Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmängel
Leitsatz (NV)
Zur Begründetheit einer Nichtzulassungsbeschwerde wegen geltend gemachter Verfahrensmängel.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
Tatbestand
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war seit dem 22. Oktober 1982 alleiniger Geschäftsführer einer GmbH, über deren Vermögen im Januar 1983 das Konkursverfahren eröffnet worden ist. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA --) nahm ihn wegen angemeldeter, aber nicht abgeführter Lohnsteuer und Lohnkirchensteuer der GmbH für den Monat November 1982 nebst Säumniszuschlägen gemäß §§ 34, 69 der Abgabenordnung (AO 1977) als Haftungsschuldner in Anspruch. Der Einspruch und die Klage des Klägers gegen den Haftungsbescheid blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte unter Bezugnahme auf die höchstrichterliche Rechtsprechung im wesentlichen aus:
Der Haftungsbescheid sei rechtmäßig. Der Kläger habe den Haftungstatbestand erfüllt, weil er die ihm als Geschäftsführer obliegenden Pflichten grob fahrlässig verletzt habe. Wenn die vorhandenen Gelder - wie er vorgetragen habe - im Zeitpunkt der Auszahlung der Löhne für die Abführung der Lohnsteuer nicht ausgereicht hätten, so hätte er die Löhne entsprechend gekürzt als Vorschuß oder Teilbetrag auszahlen und die entsprechende Lohnsteuer abführen müssen. Das habe er nicht getan. Im Streitfall habe nicht die Ausnahmesituation vorgelegen, daß sich die Liquiditätsverhältnisse zwischen dem Zeitpunkt der Zahlung der Löhne und dem Zeitpunkt der Fälligkeit für die Abführung der Lohnsteuer erheblich verändert hätten (Urteil des Senats vom 20. April 1982 VII R 96/79, BFHE 135, 416, BStBl II 1982, 521). Denn es seien bereits im Zeitpunkt der Auszahlung der Löhne nicht genügend Mittel vorhanden gewesen, wie der Kläger selbst vorgetragen habe. Wenn der Kläger im Vertrauen darauf, daß die Liquiditätsschwierigkeiten bis zur Fälligkeit der Lohnsteuer noch behoben würden, die Löhne voll ausgezahlt habe, so sei er damit bewußt das Haftungsrisiko eingegangen.
Der Kläger könne sich auch nicht damit entlasten, er habe keine Möglichkeit anderweitigen Verhaltens gehabt, weil er sich noch in der Einarbeitungsphase befunden habe und die eigentlichen Entscheidungen weiterhin von seinem Vorgänger getroffen worden seien. Als gesetzlicher Vertreter der GmbH habe er insoweit nicht tatenlos zusehen dürfen. Ein Geschäftsführer, der auf anderem Wege keine Möglichkeit finde, seine rechtliche Stellung zu verwirklichen und seine Pflichten zu erfüllen, müsse entweder von seinem Amt zurücktreten oder schon früher einen Konkursantrag stellen (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 19. Novmeber 1985 VII S 13/85, BFH/NV 1986, 266, 269). Jedenfalls bedeute es eine grob fahrlässige Pflichtverletzung, wenn der Kläger zwar die Lohnsteueranmeldung unterschrieben habe, sich dann aber nicht eindeutig Gewißheit darüber verschafft habe, ob die darin erklärten Beträge auch an das FA abgeführt worden seien. Auch wenn er sich bei dem früheren Geschäftsführer, Herrn S, erkundigt habe, ob die notwendigen Zahlungen erfolgt seien - insoweit sei das klägerische Vorbringen im übrigen nicht hinreichend substantiiert, da nicht erkennbar sei, wann dies geschehen sein solle und ob hierzu auch die abzuführende Lohnsteuer gehört habe -, so vermöge ihn das nicht zu exkulpieren. Sein grobes Verschulden läge bereits darin, daß er es zugelassen habe, daß die vollen Löhne ausbezahlt wurden, obwohl er wußte, daß die nötigen liquiden Mittel zu diesem Zeitpunkt nicht vorhanden gewesen seien.
Der Kläger stützt seine Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des FG auf den Verfahrensmangel der mangelnden Sachaufklärung (§ 76 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Er macht geltend, er habe auf Bl. 6 der Klageschrift vorgetragen und unter Beweis gestellt, daß er sich bis zum 31. Dezember 1982 in die Geschäftsführung habe einarbeiten sollen, während die laufenden Geschäfte bis zu diesem Zeitpunkt noch von seinem Vorgänger geführt wurden. Wenn das Gericht seinen Vortrag, er habe sich nach den notwendigen Zahlungen erkundigt, nicht als substantiiert ansehe, so hätte es gemäß § 76 FGO einen entsprechenden Aufklärungsbeschluß erlassen müssen. Er habe bestritten, durch grobes Verschulden die Nichtabführung der Lohnsteuer verursacht zu haben. Wenn am Ende des angefochtenen Urteils ausgeführt werde, daß die vollen Löhne ausbezahlt worden seien, obwohl er gewußt habe, daß die nötigen liquiden Mittel zu diesem Zeitpunkt nicht vorhanden gewesen seien, so stehe das im Widerspruch zu seinem Vorbringen. Er habe nur hinterher von dem Sachverhalt ausgehen müssen, daß liquide Mittel nicht vorhanden gewesen seien und habe von dieser späteren Kenntnis ausgehend in der Vorinstanz argumentiert. Er habe aber nie behauptet, von den fehlenden liquiden Mitteln zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Lohnsteuerschuld gewußt zu haben. Er habe im Gegenteil vorgetragen und unter Beweis gestellt, daß er mit diesen Dingen überhaupt nicht befaßt gewesen sei. Die Frage, ob er grob fahrlässig gehandelt habe, hätte daher erst dann bejaht werden können, wenn im Rahmen einer Beweisaufnahme seine positive Kenntnis erwiesen worden wäre. Eine derartige Beweisaufnahme sei aber nicht durchgeführt worden.
Das FA beantragt die Nichtzulassungsbeschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht begründet. Das Urteil des FG beruht nicht auf den geltend gemachten Verfahrensmängeln (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).
1. Die Rüge des Klägers, das FG habe unter Mißachtung seines unter Beweis gestellten Vorbringens die Klage abgewiesen, ist nicht begründet. Denn sein Vortrag, er habe sich bis zum 31. Dezember 1982 in die Geschäftsführung einarbeiten sollen, während die laufenden Geschäfte bis zu diesem Zeitpunkt noch von seinem Vorgänger geführt wurden, ist vom FG berücksichtigt worden. Das FG hat dieses Vorbringen aber zu Recht als unerheblich bewertet. Es hat dazu ausgeführt: ,,Der Kläger kann sich auch nicht damit entlasten, . . . er habe sich noch in der Einarbeitungsphase befunden und die eigentlichen Entscheidungen seien weiterhin von seinem Vorgänger getroffen worden. Als gesetzlicher Vertreter der GmbH durfte der Kläger . . . nicht tatenlos zusehen. Er verletzte damit seine öffentlich-rechtliche Pflicht, für die Abführung der einbehaltenen Lohnsteuern zu sorgen." Über unerhebliches Vorbringen brauchte das FG keinen Beweis zu erheben.
2. Der Vorwurf, das FG hätte einen Aufklärungsbeschluß erlassen müssen, wenn es dem Vortrag des Klägers, er habe sich nach den notwendigen Zahlungen erkundigt, nicht als substantiiert angesehen habe, ist ebenfalls nicht gerechtfertigt. Denn das klageabweisende Urteil erging nicht, weil das Vorbringen des Klägers unsubstantiiert, sondern weil es auch insoweit völlig unerheblich war. Das FG führt auf S. 8 des Urteils aus: ,,Auch wenn der Kläger sich bei Herrn S erkundigt hat, ob die notwendigen Zahlungen erfolgt seien, . . . so vermag ihn das nicht zu exkulpieren." Der in Parenthese gesetzte Halbsatz über die mangelnde Substantiierung war somit nicht entscheidungserheblich.
3. Auch der letzte Einwand des Klägers, er habe nie vorgetragen, daß er von den fehlenden liquiden Mitteln gewußt habe, begründet keinen Verfahrensmangel. Dieses Vorbringen steht im Widerspruch zu den tatsächlichen Feststellungen im Urteil des FG, an die der Senat mangels zulässiger und begründeter Verfahrensrügen gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO). Das bloße Bestreiten einer dem Urteil des FG zugrunde gelegten Tatsache genügt nicht den Anforderungen, die nach den §§ 115 Abs. 3 Satz 3, 120 Abs. 2 Satz 2 FGO an die Bezeichnung eines Verfahrensmangels gestellt werden.
Das Urteil des FG beruht im übrigen auf der Feststellung, daß der Kläger - nach eigenem Vorbringen - die mangelnde Liquidität im Zeitpunkt der Auszahlung der Löhne gekannt und pflichtwidrig keine Lohnkürzung zum Zwecke der Befriedigung des FA vorgenommen habe. Wenn demgegenüber mit der Nichtzulassungsbeschwerde vorgetragen wird, er habe nie behauptet, von den fehlenden Mitteln im Zeitpunkt der Fälligkeit der Lohnsteuerschuld gewußt zu haben, so ist das für die angefochtene Entscheidung unerheblich. Das FG brauchte deshalb zur Feststellung der groben Fahrlässigkeit des Klägers über dessen Kenntnis von den Liquiditätsverhältnissen im letztgenannten Zeitpunkt keinen Beweis zu erheben. Schließlich kann es auf die tatsächliche Kenntnis des Klägers von der mangelnden Liquidität der GmbH zu irgendeinem Zeitpunkt auch deshalb nicht entscheidend ankommen, weil der Geschäftsführer verpflichtet ist, sich um die Liquidität der GmbH zu kümmern und dieser bei der Erfüllung der steuerlichen Verpflichtungen der GmbH Rechnung zu tragen.
Fundstellen
Haufe-Index 415608 |
BFH/NV 1988, 649 |