Entscheidungsstichwort (Thema)
Anhörungsrüge; übergangener Tatsachenvortrag
Leitsatz (NV)
1. Die Anhörungsrüge beim BFH gegenüber einem die Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschluss des BFH unterliegt keinem Vertretungszwang.
2. Mit welchen vorgetragenen Tatsachen sich das Gericht in seiner Entscheidung auseinandersetzen muss, ergibt sich aus den rechtlichen Prüfungsmaßstäben.
Normenkette
GG Art. 103 Abs. 1; FGO §§ 62a, 133a
Tatbestand
I. Der Senat hat durch Beschluss vom 19. Oktober 2007 IX S 15/07 (PKH) den Antrag der Antragstellerin und Rügeführerin (Antragstellerin) auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für ihren Rechtsstreit als Beschwerdeführerin wegen Einkommensteuer 1984 bis 1993 (Nichtzulassung der Revision) abgelehnt. Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Anhörungsrüge, hilfsweise erhebt sie Gegenvorstellung.
Zur Begründung trägt sie vor, weder das Finanzgericht (FG) noch der Bundesfinanzhof (BFH) habe ihre Anträge in der Klageschrift beachtet, die sie zusammen mit weiteren Schriftsätzen auch zum Gegenstand des Gesuchs an den BFH erklärt habe. Im Zusammenhang mit der Richterablehnung habe sie einen Beschluss des FG nicht erhalten. Überdies wendet sie sich gegen die Besteuerung ihrer als Mitglied einer Erbengemeinschaft zugerechneten Einkünfte.
Entscheidungsgründe
II. 1. Anhörungsrüge
a) Die Anhörungsrüge ist entgegen der Auffassung des Beklagten (Finanzamt --FA--) nicht bereits deshalb als unzulässig zu verwerfen, weil die Antragstellerin sich persönlich und nicht durch eine vor dem BFH vertretungsberechtigte Person an den BFH gewandt hat (vgl. § 133a Abs. 2 Satz 5 i.V.m. § 62a der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Weil der Vertretungszwang nicht für den beim BFH als Prozessgericht zu stellenden Antrag auf Bewilligung von PKH gilt, gilt er auch nicht für das auf die Fortführung dieses Verfahrens gerichtete Begehren nach § 133a Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 Satz 2 FGO (BFH-Beschluss vom 13. Dezember 2005 VI S 18/05, BFH/NV 2006, 764).
b) Die Anhörungsrüge ist indes unbegründet und durch Beschluss zurückzuweisen (§ 133a Abs. 4 Sätze 2, 3 FGO). Der Anspruch der Antragstellerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs wurde im Beschwerdeverfahren nicht verletzt.
Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) gewährleistet den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens das Recht, vor Gericht Anträge zu stellen und Ausführungen zu machen. Dem entspricht die Pflicht des Gerichts, die Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen, sofern das Vorbringen nicht nach den Prozessvorschriften ausnahmsweise unberücksichtigt bleiben muss oder kann (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschluss vom 26. März 2007 II S 1/07, BFH/NV 2007, 1094, m.w.N.).
Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen eines Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat, zumal es nach Art. 103 Abs. 1 GG nicht verpflichtet ist, sich mit jedem Vorbringen in der Begründung seiner Entscheidung ausdrücklich zu befassen. Der Umstand allein, dass sich die Entscheidungsgründe mit einem bestimmten Gesichtspunkt nicht ausdrücklich auseinander setzen, rechtfertigt grundsätzlich nicht die Annahme, das Gericht habe den Gesichtspunkt unter Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör übergangen. Dieser wird auch nicht dadurch verletzt, dass das Gericht der Rechtsansicht eines Beteiligten nicht folgt. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör liegt daher nur dann vor, wenn sich aus den besonderen Umständen des einzelnen Falles deutlich ergibt, dass das Gericht ein tatsächliches Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat (vgl. BFH-Beschlüsse vom 30. August 2007 IX S 6/07, BFH/NV 2007, 2324 und in BFH/NV 2007, 1094). Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben.
Die Antragstellerin rügt, der BFH habe von ihr im Klageverfahren eingereichte Schriftsätze nicht zur Kenntnis genommen. Dies trifft aber nicht zu. Allein daraus, dass der angegriffene Beschluss sich dazu nicht verhält, kann nicht geschlossen werden, der Senat habe die darin vorgetragenen Tatsachen nicht in Erwägung gezogen. Der Senat musste prüfen, ob er für die Nichtzulassungsbeschwerde PKH gewährt. Er musste sich deshalb mit den hinreichenden Erfolgsaussichten der Nichtzulassungsbeschwerde und damit mit den Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO beschäftigen. Er hatte lediglich zu klären, ob die Rechtssache grundsätzlich bedeutsam ist oder die Antragsstellerin einen Verfahrensfehler geltend gemacht hat und durfte die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide nicht überprüfen. Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab entsprach die Art und Weise, in welchem Umfang er sich mit dem Vorbringen der Antragstellerin im Klageverfahren auseinander setzen musste. Der erkennende Senat kam in dem angegriffenen Beschluss zu dem Ergebnis, dass die von der Antragstellerin in der Begründung ihrer Nichtzulassungsbeschwerde wie auch in dieser Rüge hervorgehobene Frage (Zurechnung der Einkünfte aus der Erbengemeinschaft) nicht in einem Verfahren geklärt werden kann, das --wie hier-- die Einkommensteuer 1984 bis 1993 der Antragstellerin betrifft, weil das FG --wie auch der BFH-- kraft Gesetzes an den gegenüber der Erbengemeinschaft erlassenen Grundlagenbescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte der Erbengemeinschaft gebunden ist. Es durfte über die dort festgestellten --und entgegen der Rügeschrift nicht lediglich fiktiven-- Einkünfte mithin nicht entscheiden.
Soweit die Antragstellerin in Bezug auf die Richterablehnung geltend macht, sie habe den Ablehnungsbeschluss des FG nicht erhalten, rügt sie keine Verletzung des rechtlichen Gehörs durch den BFH, sondern ergänzt ihre Darlegungen mit der Intention, die angegriffene Entscheidung in der Sache nochmals zu überprüfen. Das kann sie aber mit einer Anhörungsrüge nicht erreichen (vgl. BFH-Beschluss vom 17. Juni 2005 VI S 3/05, BFHE 209, 419, BStBl II 2005, 614). Überdies ergibt sich aus der vom FA in der Rügeerwiderung überreichten Postzustellungsurkunde, dass der Antragstellerin der FG-Beschluss ordnungsgemäß zugestellt wurde.
2. Gegenvorstellung
Die hilfsweise eingelegte Gegenvorstellung hat unbeschadet ihrer Statthaftigkeit (vgl. dazu eingehend BFH-Beschluss vom 26. September 2007 V S 10/07, BFH/NV 2008, 165) schon deshalb keinen Erfolg, weil damit nur geltend gemacht werden kann, dass die beanstandete Entscheidung unter keinem denkbaren Gesichtspunkt vertretbar erscheint und jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 14. November 2006 IX S 14/06, BFH/NV 2007, 474). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
Fundstellen
Haufe-Index 1954255 |
BFH/NV 2008, 808 |