Entscheidungsstichwort (Thema)

Unzulässigkeit einer Feststellungsklage bei Möglichkeit zur Erhebung einer Anfechtungsklage

 

Leitsatz (NV)

1. Eine Klage mit dem Begehren festzustellen, dass die "Zugangsfiktion" in § 123 Satz 2 AO nicht gelte, ist unzulässig, da der Kläger seine Rechte insoweit auch durch eine Anfechtungsklage gegen das Verlangen des FA, einen Empfangsbevollmächtigten im Inland zu benennen, verfolgen kann.

2. Das Benennungsverlangen nach § 123 Satz 1 AO ist ein anfechtbarer Verwaltungsakt.

 

Normenkette

AO § 123; EG Art. 234; FGO § 96 Abs. 2, § 115 Abs. 2 Nrn. 1-3, § 116 Abs. 3 S. 3, § 119 Abs. 1; GG Art. 101 Abs. 1 S. 2, Art. 103 Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg (Urteil vom 03.11.2006; Aktenzeichen 12 K 234/06)

 

Gründe

Die Beschwerde ist unzulässig und deshalb zu verwerfen.

1. Die Revision ist nicht wegen eines Verfahrensmangels zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) stellt es zwar einen Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO dar, wenn über eine zulässige Klage nicht zur Sache, sondern durch Prozessurteil entschieden wird. In einem solchen Fall wird zugleich der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt (BFH-Beschlüsse vom 8. Juni 2004 XI B 46/02, BFH/NV 2004, 1417, und vom 16. April 2007 VII B 98/04, BFH/NV 2007, 1345, jeweils m.w.N.).

Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) haben einen solchen Verfahrensmangel aber weder schlüssig dargelegt, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO verlangt, noch liegt er vor.

Die Kläger wollten mit der von ihnen erhobenen Feststellungsklage (§ 41 FGO) die Feststellung erreichen, dass die "Zugangsfiktion" in § 123 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) für an sie gerichtete Schriftstücke des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--) nicht gelte. Die Kläger konnten ihre Rechte insoweit jedoch --wie das Finanzgericht (FG) zutreffend entschieden hat-- durch eine Anfechtungsklage gegen das Verlangen des FA, einen Empfangsbevollmächtigten im Inland zu benennen, verfolgen. Dies haben die Kläger auch getan. Das Benennungsverlangen gemäß § 123 Satz 1 AO ist ein anfechtbarer Verwaltungsakt (vgl. Tipke in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 123 AO Rz 5; Pahlke/Koenig/Pahlke, Abgabenordnung § 123 Rz 5, jeweils m.w.N.).

Soweit die Kläger geltend machen, es sei ihnen bei der Feststellungsklage darum gegangen, "rechtswidrigen Vollziehungsmaßnahmen" des FA "rechtzeitig entgegen zu wirken", ist darauf hinzuweisen, dass ein solches Begehren von ihrem (auch in der mündlichen Verhandlung vor dem FG gestellten) Klageantrag, über den das FG zu entscheiden hatte, nicht umfasst war. Das FG durfte über ein solches Begehren folglich nicht entscheiden (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO). Dies hat es zu Recht auch nicht getan.

b) Die von den Klägern erhobene Verfahrensrüge, das FG habe willkürlich ihr Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes --GG--, § 119 Nr. 1 FGO) und ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 96 Abs. 2 FGO) verletzt, weil es zu Unrecht von einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) gemäß Art. 234 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG) abgesehen habe, ist ebenfalls unschlüssig.

Zum einen waren die Ausführungen des FG zur Frage einer Vorlage an den EuGH nicht entscheidungserheblich. Das FG hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Die Erwägungen des FG zur Vorlage an den EuGH, die sich nur im Falle der Zulässigkeit der Klage stellen konnten, waren deshalb nicht tragend.

Zum anderen sind erstinstanzliche Gerichte nach Art. 234 Abs. 2 EG nicht zur Vorlage an den EuGH verpflichtet (BFH-Urteil vom 19. Juli 1994 VII R 107/93, BFHE 175, 192, BStBl II 1994, 875, unter II.2. der Gründe; BFH-Beschluss vom 27. November 2003 VII R 49/03, BFH/NV 2004, 521, unter II.2. letzter Absatz der Gründe, m.w.N.). Das gilt auch, wenn eine Zulassung des Rechtsmittels durch das oberste Gericht erforderlich ist (vgl. BFH-Beschluss vom 7. März 2003 VII B 282/02, juris, m.w.N.).

2. Die Zulassung der Revision kommt auch nicht nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 FGO in Betracht. Die Kläger haben in Bezug auf die tragenden Ausführungen des FG zur Unzulässigkeit der Klage keinen der vorgenannten Revisionszulassungsgründe schlüssig dargelegt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1855223

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