Entscheidungsstichwort (Thema)
NZB gegen ein Urteil mit gemäß § 105 Abs. 5 Satz 1 FGO abgekürzter Begründung
Leitsatz (NV)
1. Weder § 105 Abs. 5 Satz 1 noch § 115 FGO beschränken die Statthaftigkeit einer NZB gegen ein Urteil mit abgekürzter Begründung.
2. Zu den Anforderungen aus § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO an die Begründung einer auf § 115 Abs. 2 Nr. 3 i. V. m. § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO gestützten NZB.
3. Bei der Prüfung einer auf § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO gestützten NZB darf § 126 Abs. 4 FGO berücksichtigt werden.
Normenkette
FGO § 76 Abs. 1 S. 1, § 105 Abs. 5 S. 1, § 115 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 S. 3, § 126 Abs. 4
Tatbestand
Der Kl. betreibt eine Metzgerei. Bei einer im Jahre 1984 vorgenommenen Außenprüfung für die Streitjahre (1980 bis 1982) kam der Prüfer zu dem Ergebnis, daß die Bemessungsgrundlage des dem Steuersatz von 6,5 v. H. zu unterwerfenden Eigenverbrauchs i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a (UStG 1980 im Hinblick auf die Erweiterung des Warensortiments um 1 500 DM pro Streitjahr heraufzusetzen sei (Tz. . . . des Betriebsprüfungsberichtes). Das FA folgte dem in einem auf § 164 Abs. 2 AO 1977 gestützten USt-Sammelbescheid 1980 bis 1982 vom 1. November 1984.
Der vom Kl. hiergegen eingelegte Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 28. Mai 1986 als unbegründet zurückgewiesen. In der Einspruchsentscheidung sind Waren aufgeführt, die nach den Feststellungen des FA vom Kl. außer den Metzgereierzeugnissen zum Kauf angeboten worden sind.
Die vom Kl. erhobene Klage ist durch das FG mit einem - gemäß § 105 Abs. 5 Satz 1 FGO abgekürzt begründeten - Urteil abgewiesen worden, das keinen Ausspruch über eine Zulassung der Revision enthält. Im Urteil ist im Anschluß an die Feststellung des FG, daß es, das FG, der Begründung der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf folge, ,,ergänzend" u. a. ausgeführt, der Kl. weise in der Klagebegründung selbst auf die Abweichung seines Sortiments gegenüber typischen Metzgereien hin.
Gegen das seinem Prozeßbevollmächtigten am 2. März 1987 zugestellte Urteil hat der Kl. Nichtzulassungsbeschwerde erhoben und hat hierzu vorgebracht:
,,1. Sachverhalt
In der Urteilsbegründung heißt es: ,Der Kläger weist selbst in seiner Klagebegründung auf die Abweichung seines Sortiments gegenüber typischen Fleischereien hin.` Die Klageschrift enthält keine derartige Feststellung. Wenn Kläger und Beklagter insoweit gleicher Ansicht wären, würde der Kläger nicht klagen. Die Klageschrift enthält keinen Satz, in der die Begriffe ,Sortiment` und ,typische Fleischerei` zu einer Sinneinheit verknüpft werden.
2. Gesetz
Die Klageschrift stützt sich auf §§ 88 und 199 AO. Das Urteil stützt sich auf keinen Paragraphen, also auf kein Gesetz.
3. Rechtssystematik
In § 3 AO heißt es: ,Steuern sind Geldleistungen, die . . . allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft.` In der Urteilsbegründung heißt es: ,Das Warensortiment ermöglicht Entnahmen . . .` Steuergesetze schließen an den wirklichen Sachverhalt an; nicht an einen möglichen.
Es wird beantragt, die Revision zuzulassen."
Weitere Ausführungen zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde hat der Kl. mit Schriftsatz vom 21. April 1987 und späteren Schriftsätzen gemacht.
Das FA beantragt, die Nichtzulassungsbeschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde wird als unzulässig verworfen; denn sie erfüllt nicht die formellen Anforderungen an die Beschwerdebegründung.
1. Gegen die Statthaftigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde bestehen nicht Bedenken im Hinblick darauf, daß sich die Beschwerde gegen ein Urteil mit gemäß § 105 Abs. 5 Satz 1 FGO abgekürzter Begründung richtet. Weder die zitierte Vorschrift noch der die Nichtzulassungsbeschwerde regelnde § 115 FGO sehen insoweit Beschränkungen der Statthaftigkeit vor.
2. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist jedoch unzulässig, weil ihre Begründung nicht den in § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO festgelegten formellen Anforderungen genügt.
a) Der Kl. will sich offenbar auf den Zulassungsgrund aus § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO berufen, wonach die Revision zuzulassen ist, wenn bei einem geltend gemachten Verfahrensmangel die angefochtene Entscheidung auf dem Verfahrensmangel beruhen kann. Ein solches Begehren des Kl. geht daraus hervor, daß dieser sich in der Beschwerdeschrift gegen die in der Vorentscheidung enthaltene Bemerkung des FG wendet, er selbst habe in der Klageschrift auf die Abweichung seines Sortiments von dem typischer Metzgereien hingewiesen, und daß er geltend macht, die Klageschrift enthalte keine diesbezügliche Äußerung. Damit will der Kl. offensichtlich rügen, das FG habe gegen dessen durch § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO festgelegte Pflicht verstoßen, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen.
b) Im Falle der Berufung auf den Zulassungsgrund aus § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO muß gemäß § 115 Abs. 1 Sätze 1 und 3 FGO vor Ablauf der einmonatigen Beschwerdefrist der Verfahrensmangel bezeichnet werden (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 115 Anm. 55). Ein solches Bezeichnen setzt im Falle der Rüge eines Verstoßes gegen die Amtsermittlungspflicht neben Darlegungen zum Vorhandensein des geltend gemachten Verfahrensmangels (vgl. hierzu Gräber/Ruban, a. a. O., § 115 Anm. 65 i. V. m. § 120 Anm. 40) ferner voraus, daß der Beschwerdeführer aufzeigt, inwiefern die angefochtene Entscheidung auf dem Verfahrensmangel beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Aus dem Vorbringen muß mindestens die Möglichkeit hervorgehen, daß die Vorentscheidung bei Vermeidung des Verfahrensmangels für den Beschwerdeführer günstiger ausgefallen wäre (vgl. Gräber/Ruban, a. a. O., § 115 Anm. 34).
c) Der erforderliche Zusammenhang zwischen geltend gemachtem Verfahrensmangel und Ausgang des Rechtsstreits ergibt sich im vorliegenden Fall weder - sozusagen - von selbst, noch wird er durch die Beschwerdeschrift aufgezeigt.
aa) Der Rechtsstreit wird wegen des Umfanges von Eigenverbrauch i. S. von § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a UStG 1980 geführt. Hierfür spielt u. a. eine Rolle, ob das Warensortiment des Kl. sich im Rahmen des typischen Sortiments von Metzgereien hält oder darüber hinausgeht, so daß für den Eigenverbrauch zusätzliche Warengruppen in Betracht kommen. Für das zu berücksichtigende Warensortiment des Kl. sind die wirklichen Verhältnisse maßgebend. Ob der Kl. insoweit eingeräumt hat, die in der Einspruchsentscheidung angeführten, über das typische Warensortiment von Metzgereien hinausgehenden Waren anzubieten - wovon das FG ausgegangen ist und was durch den Kl. verneint wird -, ist auch im vorliegenden Verfahren letztlich ohne Bedeutung. Denn bei einer auf § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO gestützten Nichtzulassungsbeschwerde darf § 126 Abs. 4 FGO entsprechend angewendet werden (vgl. Gräber/Ruban, a. a. O., § 115 Anm. 35), so daß selbst beim Vorliegen eines Verfahrensmangels eine Nichtzulassungsbeschwerde keinen Erfolg zu haben vermag, wenn sich die Vorentscheidung aus anderen Gründen als richtig darstellt. Dies läßt sich im vorliegenden Fall im Hinblick darauf annehmen, daß das FG die Darstellung des FA in der Einspruchsentscheidung zu dem vom Kl. angebotenen Warensortiment offensichtlich als eigene Überzeugung übernommen hat und die vom Kl. gerügte Deutung seines in der Klageschrift (S. 6 unter 3.) enthaltenen Vortrags nur ,,ergänzend" angeführt hat.
bb) Der erforderliche Zusammenhang wird auch nicht durch den Inhalt der Beschwerdefrist erkennbar. Insoweit hat sich der Kl. darauf beschränkt zu bestreiten, daß die angeführte Bemerkung des FG sich auf den Inhalt der Klageschrift stützen könne. Vermutlich hat sich der Kl. von der irrtümlichen Vorstellung leiten lassen, daß das Vorliegen eines Ermittlungsfehlers beim FG unter allen Umständen zur Zulassung der Revision führe, und hat übersehen, daß weiter erforderlich ist, das angefochtene Urteil müsse auf dem Verfahrensmangel beruhen können (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).
d) Die Ausführungen des Kl. in den nach Ablauf der Beschwerdefrist eingereichten Schriftsätzen können insoweit nicht berücksichtigt werden. Dies wäre allenfalls möglich, wenn es um nicht mehr als die Erläuterung oder Vervollständigung eines rechtzeitig und mit einem Mindestmaß an Klarheit und Verständlichkeit geltend gemachten Zulassungsgrundes ginge (vgl. Gräber/Ruban, a. a. O., § 115 Anm. 55).
Fundstellen