Entscheidungsstichwort (Thema)
Fehlerhafte Beweiswürdigung; Verstoß gegen die Denkgesetze bzw. allgemeine Erfahrungssätze; Verletzung der Amtsermittlungspflicht; verzichtbare Verfahrensmängel; Verstoß gegen die EMRK
Leitsatz (NV)
1. Nach ständiger Rechtsprechung wird mit der Behauptung, das FG habe Grundsätze der Beweiswürdigung fehlerhaft angewendet oder gegen Denkgesetze bzw. allgemeine Erfahrungssätze verstoßen, kein Verfahrensmangel bezeichnet, sondern ein erst im Rahmen einer bereits zugelassenen Revision zu prüfender Verstoß gegen materielles Recht gerügt.
2. Bei sog. verzichtbaren Verfahrensmängeln -- im Streitfall durch Nichterhebung angebotener Zeugenbeweise -- geht das Rügerecht jedenfalls bei vertretenen Klägern bereits durch das bloße Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge im finanzgerichtlichen Verfahren verloren.
Normenkette
EMRK Art. 6 Abs. 1; FGO § 76 Abs. 1 S. 1, § 115 Abs. 2 Nrn. 1, 3, Abs. 3 S. 3; ZPO § 295
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig. Sie ist deshalb durch Beschluß zu verwerfen (§132 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) haben innerhalb der Beschwerdefrist keine Verfahrensmängel entsprechend den gesetzlichen Anforderungen bezeichnet (§115 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 Satz 3 FGO). Das angefochtene Urteil ist dem Prozeßbevollmächtigten der Kläger gegen Empfangsbekenntnis am 22. April 1998 nach §5 Abs. 2 des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) zugestellt worden. Die einmonatige Frist zur Einlegung und Begründung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision (§115 Abs. 3 Satz 1 FGO) lief gemäß §54 Abs. 1 und 2 FGO am 22. Mai 1998 ab.
1. Die Behauptung einer fehlerhaften Beweiswürdigung durch das Finanzgericht (FG) kann regelmäßig nicht als Verfahrensmangel gerügt werden. Die Grundsätze über die Beweiswürdigung sind revisionsrechtlich dem materiellen Recht zuzurechnen (Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 23. April 1992 VIII B 49/90, BFHE 167, 488, BStBl II 1992, 671, unter 2. der Gründe, m. w. N.).
2. In gleicher Weise wird mit dem Vortrag, das FG habe gegen die Denkgesetze und allgemeinen Erfahrungssätze verstoßen, die materielle Unrichtigkeit des Urteils, nicht aber ein zur Zulassung der Revision führender Verfahrensmangel gerügt (vgl. BFH- Urteil vom 21. Dezember 1994 I R 98/93, BFHE 176, 413, BStBl II 1995, 419, unter II. A. der Gründe).
3. Soweit die Kläger geltend machen, entsprechend der bürgerlich-rechtlich nach §1601 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) bestehenden Unterhaltspflicht zwischen Verwandten in gerader Linie müsse eine Unterhaltszahlung auch steuerrechtlich abzugsfähig sein, wird die unzutreffende Anwendung materiellen Rechts behauptet. Eine solche Rüge kann indessen aufgrund der in §115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 FGO abschließend geregelten Zulassungsgründe nicht zur Zulassung der Revision führen, sondern nur im Rahmen einer zugelassenen Revision geltend gemacht werden.
4. Wird eine Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes nach §76 Abs. 1 Satz 1 FGO gerügt, so ist darzulegen, welche Tatsachen unaufgeklärt geblieben sind, obwohl sie aufklärungsbedürftig waren, bzw. welche Beweismittel das FG nicht erhoben hat, warum der Kläger nicht von sich aus Beweis angeboten hat und sich eine weitere Aufklärung bzw. Beweiserhebung dem FG nach dessen insoweit maßgebender materiell-rechtlicher Rechtsauffassung hätte aufdrängen müssen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer weiteren Sachaufklärung oder Beweisaufnahme voraussichtlich ergeben hätten, und schließlich, inwieweit das FG bei einer solchen Beweiserhebung zu einer anderen Entscheidung gekommen wäre (vgl. BFH-Beschluß vom 4. Dezember 1997 VIII B 18/97, BFH/NV 1998, 859, unter 1. a der Gründe, m. w. N.).
Zu diesen Voraussetzungen haben die Kläger nichts vorgetragen.
5. Soweit die Kläger auch die Nichterhebung angebotener Zeugenbeweise behaupten, handelt es sich um einen sog. verzichtbaren Verfahrensmangel. Bei verzichtbaren Verfahrensmängeln geht das Rügerecht jedenfalls bei -- wie im Streitfall -- fachkundig vertretenen Klägern bereits durch das bloße Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge verloren (§295 der Zivilprozeßordnung -- ZPO -- i. V. m. §155 FGO; BFH-Beschluß vom 17. Dezember 1997 VIII B 27/97, BFH/NV 1998, 1218, unter 3. der Gründe, m. w. N.).
Wird der Verstoß gegen Vorschriften des Prozeßrechts gerügt, auf deren Beachtung die Beteiligten verzichten können, so muß außerdem vorgetragen werden, daß der Verstoß in der Vorinstanz gerügt worden ist oder weshalb dem Beteiligten eine derartige Rüge nicht möglich gewesen ist (vgl. BFH- Beschluß vom 5. Juni 1991 II B 180/90, BFH/NV 1992, 397).
Die Kläger haben insoweit ebenfalls nichts vorgetragen.
Ausweislich der Sitzungsniederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem FG vom 16. März 1998 hat der anwesende Prozeßbevollmächtigte der Kläger keine Beweisanträge gestellt oder die Nichterhebung von schriftsätzlich angebotenen Beweisen beanstandet.
Die Beschwerde legt innerhalb der Beschwerdefrist ebensowenig dar, wann überhaupt und welche Beweise angeboten worden sein sollen.
6. Die vorstehenden Ausführungen gelten in gleicher Weise für die auf die unterlassene Zeugeneinvernahme gestützte Rüge eines Verstoßes gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes -- GG --, §96 Abs. 2 FGO). Auch insoweit handelt es sich um einen verzichtbaren Verfahrensmangel (vgl. BFH- Beschluß vom 3. Juni 1992 II B 192/91, BFH/NV 1993, 34).
7. Unbeschadet der Anwendbarkeit des Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (vgl. allgemein dazu Dörr in Sodan/Ziekow, Nomos-Kommentar zur Verwaltungsgerichtsordnung, Europäischer Verwaltungsrechtsschutz Rz. 574 f.) haben die Kläger weder einen Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren noch gegen den Grundsatz der Waffengleichheit (vgl. Dörr, a. a. O., Rz. 585) schlüssig gerügt.
Das Recht auf ein faires Verfahren gebietet es, daß den Parteien eines Streitverfahrens ausreichend, angemessen und gleiche Gelegenheit zur Stellungnahme in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht gegeben wird. Dies setzt voraus, daß jede Partei den Vortrag der Gegenseite sowie alle Beweisunterlagen zur Kenntnis nehmen kann und außerdem Gelegenheit erhält, sich dazu zu äußern. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, daß das FG dagegen verstoßen hätte.
Ebensowenig ist dargetan oder den Akten zu entnehmen, daß den Klägern die Möglichkeit zum Vortrag ihrer Angelegenheit im Vergleich zum Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt) beschränkt worden wäre. Eine angeblich unrichtige Beweiswürdigung durch das FG betrifft indessen, wie ausgeführt, nicht das Verfahren, sondern das materielle Recht.
8. Soweit die Kläger nach Ablauf der Beschwerdefrist die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache rügen bzw. weitere Verfahrensrügen erhoben haben, können diese Gründe bei der Prüfung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht mehr berücksichtigt werden (vgl. BFH-Beschluß vom 27. März 1992 III B 547/90, BFHE 168, 17, BStBl II 1992, 842, unter 1. der Gründe, m. w. N.).
Von einer weiteren Begründung wird nach Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs abgesehen.
Fundstellen
Haufe-Index 154236 |
BFH/NV 1999, 642 |