obst, Bananen aus Ecuador ohne Vorlage von Einfuhrbescheinigungen --Lizenzen-- zu einem für GATT-konform gehaltenen Zollsatz von 75 ECU/t zum freien Verkehr abfertigen. Diese Entscheidungen --nicht die mit ihnen verbundene Aussetzung der Verfahren bis zur Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) über die ihm in IV 119/95 H des FG vorgelegten und weiterhin aufrechterhaltenen Fragen-- hob der beschließende Senat auf, soweit die Hauptsache nicht erledigt war, und lehnte die Rechtsschutzanträge der Antragstellerin mit der Begründung ab, vorgreifende einstweilige Anordnungen der getroffenen Art kämen nicht in Betracht; vorläufiger Rechtsschutz sei auf dem Wege der Aussetzung der Vollziehung des noch zu erlassenden Abgabenbescheides möglich. Auf diesen, von der Antragstellerin mit der Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) angegriffenen Beschluß (vom 22. August 1995 VII B 153,154,167,172/95, BFHE 178, 15, BStBl II 1995, 645) sowie auf den Beschluß der Vorinstanz in EFG 1995, 730 wird verwiesen.
Das HZA forderte hierauf bei der Antragstellerin den sich in Anwendung des in der Bananenmarktordnung --Art.18 Abs.2, 2.Gedankenstrich der Verordnung (EWG) Nr.404/93 (VO Nr.404/93) des Rates vom 13. Februar 1993, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (ABlEG) L 47/1, später i.d.F. der Verordnung (EG) Nr.3290/94 des Rates vom 22. Dezember 1994, ABlEG L 349/105, 185 f.-- vorgesehenen Drittlandszollsatzes von 850 bzw. 822 ECU/t ergebenden Betrag an. Über den Einspruch der Antragstellerin ist noch nicht entschieden. Nachdem das HZA eine Aussetzung der Vollziehung abgelehnt hatte, setzte das von der Antragstellerin angerufene FG die Vollziehung des Zolländerungsbescheides bis zur Entscheidung des EuGH über diesem im FG-Verfahren IV 119/95 H vorgelegte Fragen, längstens bis zur Bestandskraft des Bescheides, antragsgemäß ohne Sicherheitsleistung aus, und zwar unter Aussetzung des Verfahrens im übrigen bis zur Entscheidung des EuGH über die Vorlagefragen. Im Streitfall beständen --so das FG-- begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Nachforderungsbescheides (Art.244 des Zollkodex --ZK--), da wegen Verstoßes der maßgebenden Vorschriften der Bananenmarktordnung gegen das GATT deren Anwendbarkeit in Deutschland fraglich sei (Hinweis auf FG-Beschluß in IV 119/95 H). Eine Sicherheitsleistung sei nicht zu fordern; die Voraussetzungen von Art.244 Unterabs.3 Satz 2 ZK lägen vor. Die Antragstellerin habe glaubhaft gemacht, daß sie zu einer solchen Leistung bei Vermeidung ihres wirtschaftlichen Zusammenbruchs nicht in der Lage sei und daß sie auch von dritter Seite keine zusätzlichen Mittel erhalten könne. Eine Aussetzung der Vollziehung nur gegen Sicherheitsleistung würde den sofortigen Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens nach sich ziehen. An dieser Beurteilung würde sich auch nichts ändern, wenn das Begehren der Antragstellerin nicht nach Art.244 ZK, sondern nach den vom EuGH (Urteil vom 21. Februar 1991 Rs.C-143/88 u. 92/89, EuGHE 1991, I-534) aufgestellten Grundsätzen zu beurteilen wäre.
Mit der vom FG zugelassenen Beschwerde wendet sich das HZA gegen die Vorentscheidung. Es hält ausreichende Aussetzungsgründe i.S. von Art.244 ZK unter Hinweis auf das zur Bananenmarktordnung ergangene Urteil des EuGH (vom 5. Oktober 1994 Rs.C-280/93, EuGHE 1994, I-5039) selbst unter Berücksichtigung der anhängigen Verfassungsbeschwerde der Antragstellerin gegen den Senatsbeschluß in BFHE 178, 15, BStBl II 1995, 645 nicht für gegeben und trägt vor, die Antragstellerin habe in Kenntnis ihres Unvermögens, den in der Bananenmarktordnung vorgesehenen Drittlandszoll zu entrichten, immer weitere Einfuhren getätigt.
Die Antragstellerin führt aus, im Streitfall gehe es nicht um die gemeinschaftsrechtliche Gültigkeit der Bananenmarktordnung, sondern um die Frage ihrer Anwendbarkeit in der Bundesrepublik Deutschland --Bundesrepublik-- (Anwendungsvorrang des GATT gemäß Art.234 Abs.1 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft --EGV-- oder fehlende Anwendbarkeit als "ausbrechender Rechtsakt" im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG). Würde der EuGH (auf die Vorlage des FG Hamburg) eine Beachtung des Anwendungsvorrangs durch den nationalen Richter ausschließen, so würde es sich bei der Bananenmarktordnung (Art.17 ff.) um einen Rechtsakt ultra vires --außerhalb der eingeräumten Befugnisse ("Hoheitsakte")-- handeln, mit der Folge der Unanwendbarkeit hinsichtlich der Lizenzpflicht und des Prohibitivzolls. Im Rahmen des GATT sei die GATT-Widrigkeit der als Verordnung unmittelbar geltenden Bananenmarktordnung --ihr Verstoß gegen die hinreichend eindeutigen Verpflichtungen gegen Art.I bis III GATT-- verbindlich festgestellt, und zwar durch einen im Streitschlichtungsverfahren ergangenen "Panel"-Bericht, der mangels Zustimmung zwar keine völkerrechtliche, wohl aber eine tatbestandliche Wirkung entfalte. Dies sei im nationalen Kompetenzrahmen zu berücksichtigen. Der vom nationalen Gericht zu beachtende Anwendungsvorrang gemäß Art.234 EGV erfasse auch nichtjustitiable völkerrechtliche Verpflichtungen.
Entscheidungsgründe
II. 1. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere statthaft. Das FG hat die Beschwerde, wie erforderlich (§ 128 Abs.3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), zugelassen, wenn auch nur im Hinblick auf die für rechtsgrundsätzlich und zweifelhaft gehaltene Frage, ob die Eröffnung der Beschwerde gegen seinen "durch die Entscheidung des EuGH über die Vorlagefragen befristeten und deshalb vorläufigen Aussetzungsbeschluß mit Art.177 Abs.2 EGV vereinbar ist". Der Zulassungsgrund hat keine bindende Wirkung (Gräber, FGO, 3.Aufl. 1993, § 69 Anm.176, § 115 Anm.46). Die Zulassung ist insgesamt erfolgt und als solche bindend. Es besteht mithin kein Anlaß, auf den vom FG geäußerten Zweifel näher einzugehen.
2. Die Beschwerde ist nicht begründet. Das FG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, daß die Voraussetzungen für die Aussetzung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung vorliegen.
Diese Entscheidung rechtfertigt sich, entgegen der Rechtsauffassung der Beschwerde, aus den hier bestehenden Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides. Ob sie auch darauf zu stützen wäre, daß ohne die Aussetzung dem Beteiligten ein unersetzbarer Schaden entstehen könnte (Art.244 Unterabs.2, 2.Alternative ZK), läßt der Senat offen. Maßgebend dafür ist, daß die Frage, ob ein solcher Schaden als selbständiger, von Rechtmäßigkeitszweifeln unabhängiger Aussetzungsgrund anzuerkennen ist, noch vom EuGH zu klären ist (Vorlagebeschluß des Hessischen FG vom 31. März 1995 7 V 3115/94, EFG 1995, 630).
a) Rechtsgrundlage für die --gerichtliche-- Aussetzung der Vollziehung eines Bescheides über nachgeforderte Einfuhrabgaben sind § 69 Abs.3 FGO, Art.244 Unterabs.2 ZK (Senat, Beschluß vom 22. November 1994 VII B 140/94, BFHE 176, 170, 172 f.); zur Aussetzung führende begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides (Art.244 Unterabs.2, 1.Alternative ZK) liegen vor, wenn bei summarischer Prüfung auch gegen dessen Rechtmäßigkeit sprechende Gründe hervortreten, die eine Unentschiedenheit in der Beurteilung der Rechtslage oder Unklarheit in der Bewertung von Tatfragen bewirken. Besondere Voraussetzungen gelten, wenn das Aussetzungsbegehren darauf gestützt ist, daß der angefochtenen zollrechtlichen Entscheidung eine ungültige Norm des Gemeinschaftsrechts zugrunde liege (vgl. Witte/Alexander, Zollkodex, 1994, Art.244 Rz.11).
Diese in EuGHE 1991, I-534, 544 aufgestellten Voraussetzungen, sollten sie auch bei den im Streitfall im Vordergrund stehenden Anwendungszweifeln zu beachten sein, hält der Senat in Übereinstimmung mit der Vorinstanz für gegeben (Hinweis insbesondere auf deren Vorlagebeschluß in EFG 1995, 730; vgl. auch BFHE 178, 15, 21, mit Anmerkung in Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1995, 730). Die Einschränkungen, die nach der Rechtsprechung des Senats (Beschluß vom 12. Juni 1986 VII B 112/85, BFHE 146, 514, 517, BStBl II 1986, 717) bei der Anwendung von § 69 Abs.2 Satz 2 FGO in bezug auf Eingangsabgabenbescheide zu berücksichtigen waren, sind für die Vollziehungsaussetzung nach Art.244 Unterabs.2 ZK ohne Bedeutung (vgl. auch Witte/Alexander, a.a.O., Rz.17). Auch dies hat das FG richtig entschieden.
b) Der Senat hält begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides für gegeben. Diese bestehen in Hinblick auf die Frage, ob die der Abgabenerhebung zugrundeliegende Zollregelung der Bananenmarktordnung gegen etwa vorrangig zu beachtendes Völkerrecht (GATT 1947; vgl. Kuschel, Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht --EuZW-- 1995, 689, 692) verstößt, und die Folgerung, die sich aus einem derartigen --vorläufigen-- Befund für die Anwendbarkeit der Gemeinschaftsregelung ergibt. Die sich dabei stellenden schwierigen Fragen brauchen im Rahmen des Aussetzungsverfahrens keiner abschließenden Klärung zugeführt zu werden. Im Streitfall genügt vielmehr eine summarische Beurteilung.
aa) Hinreichende Zweifel bestehen zunächst wegen der Frage, ob die Bananenmarktordnung GATT-konform ist. Daß das Ursprungsland der im Streitfall eingeführten Bananen --Ecuador-- kein GATT-Vertragsstaat ist, spielt in diesem Zusammenhang --auch mit Rücksicht auf die "Multilateralisierung" der Meistbegünstigung (vgl. Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3.Aufl. 1984, § 763; s. ferner Imhoff, GATT, 1952, S.14)-- keine Rolle. Die Zweifel des Senats gründen sich auf den im Rahmen des Streitschlichtungsverfahrens nach Art.XXIII Abs.2 GATT am 18. Januar 1994 vorgelegten "Panel"-Bericht (EFG 1995, 730 f.; Kuschel, Recht der internationalen Wirtschaft 1995, 218, 221), nach dem folgende Regelungen GATT-widrig sind:
- Gewichtszollregelung anstelle der sich aus der
Zollsatzbindung (Art.II) ergebenden, womöglich günstigeren
Wertzollregelung;
- Präferenzzollgewährung zugunsten der AKP-Länder
(entgegen der Meistbegünstigung, Art.I);
- Lizenzaufteilung (entgegen Art.I und dem Diskriminierungsverbot nach Art.III).
Dieser Bericht ist, weil die Gemeinschaft als
de-facto-GATT-Mitglied die Zustimmung verweigerte, nicht
einstimmig angenommen worden und dadurch nicht formell
Bestandteil des GATT-Rechts geworden (zur Verfahrensweise bei
der Streitschlichtung näher Petersmann in Hilf/Petersmann,
GATT und Europäische Gemeinschaft, 1.Aufl. 1986, S.119, 145
f.). Gleichwohl behalten die im Bericht getroffenen
Feststellungen für die rechtliche Bewertung ihre Bedeutung
(vgl. auch Kuschel, EuZW 1995, 689, 692). Sie lassen die
Annahme, daß die Bananenmarktordnung in den entsprechenden
Teilen GATT-widrig ist, zumindest als nicht fernliegend
erscheinen.
bb) Ein Verstoß der Bananenmarktordnung gegen Verpflichtungen
aus dem GATT, das nach der Rechtsprechung des EuGH (zu ihr
Ehlermann in Hilf/Petersmann, a.a.O., S.203, 220)
integrierender Teil der Gemeinschaftsrechtsordnung ist, könnte
nach Auffassung des Senats die Anwendbarkeit der maßgebenden
Vorschriften des Gemeinschaftsrechts unbeschadet ihrer vom
EuGH (EuGHE 1994, I-5039; vgl. auch Urteil vom 9. November
1995 Rs.C-466/93, nicht veröffentlicht --NV--) festgestellten
gemeinschaftsrechtlichen Gültigkeit in Frage stellen. Von
dieser Möglichkeit (und einer entsprechenden gerichtlichen
Prüfungskompetenz) geht, im Hinblick auf die Verpflichtungen
der Bundesrepublik als selbständiges GATT-Mitglied, auch das
BVerfG aus (Beschluß vom 26. April 1995 2 BvR 760/95, EuZW
1995, 412).
Bei GATT-Widrigkeit der Bananenmarktordnung könnte die Bundesrepublik aufgrund von Art.234 EGV gemeinschaftsrechtlich berechtigt sein, in Erfüllung ihrer völkerrechtlichen Verpflichtungen und zur Vermeidung einer völkerrechtlichen Haftung die Gemeinschaftsnorm außer Anwendung zu lassen. Dies ergäbe sich voraussichtlich, wenn über Art.234 EGV ein Anwendungsvorrang des völkerrechtlichen Altvertrages (GATT) zu bejahen wäre.
Das FG hat diese vom EuGH bislang nicht entschiedene Frage in einem anderen Verfahren zur Vorabentscheidung gemäß Art.177 EGV vorgelegt (EFG 1995, 730, 732 f.). Da nicht ersichtlich ist, daß die Vorlage unzulässig ist --die Entscheidungserheblichkeit der Frage beurteilt grundsätzlich allein das vorlegende Gericht (zuletzt EuGH, Urteil vom 5. Oktober 1995 Rs.C-125/94, NV)--, wird mit einer Antwort des EuGH zur Sache zu rechnen sein. Sie liegt nicht etwa bereits in dem Urteil in EuGHE 1994, I-5039 vor. In diesem Urteil hat der EuGH zwar entschieden (Rz.109 ff.), daß das GATT-Recht bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer EG-Verordnung im Rahmen der Klage eines Mitgliedstaats nach Art.173 Abs.1 EGV nicht zu berücksichtigen ist. Die Frage des Anwendungsvorrangs des Völkerrechts ist damit aber noch nicht beantwortet.
Die zu erwartende Antwort wird voraussichtlich auch entscheidungserheblich sein. Darauf, ob die einschlägigen GATT-Vorschriften --weitere Vorlagefrage des FG-- berufungsfähig bzw. unmittelbar anwendbar sind (allgemein verneinend die Rechtsprechung: vgl. nur EuGH, a.a.O.; Senat, Urteil vom 3. April 1984 VII R 12/78, BFHE 141, 73, 76 f.; bejahend Kuschel, EuZW 1995, 689 f.; Petersmann, a.a.O., S.131, 138), kommt es nach Ansicht des Senats nicht unbedingt an. Wäre von einem Anwendungsvorrang des Völkerrechts auszugehen, so könnte es geboten sein, dem Vorrang auch einer nicht berufungsfähigen Völkerrechtsnorm von Amts wegen Geltung zu verschaffen (vgl. auch BVerfG, a.a.O.).
In Anbetracht der ungeklärten Rechtslage, die Ausgangspunkt des anhängigen Vorabentscheidungsverfahrens ist, bestehen begründete Zweifel, die die Vollziehungsaussetzung rechtfertigen (vgl. Witte/Alexander, a.a.O., Rz.9, die eine Vollziehungsaussetzung regelmäßig für geboten halten, wenn eine Rechtsfrage des Rechtsstreits zur Vorabentscheidung vorgelegt wurde). Das gilt nicht nur für den Fall, daß der EuGH den Anwendungsvorrang des GATT vor der Gemeinschaftsnorm, die ihm womöglich widerspricht, nach primärem Gemeinschaftsrecht bejaht, sondern auch dann, wenn er zu einem anderen Ergebnis gelangen oder --entgegen der Erwartung des Senats-- das Vorabentscheidungsersuchen nicht in der Sache bescheiden sollte. In diesem Falle könnte sich die Frage stellen, ob Gemeinschaftsrecht, das gültig und (von Gemeinschaftsrechts wegen) vorbehaltlos unmittelbar anwendbar ist, aus verfassungsrechtlichen Gründen in der Bundesrepublik nicht angewendet werden darf. Diese Frage hätten die Fachgerichte im Rahmen der ihnen zukommenden Prüfungskompetenz zu beantworten (BVerfG, a.a.O.). Die Entscheidungsmaßstäbe wären dem ("Maastricht"-)Urteil des BVerfG vom 12. Oktober 1993 2 BvR 2134, 2159/92 (BVerfGE 89, 155; dazu etwa Kirchhof, Deutsche Richterzeitung 1995, 253, 259) zu entnehmen.
Wäre davon auszugehen, daß eine durch den Anwendungsvorrang des Völkerrechts --hier des GATT-- bestimmte und durch ihn begrenzte Gemeinschaftsgesetzgebung im Vertrag umschrieben und sie nur in diesem Umfang durch das nationale Zustimmungsgesetz gedeckt ist, so könnte --in letzter Linie-- unter Berücksichtigung der bereits angesprochenen Bedenken in der Bananenmarktordnung ein sog. ausbrechender Rechtsakt gesehen werden, an dessen Anwendung in der Bundesrepublik die deutschen Staatsorgane, auch die Gerichte, aus verfassungsrechtlichen Gründen gehindert wären (vgl. insbesondere BVerfGE 89, 155, 188, 190). Wegen der Bedeutung der primärrechtlich ermöglichten "Einrede" aus Art.234 EGV erscheint dies selbst dann nicht ausgeschlossen, wenn im übrigen berücksichtigt wird, daß gegen Primärrecht verstoßendes gemeinschaftliches Sekundärrecht sich noch keineswegs notwendig als ausbrechender Rechtsakt darstellt. Wie die Frage --sollte sie sich je stellen-- zu beantworten wäre, ist in diesem Verfahren nicht zu entscheiden. Hier genügt, wie bereits ausgeführt, das Bestehen begründeter Zweifel, die der Senat auch unter dem angesprochenen Blickwinkel für vorliegend erachtet.
c) Eine Sicherheitsleistung ist von der Antragstellerin, wie von der Vorinstanz entschieden, nicht zu fordern.
Nach Art.244 Unterabs.3 Satz 2 ZK darf die Sicherheitsleistung, an die die Aussetzung der Vollziehung einer Entscheidung über die Erhebung von Abgaben grundsätzlich gebunden ist --bei der Einfuhr von Bananen unabhängig von der anderen Zwecken dienenden Sicherheit nach Art.17 VO Nr.404/93--, nicht verlangt werden, wenn eine solche Forderung aufgrund der Lage des Schuldners zu ernsten Schwierigkeiten wirtschaftlicher oder sozialer Art führen könnte. Diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt; für ein Ermessen, wie es nach § 69 Abs.3 Satz 3 FGO besteht, bleibt kein Raum (Witte/Alexander, a.a.O., Rz.19; anders noch --Rechtslage vor Inkrafttreten des ZK-- EuGHE 1991, I-534, 544).
Das FG hat näher begründet, weshalb von einer Sicherheitsleistung abzusehen ist; das HZA hat keine Gesichtspunkte vorgetragen, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen. Dem an sich berechtigt erscheinenden Bedenken, daß ein unvermögender Beteiligter durch sicherheitslose Aussetzung der Vollziehung in die Lage versetzt werden könnte, ohne eigenes Risiko einfuhrabgabenbegründende Einfuhren vorzunehmen, ohne daß Aussicht auf eine (etwa erforderlich werdende) Befriedigung des Abgabengläubigers besteht, braucht hier nicht nachgegangen zu werden. Bestehen begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Abgabenbescheides (an der der Abgabenerhebung zugrundeliegenden Norm), so kann es den Beteiligten zumindest grundsätzlich nicht verwehrt sein, die Aussetzung der Vollziehung, bei Vorliegen der Voraussetzungen ohne Sicherheitsleistung, in Anspruch zu nehmen. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Einfuhrverpflichtungen, wie hier (EFG 1995, 730 f.), vor Inkrafttreten bzw. Anwendbarkeit der streitigen Abgabenregelung entstanden waren.
Fundstellen
Haufe-Index 66035 |
BFH/NV 1996, 53 |
BFH/NV 1996, 53-55 (LT) |
BFHE 179, 501 |
BFHE 1996, 501 |
BB 1996, 258 |
BB 1996, 258 (S) |
DB 1996, 258 (K) |
DStR 1996, 180-181 (KT) |
HFR 1996, 207-208 (L) |
StE 1996, 70 (K) |