Entscheidungsstichwort (Thema)
Aussetzung des Verfahrens nach Ergehen eines Urteils
Leitsatz (NV)
Eine Beschwerde gegen einen die Aussetzung des Verfahrens ablehnenden Beschluß wird unzulässig, sobald der Rechtsstreit in der Sache durch Urteil abgeschlossen worden ist (Fall der sog. prozessualen Überholung).
Normenkette
FGO § 155; ZPO § 246 Abs. 1
Tatbestand
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) und ihres Ehemannes (Kläger) mit verkündetem Urteil nach mündlicher Verhandlung am 28. Mai 1990 abgewiesen. Vor Zustellung des Urteils am 3. September 1990 verstarb der Kläger am 21. Juli 1990. Am 22.August 1990 beantragte der Prozeßbevollmächtigte der Kläger, das Verfahren auszusetzen, weil der Kläger verstorben und die Rechtsnachfolge ungeklärt sei.
Das FG wies diesen Antrag durch Beschluß vom 25. September 1990 mit der Begründung als unzulässig zurück, in der Person der Klägerin seien keine Aussetzungsgründe ersichtlich und hinsichtlich des verstorbenen Klägers fehle das Rechtsschutzinteresse für eine Verfahrensaussetzung, weil der Antrag eine abgewiesene Klage betreffe.
Hiergegen hat die Klägerin Beschwerde mit der Begründung eingelegt, die Voraussetzungen des § 246 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO) lägen im Streitfall vor, denn eine Partei sei verstorben. Das Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag sei zu bejahen, denn es sei abzuklären, ob sie, die Klägerin, allein oder zusammen mit einer Erbengemeinschaft das Verfahren weiterbetreiben und Nichtzulassungsbeschwerde erheben solle.
Die Beschwerde der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil wegen Nichtzulassung der Revision hat der erkennende Senat mit Beschluß vom selben Tage zurückgewiesen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde der Klägerin gegen den die Aussetzung des Verfahrens ablehnenden Beschluß des FG ist unzulässig. Nachdem die Klagen gegen die Erlaß und Stundung der Einkommensteuer ablehnenden Bescheide durch Urteil rechtskräftig abgewiesen worden sind, fehlt der Klägerin das Rechtsschutzbedürfnis für ihre Beschwerde. Da der Prozeßbevollmächtigte für den verstorbenen Kläger keine Nichtzulassungsbeschwerde erhoben hat, ist das Urteil insoweit am 4. Oktober 1990 und im übrigen mit der Ablehnung der Beschwerde durch den erkennenden Senat am heutigen Tag (§ 115 Abs. 5 Satz 3 der Finanzerichtsordnung - FGO -) rechtskräftig geworden.
Eine Beschwerde gegen einen die Aussetzung des Verfahrens ablehnenden Beschluß wird unzulässig, sobald der Rechtsstreit in der Sache durch Urteil abgeschlossen worden ist. In einem solchen Fall der sog. prozessualen Überholung ist es dem Beschwerdegericht unmöglich geworden, den die Aussetzung ablehnenden Beschluß - sofern er rechtsfehlerhaft sein sollte - aufzuheben und das Verfahren bei der Vorinstanz in den Stand vor Ergehen des ablehnenden Beschlusses zurückzuversetzen (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs vom 12. Oktober 1988 IX B 111/86, BFH/NV 1989, 447, und des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 22.Dezember 1972 IV B 443/72, Die Öffentliche Verwaltung 1973, 278).
Eine Überprüfung der Entscheidung des FG über das Aussetzungsbegehren ist dem Senat nach alledem verwehrt. Unentschieden bleibt daher insbesondere auch, ob das FG zu Recht eine Ausnahme von § 246 Abs. 1 ZPO für den Fall angenommen hat, daß sich das Aussetzungsbegehren gegen eine abweisungsreife und abgewiesene Klage richtet (ablehnend z.B. Feiber in Münchener Kommentar zur Zivilprozeßordnung, Bd.1, 1992, § 246 Anm.19 m.w.N.).
Fundstellen
Haufe-Index 418899 |
BFH/NV 1993, 426 |