Entscheidungsstichwort (Thema)
Zurückweisung eines Bevollmächtigten nach Widerruf der Bestellung als Steuerberater; Zurückweisung eines Belastingadviseur/Belastingconsulent als Prozessbevollmächtigten; Wiederaufnahmeklage suspendiert nicht den Eintritt der Rechtskraft der beanstandeten Entscheidung
Normenkette
FGO §§ 134, 62 Abs. 2 S. 2; ZPO § 580 Nr. 5; StBerG § 3 Nrn. 1, 4, § 46 Abs. 2 Nr. 4; EG Art. 40, 47
Tatbestand
Der Beschwerdeführer zu 1 war als Steuerberater zugelassen und hat als Bevollmächtigter für die Kläger und Beschwerdeführer zu 2 und 3 (Kläger) als ehemalige Gesellschafter der X-GbR Klage erhoben. Während des Klageverfahrens wurde die Bestellung des Beschwerdeführers zu 1 als Steuerberater durch Bescheid des Finanzministeriums widerrufen. Das Finanzgericht (FG) bestätigte den Widerrufsbescheid mit Urteil vom 19. Oktober 2001. Die dagegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde wies der Bundesfinanzhof (BFH) mit Beschluss vom 1. August 2002 VII B 35/02 (BFH/NV 2002, 1499) als unbegründet zurück.
Mit Beschluss vom 10. Dezember 2002 hat das FG den Beschwerdeführer zu 1 als Bevollmächtigten in dem o.g. Klageverfahren der Kläger gemäß § 62 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nach vorheriger Gelegenheit zur Stellungnahme zurückgewiesen.
Dagegen hat der Beschwerdeführer zu 1 durch eine von ihm bevollmächtigte Rechtsanwältin fristgemäß Beschwerde erhoben. Zugleich soll die Beschwerde auch namens der Kläger erhoben worden sein, wofür der Beschwerdeführer zu 1 Untervollmacht erteilt habe.
Mit der Beschwerde wird geltend gemacht, der Widerruf der Bestellung sei rechtsfehlerhaft. Er sei auch noch nicht unanfechtbar, weil eine Wiederaufnahmeklage beim FG sowie eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) erhoben worden seien. Außerdem sei der Bevollmächtigte nach § 3 Nr. 4 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) zur Vertretung der Kläger befugt, weil er in den Niederlanden und Belgien als Belastingadviseur und Belastingconsulent zur Hilfeleistung in Steuersachen berechtigt sei. Soweit europäisch niedergelassene Steuerberater dort nicht genannt seien, liege eine unerlaubte Diskriminierung i.S. der Art. 49, 50 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft i.d.F. des Vertrages von Nizza (EG) vom 26. Februar 2001 (konsolidierte Fassung: Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften ―ABlEG― 2002 Nr. C 325/1) vor. Zudem verstoße die Anwendung des § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG gegen die Grundrechte des Bevollmächtigten als Bürger der EU. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens wird auf die Beschwerdeschrift Bezug genommen.
Die Beschwerdeführer beantragen, den angefochtenen Beschluss aufzuheben, hilfsweise ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) zu richten.
Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist nicht begründet.
1. Die Beschwerde ist statthaft. Eine Beschwerdebefugnis steht nicht nur dem zurückgewiesenen Bevollmächtigten, sondern auch den Klägern des Ausgangsverfahrens zu (vgl. BFH-Beschlüsse vom 2. Februar 1998 IX B 122/96, BFH/NV 1998, 998; vom 16. September 1986 IX B 39/86, BFH/NV 1987, 83). Zweifeln an der Zulässigkeit der Beschwerde, die sich im Hinblick auf eine ordnungsgemäße Bevollmächtigung wegen des auch insoweit geltenden Vertretungszwangs (vgl. BFH-Beschluss vom 21. August 2001 IV B 141/01, BFH/NV 2002, 53) ergeben, geht der Senat nicht nach, weil die Beschwerde jedenfalls unbegründet ist.
2. Das FG hat den Beschwerdeführer zu 1 zu Recht gemäß § 62 Abs. 2 Satz 2 FGO als Bevollmächtigten zurückgewiesen, weil er nach den Vorschriften des StBerG nicht zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt war.
a) Der Beschwerdeführer zu 1 war nicht nach § 3 Nr. 1 StBerG zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt, weil seine Bestellung als Steuerberater zum maßgebenden Zeitpunkt durch den Bescheid des Finanzministeriums bestandskräftig widerrufen war. Bestandskraft ist dadurch eingetreten, dass die Klage gegen den Bescheid vom FG abgewiesen und das Urteil durch Zurückweisung der dagegen eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde mit Beschluss des BFH in BFH/NV 2002, 1499 rechtskräftig geworden ist.
b) Etwaige vom Beschwerdeführer zu 1 gegen den genannten BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 1499 und das diesem Beschluss vorausgegangene Urteil des FG Köln anhängig gemachte Wiederaufnahmeverfahren (§ 134 FGO i.V.m. § 580 Nr. 5 der Zivilprozessordnung ―ZPO―) ändern nichts an der Rechtskraft dieser Entscheidungen und damit an der Bestandskraft des Widerrufsbescheids. Denn trotz des rechtsmittelähnlichen Charakters der Wiederaufnahmeklage ist sie doch kein wirkliches Rechtsmittel, das den Eintritt der Rechtskraft der beanstandeten Entscheidungen suspendieren würde (vgl. Zöller/Greger, Zivilprozessordnung, 23. Aufl., Vor § 578 Rn. 1). Solange die Wiederaufnahmeklage daher keinen Erfolg hat, bleibt es bei der Rechtskraft des Beschlusses in BFH/NV 2002, 1499 und damit der Bestandskraft des Widerrufsbescheids (vgl. BFH-Urteil vom 30. Oktober 1967 VI K 1/67, BFHE 90, 454, BStBl II 1968, 119).
c) Dahingestellt bleiben kann in diesem Zusammenhang, welche Bedeutung die vom Beschwerdeführer zu 1 gegen die genannten, den Widerruf seiner Bestellung zum Steuerberater bestätigenden Entscheidungen eingelegte Verfassungsbeschwerde hatte. Denn diese ist vom BVerfG durch Beschluss vom 4. Dezember 2002 1 BvR 2046/02 nicht zur Entscheidung angenommen worden.
d) Der Beschwerdeführer zu 1 ist auch nicht befugt, im Hauptsacheverfahren als Belastingadviseur bzw. Belastingconsulent aufzutreten. Der VII. Senat des BFH hat mit Beschluss vom 11. Februar 2003 VII B 330/02, VII S 41/02 (BStBl II 2003, 422) gegenüber dem Beschwerdeführer zu 1 entschieden, dass ein Belastingadviseur bzw. Belastingconsulent, der in den Niederlanden bzw. Belgien ein Büro hat, aber in Deutschland dauerhaft ansässig ist, in Deutschland nicht zur Hilfeleistung in Steuersachen befugt ist und deshalb auch nicht im finanzgerichtlichen Verfahren als Prozessbevollmächtigter tätig werden darf.
Wie der BFH weiter entschieden hat, bezieht sich die durch Art. 1 Nr. 2 des Siebten Gesetzes zur Änderung von Vorschriften über die Tätigkeit der Steuerberater (7. StBÄndG) vom 24. Juni 2000 (BGBl I 2000, 874) in das StBerG aufgenommene Befugnis zu unbeschränkter Hilfeleistung in Steuersachen (§ 3 Nr. 4 StBerG) nur auf die Fälle grenzüberschreitender Hilfeleistungen in Steuersachen (gl.A. Urteil des Niedersächsischen FG vom 5. Dezember 2000 6 K 423/99, Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 2001, 869); § 3 Nr. 4 StBerG dient so der Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben aus Art. 49 Abs. 1, 50 Abs. 3 EG. Eine solche grenzüberschreitende Hilfeleistung in Steuersachen hat der Beschwerdeführer zu 1 im Streitfall aber nicht erbracht. Der beschließende Senat schließt sich deshalb der Auffassung des VII. Senats des BFH im Beschluss VII B 330/02, VII S 41/02 und des Niedersächsischen FG in EFG 2001, 869 in vollem Umfang an und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Gründe dieser Entscheidungen.
e) Zu Unrecht beruft sich der Beschwerdeführer zu 1 auch auf eine dem EG-Vertrag widersprechende diskriminierende Behandlung der europäischen Steuerberater gegenüber den europäischen Rechtsanwälten, deren Berufsausübung in einem anderen Mitgliedstaat durch die Richtlinie 98/5/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 (ABlEG 1998 Nr. L 77/36) im Einzelnen geregelt ist. Aus dieser auf der Grundlage von Art. 49 und Art. 57 EGV a.F. (jetzt: Art. 40 und Art. 47 EG) ergangenen Richtlinie folgt jedoch noch kein Anspruch der steuerberatenden Berufe in den einzelnen EG-Mitgliedstaaten auf eine entsprechende Anwendung dieser Vorschriften. Denn zum einen sind die steuerberatenden Berufe in den einzelnen Mitgliedstaaten ―wenn überhaupt― so unterschiedlich geregelt, dass es nur schwer möglich sein dürfte, sie generell in ihrer beruflichen Qualität mit Rechtsanwälten zu vergleichen; zum anderen aber lässt sich eine für einen bestimmten Berufsstand und dessen Besonderheiten getroffene Regelung nicht ohne weiteres auf einen anderen Berufsstand übertragen. Wollte man auch insoweit gemeinschaftsrechtlich einheitliche Niederlassungsvoraussetzungen schaffen, so wäre ebenso wie für Rechtsanwälte eine besondere Richtlinie der EG i.S. von Art. 47 Abs. 2 EG erforderlich (BFH-Beschluss VII B 330/02, VII S 41/02). Im Übrigen können auch dem Rechtsanwalt, der seinen Beruf auf der Grundlage der Richtlinie 98/5/EG in einem anderen Mitgliedstaat ausübt, als dem, in dem er seine Qualifikation erworben hat, unter Umständen Beschränkungen auferlegt werden, denen der inländische Berufsträger nicht unterliegt, ohne dass darin eine Verletzung von Gemeinschaftsrecht läge (Entscheidung des EuGH vom 7. November 2000 Rs. C-168/98, EuGHE I 2000, 9131 zu Rn. 20, 23 bis 25).
f) Schließlich vermag der Senat dem Beschwerdeführer zu 1 auch nicht in der Beurteilung des Widerrufstatbestands des § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG als einer gemeinschaftswidrigen Diskriminierung deutscher Steuerberater zu folgen. Nach dieser Vorschrift ist die Bestellung als Steuerberater zu widerrufen, wenn der Steuerberater in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Auftraggeber nicht gefährdet sind; ein Vermögensverfall wird vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Steuerberaters eröffnet oder der Steuerberater in das vom Insolvenzgericht oder Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis eingetragen ist. Diese im Allgemeininteresse der Bundesrepublik Deutschland gebotene Regelung verstößt weder gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit (BFH-Urteil vom 4. Juli 2000 VII R 103/99, BFH/NV 2001, 69) noch gegen die gemeinschaftsrechtliche Niederlassungsfreiheit.
Die Berufsaufgaben des Steuerberaters dienen der Steuerrechtspflege, einem wichtigen Gemeinschaftsgut (BVerfG-Beschluss vom 15. Februar 1967 1 BvR 569, 589/62, BVerfGE 21, 173, 179). Dazu gehört auch die Wahrnehmung der Interessen der Steuerpflichtigen. Deren Interessen werden aber durch zerrüttete Vermögensverhältnisse des Steuerberaters potentiell gefährdet, weil die Gefahr besteht, dass der Steuerberater das Vertrauen seiner Auftraggeber missbraucht oder deren Interessen sonst durch den bestehenden oder vermuteten Vermögensverfall beeinträchtigt werden (vgl. BFH-Urteile vom 6. Dezember 1978 VII R 98/77, BFHE 126, 384, BStBl II 1979, 170, und vom 1. Juli 1981 VII R 84/80, BFHE 134, 79, BStBl II 1981, 740). Gegenüber dem Allgemeininteresse, diese Gefährdung von Auftraggeberinteressen zu vermeiden, muss das Interesse des betroffenen Steuerberaters an der Fortführung seines Berufs zurücktreten. Dabei ist die Regelung des § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG mit dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit vereinbar, denn die Ordnung seiner Vermögensverhältnisse liegt allein im Verantwortungsbereich des Steuerberaters und kann von ihm so gestaltet werden, dass sie mit den Anforderungen, die sein beruflicher Status an ihn stellt, übereinstimmt (BFH-Urteil in BFH/NV 2001, 69).
g) Nach alledem sieht der beschließende Senat in den beanstandeten Regelungen des StBerG keine unzulässige Beschränkung der durch Art. 43 ff. EG gewährleisteten Niederlassungsfreiheit und der durch Art. 49 ff. EG gewährleisteten Dienstleistungsfreiheit. Er hat insoweit auch keine vernünftigen Zweifel hinsichtlich der Auslegung der betreffenden Gemeinschaftsvorschriften in dem Sinne, dass mehrere Auslegungsmöglichkeiten denkbar wären (EuGH-Urteil vom 6. Oktober 1982 Rs. 283/81, EuGHE 1982, 3415). Im Streitfall ist daher, entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers zu 1, auch ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 Abs. 3 EG nicht erforderlich.
3. Die Beschwerde der Kläger gegen die Zurückweisung des Bevollmächtigten ist ―ihre Zulässigkeit unterstellt― aus den vorstehenden Gründen ebenfalls als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen