Entscheidungsstichwort (Thema)
Aussetzung der Vollziehung
Nachgehend
Tenor
I.
- Die Vollziehung des Zolländerungsbescheides des Antragsgegners vom 29.08.1995 (Aktz.: …) wird bis zur Entscheidung des EuGH über die ihm vom Finanzgericht Hamburg im Verfahren IV 119/95 H unter Ziffer II 1.–3. vorgelegten Fragen – längstens bis zur Bestandskraft des angefochtenen Bescheides – ohne Sicherheitsleistung ausgesetzt.
- Die Beschwerde wird zugelassen.
II. Im übrigen wird das Verfahren bis zur Entscheidung des EuGH über die Vorlagefragen ausgesetzt.
Tatbestand
A.
Sachverhalt
Die Beteiligten streiten darum, ob der Antragsgegner (Ag) von der Antragstellerin (Astin) zu Recht Zoll für die Einfuhr von Bananen nachgefordert hat.
Die Astin führte aufgrund der Beschlüsse des Senates vom 19. Mai 1995, IV 119/95 H, 8. Juni 1995, IV 154/95, 21. Juni 1995, IV 164/95 und vom 28. Juni 1995, IV 165/95 Bananen mit Herkunft aus … ohne Vorlage von Lizenzen zum Zollsatz von 75 ECU/t ein. Durch Beschluß vom 22. August 1995 hob der Bundesfinanzhof (BFH) die vorgenannten Beschlüsse des Senates auf, soweit einstweilige Anordnung erlassen worden waren und die Hauptsache nicht erledigt war. Gegen den Beschluß des BFH legte die Astin Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht ein, über die bisher nicht entschieden ist (Aktz. des BVerfG: 2 BvR 1951/95).
Der Ag forderte deshalb mit Bescheid vom 29. August 1995 für die in der Anlage zum Bescheid aufgelisteten Einfuhrvorgänge unter Anwendung des Drittlandszollsatzes von 850 bzw. 822 ECU/t Zoll in Höhe von … DM nach. Die Astin legte gegen diesen Bescheid mit Schreiben vom 1. September 1995 Einspruch ein und beantragte gleichzeitig, die Vollziehung des angefochtenen Bescheides auszusetzen. Über den Einspruch hat der Ag bisher nicht entschieden. Den Aussetzungsantrag lehnte er mit Bescheid vom 5. September 1995 ab. Die Astin begehrt deshalb vom Gericht die Vollziehungsaussetzung.
Zur Begründung trägt sie u.a. folgendes vor:
Die Zollschuld sei nicht entstanden. Art. 18 Abs. 2 der VO (EWG) Nr. 404/93 sei in Deutschland nicht anwendbar, weil die Regelung gegen Art. II GATT verstoße. Nach Art. 234 EGV habe das GATT gegenüber inkompatiblem Gemeinschaftsrecht den Anwendungsvorrang. Den Gemeinschaftsorganen sei von den Mitgliedstaaten auch nicht die Kompetenz eingeräumt worden, GATT-widrige Verordnungen (Art. 189 Abs. 2 EGV) zu erlassen. Nach dem Maastricht-Urteil des Bundesverfassungsgerichtes sei es dem Ag untersagt, kompetenzlos erlassenes Gemeinschaftsrecht in Deutschland anzuwenden.
Eine etwaige Zollschuld sei auch nicht fristgerecht buchmäßig erfaßt worden. Die Voraussetzungen des Art. 220 Zollkodex (ZK) lägen nicht vor.
Dem Ag sei es auch aus Gründen des Vertrauensschutzes verwehrt, die Zollschuld geltend zu machen.
Nach alledem seien begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides gemäß Art. 244 Abs. 2 ZK gegeben. Der BFH habe in seinem Beschluß vom 22. August 1995 die „guten Gründe” anerkannt, die das Finanzgericht Hamburg zu seiner Entscheidung vom 19. Mai 1995 (IV 119/95) in der Sache bewogen hätten. Die gleichen rechtlichen Zweifel habe bereits das Bundesverfassungsgerichts in seinen Beschlüssen vom 25.01.1995 (EuZW 1995, 126) und vom 26.04.1995 (EuZW 1995, 412) geäußert. Hinsichtlich der für die Astin gegebenen unbilligen Härte nehme sie auf die zutreffenden Ausführungen der vorgenannten Entscheidung des Finanzgerichtes Hamburg Bezug.
Sie sei wirtschaftlich nicht in der Lage, Sicherheitsleistungen zu erbringen. Eine Aussetzung der Vollziehung gegen Sicherheitsleistung würde einen sofortigen Antrag auf Konkurseröffnung nach sich ziehen.
Die Astin beantragt
die Vollziehung des Zolländerungsbescheides des Ag vom 29.08.1995 (Aktz.: …) ohne Sicherheitsleistung auszusetzen
Der Ag beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung trägt er u.a. folgendes vor.
Begründete Zweifel tatsächlicher rechtlicher Art lägen im Streitfall nicht vor. Die nachgeforderten Angaben seien fristgerecht buchmäßig erfaßt worden. Der Ag sei durch die einstweiligen Anordnungen des FG Hamburg zunächst gehindert gewesen, die gesetzlich bestimmten Abgaben anzufordern. Diese Abgaben hätten erst nach Vorliegen des BFH-Beschlusses (eingegangen beim Ag am 28. August 1995) buchmäßig erfaßt werden können. Dies sei mit der Fertigung des Steueränderungsbescheides vom 29. August 1995, also fristgerecht gemäß Art. 220 Abs. 1 ZK, innerhalb von zwei Tagen nach dem Tage, an dem der Ag in der Lage gewesen sei, den gesetzlich geschuldeten Betrag zu berechnen, geschehen.
Der Astin fehle ein berechtigtes Interesse am vorläufigen Rechtsschutz. Der BFH habe in ständiger Rechtsprechung zu § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO entschieden, daß eine Aussetzung der Vollziehung wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Bescheides über Eingangsabgaben, die bei der Abfertigung festgesetzt worden sind, mangels berechtigtem Interesse am vorläufigen Rechtsschutz in der Regel nicht ge...