Leitsatz (amtlich)
Die bei Rücknahme der Revision ermäßigte Gebühr bezog sich auf die erhöhte Gebühr nach § 34 GKG a. F., nicht auf die "volle" Gebühr nach § 36 GKG a. F.
Normenkette
FGO a.F. § 140 Abs. 1, § 141 S. 2; GKG a.F. §§ 34, 36
Tatbestand
Streitig ist, ob in den Fällen des unterdessen durch Art. 4 § 2 des Gesetzes zur Änderung des Gerichtskostengesetzes und anderer Vorschriften vom 20. August 1975 (BGBl I, 2189) aufgehobenen § 141 Satz 2 der FGO unter entsprechender Anwendung des ebenfalls durch das vorgenannte Gesetz aufgehobenen (Art. 1 Nr. 32) § 36 des Gerichtskostengesetzes (GKG) die dort vorgesehene "volle" Gebühr oder die gemäß dem durch die gleiche Vorschrift aufgehobenen § 34 GKG bei der Einlegung der Revision entstehende doppelte Prozeßgebühr auf die Hälfte zu ermäßigen ist.
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hatte gegen zwei klageabweisende Urteile des FG Revisionen eingelegt, diese aber später zurückgenommen. Durch zwei berichtigte Kostenrechnungen vom 25. Januar 1971 setzte der Kostenbeamte des FG die beim BFH entstandenen Gerichtskosten auf die Hälfte einer gemäß § 34 GKG a. F. erhöhten Gebühr fest. Das FG Düsseldorf wies die dagegen eingelegten Erinnerungen durch Beschlüsse vom 28. Februar 1974 V 308/71 EK (EFG 1974, 215) und V 309/71 EK (nicht veröffentlicht) als unbegründet zurück und ließ die Beschwerden zu.
Das FG hielt § 140 Abs. 1 FGO a. F. in Verbindung mit § 36 GKG a. F. deshalb nicht für anwendbar, weil die Revision der "Gruppe der Rechtsbehelfe" (vgl. § 136 Abs. 2 FGO) in § 141 Satz 2 FGO a. F. zugeordnet sei, für deren Rücknahme eine gebührenmäßige Sonderregelung getroffen worden sei. In § 36 GKG a. F. sei ausdrücklich die "volle Prozeßgebühr" genannt, während nach. § 141 Satz 2 FGO a. F. "die Gebühr" auf die Hälfte ermäßigt werde, also die durch die Einlegung der Revision entstandene erhöhte Gebühr gemäß § 34 GKG a. F.
Mit ihren Beschwerden beantragt die Klägerin, unter Aufhebung der Vorentscheidungen den Erinnerungen stattzugeben und die Kostenrechnungen um 45,50 DM bzw. 43 DM herabzusetzen.
Nach Ansicht der Klägerin findet § 36 GKG a. F. entsprechende Anwendung, da es nicht die Absicht des Gesetzgebers der FGO gewesen sei, die Kosten einer zurückgenommenen Revision anders als im Verfahren nach der ZPO zu regeln, wie sich aus § 141 FGO a. F. ergebe.
Der Vertreter der Staatskasse beim BFH als Beschwerdegegner verweist dagegen auf die Entstehungsgeschichte des § 141 FGO a. F. In den Entwürfen zur FGO habe sich das Wort "Gebühr" auf die vorgesehene Pauschalgebühr, also im Falle der Revision auf das Vierfache der Gebühr des § 10 GKG a. F., als den für das Revisionsverfahren vorgesehenen Gebührensatz bezogen. Nach Wegfall der vorgesehenen Dreistufigkeit seien aber die wegen der Einführung der Oberfinanzgerichte für notwendig erachteten Änderungen der Kostenregelung nicht wieder geändert worden. Es sei schließlich bei der sinngemäßen Anwendung des Gerichtskostengesetzes in § 140 Abs. 1 FGO a. F. und bei der Bestimmung des § 141 FGO a. F. geblieben, in dem sich das Wort "Gebühr" auf die pauschalierte Gebühr des im Entwurf der FGO enthaltenen § 134 mit der Folge bezogen habe, daß damit der für das Revisionsverfahren vorgesehene Gebührensatz, nämlich nunmehr die doppelte Gebühr nach § 34 GKG a. F. gemeint sei. Damit sei bei Verwerfung der Revision als unzulässig im finanzgerichtlichen Verfahren aufgrund des § 140 Abs. 1 FGO a. F. in sinngemäßer Anwendung des § 36 Abs. 1 GKG a. F. die Prozeßgebühr mit der Hälfte der einfachen (vollen) Gebühr zu berechnen, während im Falle der Zurücknahme des Rechtsbehelfs (und der Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache) bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 141 Satz 2 FGO a. F. aufgrund dieser Sondervorschrift der Prozeßgebühr die nach § 34 GKG a. F. verdoppelte (volle) Gebühr zugrunde zu legen sei.
Entscheidungsgründe
Die zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Beschwerden sind nicht begründet.
Streitig ist, ob in den Fällen des § 141 Satz 2 FGO a. F. die gemäß § 34 GKG für das Revisionsverfahren maßgebliche doppelte Prozeßgebühr auf die Hälfte zu ermäßigen ist. Grundsätzlich waren nach § 140 Abs. 1 FGO a. F. die Vorschriften des Gerichtskostengesetzes auf die Gerichtskosten sinngemäß anzuwenden, soweit die FGO nicht etwas anderes bestimmte. Eine solche andere Bestimmung war in § 141 FGO a. F. zu sehen (vgl. Becker-Riewald-Koch, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., Anm. 1 zu § 141 FGO). In der vergleichbaren Vorschrift des § 36 GKG a. F. war nur von den Rechtsmitteln der Berufung oder Revision die Rede. Außerdem regelte diese Vorschrift in erster Linie in Satz 1 die Ermäßigung auf die Hälfte der vollen Gebühr im Falle der Verwerfung der Berufung oder Revision durch Beschluß als unzulässig und dehnte diese Regelung erst in Satz 2 auf die Rücknahme des Rechtsmittels vor Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung aus. Nach § 141 Satz 2 FGO a. F. ermäßigte sich aber die im finanzgerichtlichen Verfahren entstandene "Gebühr" auf die Hälfte, wenn der Rechtsbehelf zurückgenommen wurde, bevor ein Vorbescheid ergangen, mit der Erörterung der Streitsache in mündlicher Verhandlung begonnen worden oder eine den Rechtsstreit beendende Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergangen ist. Unter der "Gebühr" kann, wenn nichts anderes gesagt ist, nur die für das jeweils in Frage stehende (erst- oder zweitinstanzliche) Verfahren gemeint sein.
Es mag sein, daß nach dem Wegfall der in den Entwürfen zur Finanzgerichtsordnung ursprünglich vorgesehenen Oberfinanzgerichte übersehen wurde, die Kostenvorschriften entsprechend zu ändern. In Anbetracht des Gesetzeswortlauts ist aber den Gerichten versagt, in die Befugnisse des Gesetzgebers einzugreifen und das Gesetz zu ändern, es sei denn, die Anwendung des Gesetzes führe zu einem sinnwidrigen Ergebnis. Das ist aber schon in Anbetracht der gezeigten unterschiedlichen Regelungen der Verfahren nach der FGO und der ZPO nicht der Fall. Darüber hinaus ergibt sich bei der dem Wortlaut entsprechenden Auslegung aber sogar insofern ein sinnvolles Ergebnis, als bei Rücknahme der Revision die Gebühr in genau der doppelten Höhe entsteht wie bei Rücknahme der Klage, was ebenfalls nach der Regelung im GKG der Fall ist. Dies zeigt das folgende Beispiel:
"Volle" (= erstinstanzliche) Gebühr: 100 DM
Ermäßigung
bei Rücknahme der Klage nach § 141
Satz 2 FGO a. F. auf die Hälfte von 100 DM: 50 DM
bei Rücknahme der Revision nach § 141 Satz 2 FGO a. F.
in Verbindung mit § 34 GKG a. F. auf die Hälfte von 200 DM: 100 DM
bei Rücknahme der Klage nach § 35 Abs. 2 GKG a. F.
auf ein Viertel von 100 DM: 25 DM
bei Rücknahme der Revision nach § 36 Satz 2 GKG a. F.
auf die Hälfte von 100 DM: 50 DM
Fundstellen
Haufe-Index 71611 |
BStBl II 1976, 430 |
BFHE 1976, 155 |