Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung einer Erledigungserklärung

 

Leitsatz (NV)

Eine Erklärung über die Erledigung in der Hauptsache muß nicht als solche bezeichnet werden. Es genügt, wenn die Partei das erledigende Ereignis anzeigt und zugleich hinreichend deutlich werden läßt, daß sie ihren ursprünglichen Antrag als gegenstandslos behandelt wissen will.

 

Normenkette

FGO § 138 Abs. 1; BFHEntlG Art. 1 Nr. 4

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

Die Beschwerdeführerin beantragte gemäß § 152 der Finanzgerichtsordnung (FGO) wegen Forderungen aus zwei Kostenfestsetzungsbeschlüssen die Verfügung der Vollstreckung gegen das Finanzamt (FA). Das FA teilte dem Finanzgericht (FG) innerhalb der von diesem gesetzten Frist mit, die zuständige Kasse sei angewiesen worden, die sich aus den Kostenfestsetzungsbeschlüssen ergebenden Kosten einschließlich Zinsen an die Beschwerdeführerin zu überweisen. Diese zeigte dem FG zunächst an, die Zahlung auf eine Kostenforderung sei eingegangen, die auf die andere Forderung könne dagegen nicht festgestellt werden; insoweit werde Verfügung der Vollstreckung beantragt. Mit Schreiben vom 3. Juli 1984 teilte die Beschwerdeführerin dem FG mit, inzwischen sei auch die andere Forderung beglichen worden, Zwangsvollstreckungsmaßnahmen seien daher nicht mehr erforderlich.

Durch den angefochtenen Beschluß lehnte das FG den Antrag ab, weil dieser wegen Wegfalls des Rechtsschutzinteresses infolge zwischenzeitlicher Begleichung der Kostenforderungen unzulässig sei, und er legte der Beschwerdeführerin gemäß § 135 Abs. 1 FGO die Kosten auf.

Mit ihrer Beschwerde gegen diesen Beschluß macht die Beschwerdeführerin geltend, in ihrer Mitteilung vom 3. Juli 1984 liege eine Erledigungserklärung. Über die Kosten hätte deshalb gemäß § 138 Abs. 1 FGO, nach dem Sach- und Streitstand zuungunsten des FA, entschieden werden müssen.

Das FA meint, in der Mitteilung der Beschwerdeführerin sei keine Erledigungserklärung zu sehen, dies insbesondere, weil die Beschwerdeführerin anwaltlich vertreten sei und daher eindeutige prozessuale Willenserklärungen erwartet werden könnten.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist zulässig. Ihrer Zulässigkeit steht nicht Art. 1 Nr. 4 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) vom 8. Juli 1975 (BGBl I 1975, 1861, BStBl I 1975, 932) i. d. F. des Gesetzes vom 4. August 1980 (BGBl I 1980, 1147, BStBl I 1980, 462) entgegen, weil sie sich, obwohl es der Beschwerdeführerin um Vermeidung einer ihr ungünstigen Kostenentscheidung geht, nicht gegen eine solche Entscheidung richtet, sondern gegen eine Sachentscheidung, hier die Zurückweisung ihres ursprünglichen Antrags.

Die Beschwerde ist auch begründet. Aus der Ablehnung des ursprünglichen Antrags der Beschwerdeführerin wegen Wegfalls des Rechtsschutzinteresses ergibt sich, daß das FG davon ausgegangen ist, trotz tatsächlich eingetretener Erledigung der Hauptsache - durch Begleichung der Kostenforderungen - sei eine Erledigungserklärung durch die Beschwerdeführerin nicht abgegeben worden. Diese Annahme ist unrichtig. Die Beschwerdeführerin hat zwar nicht ausdrücklich die Hauptsache für erledigt erklärt, jedoch das erledigende Ereignis angezeigt und zugleich hinreichend deutlich erkennen lassen, daß sie ihren ursprünglichen Antrag als gegenstandslos behandelt wissen wollte. Das genügt als Erledigungserklärung, denn auch bei einer prozessualen Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Ausdruck zu haften (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 5. Dezember 1967 III R 69/67, BFHE 91, 20, BStBl II 1968, 203). Dieser Grundsatz gilt auch für Erklärungen der anwaltlich vertretenen Partei, mag es auch im allgemeinen angebracht sein, bei Erklärungen, die eine Partei durch fachkundige Dritte, insbesondere berufsmäßige Vertreter, abgibt, dem Wortsinn eine stärkere Bedeutung beizulegen als bei Erklärungen einer nicht derart vertretenen Partei. Es erscheint jedoch selbst bei Anlegung eines strengen Maßstabes ausgeschlossen, daß die Beschwerdeführerin nach tatsächlicher Erledigung durch Zahlungseingang auf eine Sachentscheidung Wert legte, die - ohne Erledigungserklärung - wie vom FG entschieden ausfallen mußte.

Das FA hat sich zwar der Erledigungserklärung durch die Beschwerdeführerin nicht angeschlossen, doch muß sein Schweigen auch nicht als Widerspruch anzusehen sein (vgl. BFH-Beschluß vom 5. März 1979 GrS 4/78, BFHE 127, 147, 153, BStBl II 1979, 375, 378). Mit Rücksicht auf die tatsächlich eingetretene Erledigung erscheint es sogar geboten, von einer unwidersprochen gebliebenen Erledigungserklärung der Beschwerdeführerin auszugehen.

Über die Kosten des Antragsverfahrens ist gemäß § 138 Abs. 1 FGO zu entscheiden. An einer eigenen Entscheidung sieht sich der Senat durch Art. 1 Nr. 4 BFHEntlG gehindert. Er muß vielmehr von der auch im Beschwerdeverfahren bestehenden Möglichkeit der Zurückverweisung (vgl. BFH-Beschlüsse vom 5. Februar 1975 II B 29/74, BFHE 115, 12, 17, BStBl II 1975, 465, 467, und vom 8. Juli 1980 VII B 18/80, BFHE 131, 12, 13, BStBl II 1980, 657) Gebrauch machen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413736

BFH/NV 1986, 44

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