Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorsitzendenentscheidung über Terminsverlegung nicht beschwerdefähig; nach Verfahrensbeendigung ist Beschwerde wegen Verweigerung von Akteneinsicht unzulässig
Leitsatz (NV)
1. Nach § 128 Abs. 2 der FGO zählen Beschlüsse über eine Vertagung zu den nach § 128 Abs. 1 FGO nicht beschwerdefähigen prozeßleitenden Verfügungen. Dies gilt auch für die Entscheidung des Vorsitzenden über die Terminsverlegung gemäß § 155 FGO i. V. m. § 227 der Zivilprozeßordnung.
2. Entscheidungen über die Art und Weise der beantragten Akteneinsicht sind keine prozeßleitenden Verfügungen i. S. des § 128 Abs. 2 FGO (vgl. BFH/NV 1995, 519 m. w. N.). Gegen sie ist grundsätzlich die Beschwerde gegeben.
3. Ist ein Verfahren durch FG-Urteil rechtskräftig abgeschlossen worden, steht fest, daß eine Entscheidung des BFH über die Akteneinsicht nicht mehr geeignet ist, dem Rechtsschutz des Beschwerdeführers zu dienen (Anschluß an BFH-Beschluß vom 7. Oktober 1987 II B 55/87, BFH/NV 1988, 646). Einer gegen die Verweigerung von Akteneinsicht seitens des FG eingelegten Beschwerde fehlt in diesem Falle das Rechtsschutzinteresse.
Normenkette
FGO §§ 78, 128, 155; ZPO §§ 227, 574
Tatbestand
Der Prozeßbevollmächtigte der Kläger begehrte im Klageschriftsatz vom 10. Januar 1995, ihm Akteneinsicht zu gewähren und hierfür die Akten an das Finanzamt (FA) X zu übersenden. Er legte trotz mehrfacher Aufforderung die auf ihn lautende Vollmacht der Kläger erst am 6. Juli 1995 vor, nachdem ein Gerichtsbescheid ergangen war und er die Ladung zur mündlichen Verhandlung am 19. Juli 1995 erhalten hatte. Er stellte gleichzeitig einen Antrag auf Terminsaufhebung oder -verlegung. Am 12. Juli 1995 teilte ihm eine Angestellte des Finanzgerichts (FG) mit, daß er nunmehr nach Vorlage der Prozeßvollmachten Akteneinsicht nehmen könne. "Eine Versendung der Akten ist aus Zeitgründen nicht mehr möglich." Der Mitteilung lag eine entsprechende Verfügung des Berichterstatters vom 12. Juli 1995 zugrunde.
Dagegen legte der Prozeßbevollmächtigte der Kläger in deren und im eigenen Namen am 14. Juli 1995 Beschwerde ein, weil ihm die beim FA X beantragte Akteneinsicht verweigert worden sei.
Am 17. Juli 1995 teilte der Vorsitzende des Senats beim FG dem Prozeßbevollmächtigten mit, daß er den Antrag auf Verlegung des Termins vom 19. Juli 1995 ablehne. Im übrigen lägen die Akten des Verfahrens für ihn am 19. Juli 1995 ab 8.00 Uhr bei der Geschäftsstelle des ... Senats zur Einsichtnahme bereit.
Hiergegen legte der Prozeßbevollmächtigte namens und im Auftrag der Kläger sowie im eigenen Namen am 18. Juli 1995 Beschwerde ein. Diese richtet sich sowohl gegen die Versagung der Terminsverlegung wie auch gegen die Ablehnung der beantragten Akteneinsicht beim FA X.
Am 19. Juli 1995 wurden dem Prozeßbevollmächtigten auf der Geschäftsstelle des FG die FG-Akte, die Gewerbesteuerakte, zwei Einkommensteuerakten und eine Einheitswertakte vorgelegt. Er unterschrieb mit dem Zusatz "aus FG-Akte Zust.-Urkunde 27. 2. 95", diese Akten eingesehen zu haben. In der mündlichen Verhandlung erklärte er, er habe keine Akteneinsicht genommen, sondern lediglich eine Kopie der Zustellungsurkunde sich übergeben lassen.
Das FG hat die Klage mit Urteil vom 19. Juli 1995 als unzulässig abgewiesen. Es hat die Revision nicht zugelassen. Gegen das Urteil ist ein Rechtsmittel nicht eingelegt worden.
Das FG hat den Beschwerden nicht abgeholfen.
Entscheidungsgründe
Die zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Beschwerden sind unzulässig.
Soweit sich die Beschwerde vom 18. Juli 1995 gegen die Ablehnung des Antrags auf Terminsverlegung richtete, ist sie nicht statthaft. Nach § 128 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zählen Beschlüsse über eine Vertagung zu den nach § 128 Abs. 1 FGO nicht beschwerdefähigen prozeßleitenden Verfügungen. Dies gilt auch für die Entscheidung des Vorsitzenden über die Terminsverlegung gemäß § 155 FGO i. V. m. § 227 der Zivilprozeßordnung.
Demgegenüber sind Entscheidungen über die Art und Weise der beantragten Akteneinsicht keine prozeßleitenden Verfügungen i. S. des § 128 Abs. 2 FGO (ständige Rechtsprechung, vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 6. September 1994 IV B 96/93, BFH/NV 1995, 519 m. w. N.). Gegen sie ist grundsätzlich die Beschwerde gegeben. Ob allerdings die Verfügung des Berichterstatters vom 12. Juli 1995, deren Inhalt dem Prozeßbevollmächtigten von der Gerichtsangestellten mitgeteilt wurde, als beschwerdefähige Entscheidung des Berichterstatters i. S. des § 128 Abs. 1 FGO anzusehen ist, läßt der Senat offen (verneinend zur Rechtslage vor dem 1. Januar 1993 BFH-Beschluß vom 19. Juni 1991 VIII B 145/90, BFH/NV 1992, 184). Die Beschwerden gegen die Versagung der Akteneinsicht beim FA X sind jedenfalls deshalb unzulässig, weil das Rechtsschutzbedürfnis für sie weggefallen ist. Ob hierfür bereits die Einsichtnahme in die Akten vor der mündlichen Verhandlung auf der Geschäftsstelle des FG (vgl. BFH- Beschluß vom 12. Juli 1991 III B 152/87, BFH/NV 1992, 49) ausreichte, mag im Hinblick auf die Behauptung des Prozeßbevollmächtigten, er habe die Akten nicht eingesehen, dahinstehen. Das Verfahren ist durch das FG-Urteil vom 19. Juli 1995 abgeschlossen worden. Das Urteil ist -- laut Auskunft der Geschäftsstelle beim FG -- am 25. Oktober 1995 rechtskräftig geworden. Damit steht fest, daß eine Entscheidung des BFH über die Akteneinsicht nicht mehr geeignet ist, dem Rechtsschutz des Beschwerdeführers zu dienen (BFH-Beschluß vom 7. Oktober 1987 II B 55/87, BFH/NV 1988, 646).
Der Senat sieht den Prozeßbevollmächtigten der Kläger als alleinigen Beschwerdeführer an; denn es ist nicht erkennbar, daß mit den Beschwerden Interessen der Mandanten verfolgt werden (vgl. BFH-Beschluß vom 20. Februar 1991 II B 182/90, BFH/NV 1991, 696). Der Prozeßbevollmächtigte hat nach § 135 Abs. 2 FGO die Kosten der Beschwerdeverfahren zu tragen.
Fundstellen
Haufe-Index 421096 |
BFH/NV 1996, 415 |