Entscheidungsstichwort (Thema)
Ordnungsgeld gegen nicht erschienenen Zeugen
Leitsatz (amtlich)
Erscheint ein ordnungsgemäß geladener Zeuge ohne ausreichende Entschuldigung nicht zu einem vom FG anberaumten Verhandlungstermin und erlegt ihm das FG daraufhin ein Ordnungsgeld auf, so können nachträglich vorgebrachte Entschuldigungsgründe nur dann zur Aufhebung dieser Maßnahme führen, wenn sie nicht schon im Vorfeld des Termins geltend gemacht werden konnten.
Normenkette
FGO § 82; ZPO §§ 380-381
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Beschwerdeführer ist von Beruf Steuerberater. Er war in einem beim Finanzgericht (FG) anhängigen Verfahren zu einer auf den 8. Februar 2007 anberaumten mündlichen Verhandlung als Zeuge geladen.
Am 6. Februar 2007 ging beim FG ein vom 5. Februar 2007 datierendes Schreiben des Beschwerdeführers ein, in dem es heißt, der Beschwerdeführer könne "aufgrund der kurzfristigen Ladung und bereits seit längerem bestehenden anderen Terminen" am 8. Februar 2007 nicht beim FG erscheinen. Er könne zudem zum Beweisthema keine Auskunft geben. Er bitte darum, ihn vom persönlichen Erscheinen zu entbinden; falls das FG sein persönliches Erscheinen dennoch wünsche, werde um einen kurzen Hinweis gebeten. Das FG antwortete darauf mit Telefax-Schreiben vom selben Tag, dass die Zeugenladung nicht aufgehoben werde.
Zur mündlichen Verhandlung vor dem FG erschien der Beschwerdeführer nicht. Deshalb erlegte ihm das FG ein Ordnungsgeld von 200 €, ersatzweise einen Tag Ordnungshaft, auf. Gegen den dahin gehenden Beschluss richtet sich die Beschwerde.
Zu deren Begründung hat der Beschwerdeführer die Ablichtung einer ärztlichen Bescheinigung vorgelegt, in der es heißt, dass er "sich in unserer Behandlung" befinde und "aufgrund einer Erkrankung … vom 01.02.06 bis 15.02.07 nicht reisefähig" gewesen sei. Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Das Finanzamt hat zu der Beschwerde nicht inhaltlich Stellung genommen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet. Die Festsetzung des Ordnungsgeldes durch das FG ist weder dem Grunde noch der Höhe nach zu beanstanden.
1. Nach § 82 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sind, soweit §§ 83 bis 89 FGO nicht abweichende Vorschriften enthalten, im finanzgerichtlichen Verfahren unter anderem die §§ 380 bis 382 der Zivilprozessordnung (ZPO) sinngemäß anzuwenden. Danach wird gegen einen ordnungsgemäß geladenen Zeugen, der nicht erscheint, ein Ordnungsgeld festgesetzt (§ 380 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Diese Maßnahme unterbleibt, wenn das Ausbleiben des Zeugen rechtzeitig genügend entschuldigt wird (§ 381 Abs. 1 Satz 1 ZPO); erfolgt die Entschuldigung nicht rechtzeitig, so unterbleibt die Festsetzung des Ordnungsmittels nur dann, wenn glaubhaft gemacht wird, dass den Zeugen an der Verspätung der Entschuldigung kein Verschulden trifft (§ 381 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Unter derselben Voraussetzung wird, wenn die genügende Entschuldigung nachträglich erfolgt, die getroffene Anordnung aufgehoben (§ 381 Abs. 1 Satz 3 ZPO).
2. Im Streitfall ist der Beschwerdeführer trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht zu der vom FG anberaumten Verhandlung erschienen. Er hatte dies im Vorfeld des Verhandlungstermins in Aussicht gestellt und dazu auf seine Terminsituation verwiesen. Damit hat er jedoch sein Ausbleiben nicht genügend entschuldigt, da die Zeugnispflicht anderen privaten und beruflichen Pflichten grundsätzlich vorgeht (Thomas/Putzo, Zivilprozessordnung, 27. Aufl., § 381 Rz 2). Ebenso hängt die Pflicht zum Erscheinen nicht davon ab, ob der Zeuge glaubt, über das Beweisthema etwas zu wissen (Stein/Jonas/Berger, ZPO, 22. Aufl., § 380 Rz 4, m.w.N.). Daher hat das FG gegen den Beschwerdeführer zu Recht ein Ordnungsgeld festgesetzt.
Die Rechtmäßigkeit dieser Maßnahme wird nicht dadurch berührt, dass das Fernbleiben des Beschwerdeführers das FG nicht zur Vertagung der mündlichen Verhandlung genötigt hat, sondern der Rechtsstreit in jener Verhandlung durch ein Endurteil abgeschlossen werden konnte. Denn die Festsetzung eines Ordnungsgeldes ist unter den Voraussetzungen des § 380 ZPO grundsätzlich auch dann geboten, wenn sich die Vernehmung des nicht erschienenen Zeugen als entbehrlich erweist (Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl., § 380 Rz 3, m.w.N.). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz wird zwar für Fallgestaltungen erwogen, in denen das Ausbleiben des Zeugen weder für die Beteiligten noch für das Gericht nachteilige Auswirkungen hatte und zudem den Zeugen nur ein geringes Verschulden trifft (Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 19. Juni 1972 13 W 73/72, Neue Juristische Wochenschrift 1972, 2093; Stein/Jonas/Berger, a.a.O., § 380 Rz 4, m.w.N.). Darum geht es im Streitfall jedoch nicht, da der Beschwerdeführer der gerichtlichen Ladung ersichtlich bewusst nicht nachgekommen ist. Daher muss über die Frage, ob § 380 ZPO in der genannten Weise einschränkend auszulegen ist, im vorliegenden Verfahren nicht abschließend entschieden werden.
3. Im Beschwerdeverfahren hat der Beschwerdeführer zwar eine ärztliche Bescheinigung eingereicht, ausweislich derer er in der Zeit vom 1. bis zum 15. Februar 2007 --und damit auch am Terminstag-- nicht reisefähig war. Dieser erst nachträglich geltend gemachte Verhinderungsgrund könnte aber gemäß § 82 FGO i.V.m. § 381 Abs. 1 Satz 3 ZPO nur dann zur Aufhebung der vom FG getroffenen Anordnung führen, wenn der Beschwerdeführer dargetan und glaubhaft gemacht hätte, dass er ihn nicht schon im Vorfeld des Verhandlungstermins vorbringen konnte. Dafür bietet sein Vortrag aber keinen Anhaltspunkt; vielmehr hat das FG zu Recht darauf hingewiesen, dass ein seit dem 1. Februar 2007 bestehender Mangel der Reisefähigkeit in dem Schreiben des Beschwerdeführers vom 5. Februar 2007 (Antrag auf Entbindung von der Pflicht zum Erscheinen) zumindest hilfsweise hätte geltend gemacht werden können.
Dass die in § 381 Abs. 1 Satz 3 ZPO genannte Voraussetzung hiernach nicht vorliegt, muss im Rahmen der Entscheidung über die Beschwerde berücksichtigt werden. In diesem Zusammenhang kann offenbleiben, ob dem mit einem Ordnungsmittel belegten Zeugen ein Wahlrecht des Inhalts zusteht, den betreffenden Beschluss mit der Beschwerde anzugreifen oder einen Antrag auf Aufhebung des Ordnungsmittels nach Maßgabe des § 381 ZPO zu stellen (so z.B. Bundesfinanzhof, Beschluss vom 29. März 1996 X B 198/95, BFH/NV 1996, 697; Thomas/Putzo, a.a.O., § 381 Rz 4; Stein/Jonas/Berger, a.a.O., § 381 Rz 22; a.A. MünchKommZPO/ Damrau, 2. Aufl., § 380 Rz 11). Auch wenn ein solches Wahlrecht gegeben ist, stehen die genannten Möglichkeiten nicht in der Weise beziehungslos nebeneinander, dass eine nachträgliche Entschuldigung im Beschwerdeverfahren unabhängig von den Voraussetzungen des § 381 ZPO durchgreifen muss. Denn bei einer solchen Betrachtungsweise könnten die in § 381 ZPO enthaltenen Beschränkungen der Entschuldigungsmöglichkeit unschwer dadurch umgangen werden, dass der unentschuldigt nicht erschienene Zeuge an Stelle eines Aufhebungsantrags eine Beschwerde einlegt; das wäre mit dem Ziel des § 381 ZPO, auf eine möglichst frühzeitige Benennung vorhandener Entschuldigungsgründe hinzuwirken, nicht vereinbar. Angesichts dessen kann unabhängig davon, ob der Beschwerdeführer die geltend gemachte Erkrankung hinreichend glaubhaft gemacht hat, dieser Entschuldigungsgrund nicht zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung des FG führen.
4. Schließlich begegnet die angefochtene Entscheidung auch im Hinblick auf die Höhe des festgesetzten Ordnungsgeldes keinen Bedenken. Das FG hat dazu ausgeführt, es sei zu berücksichtigen, dass einerseits der Beschwerdeführer als Steuerberater in besonderem Maße mit den Pflichten eines zur mündlichen Verhandlung geladenen Zeugen vertraut sei und dass andererseits sein Ausbleiben nicht zu einer Verzögerung des Rechtsstreits geführt habe. Diesen Überlegungen, denen der Beschwerdeführer nicht entgegengetreten ist, stimmt der Senat zu. Sie tragen die Bemessung des Ordnungsgeldes; zu einer Korrektur der Entscheidung besteht auch insoweit kein Anlass.
Fundstellen
Haufe-Index 1797982 |
BFH/NV 2007, 2018 |
BStBl II 2009, 605 |
BFHE 2008, 17 |
BFHE 218, 17 |
DB 2007, 2186 |
DStRE 2007, 1586 |
HFR 2007, 1131 |