Entscheidungsstichwort (Thema)
Übergehen eines Beweisantrags
Leitsatz (NV)
Ein fachkundiger Kläger verliert grundsätzlich das Recht, das Übergehen eines Beweisantrags zu rügen, wenn er in der mündlichen Verhandlung das Übergehen seines Beweisantrags nicht rügt, obwohl er erkennen konnte, dass es auf die streitige Frage ankommen könnte.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2a; FGO § 76 Abs. 1, § 155; ZPO § 295 Abs. 1
Verfahrensgang
FG Baden-Württemberg (Urteil vom 05.11.2003; Aktenzeichen 13 K 178/00) |
Gründe
1. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
a) Der vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) geltend gemachte Zulassungsgrund des § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) liegt nicht vor.
Ein Verfahrensmangel kann zwar dann vorliegen, wenn das Finanzgericht (FG) seine Sachaufklärungspflicht gemäß § 76 Abs. 1 FGO und den Anspruch auf rechtliches Gehör durch das Übergehen eines Beweisantrags verletzt hat. Das Recht, einen solchen Verfahrensmangel zu rügen, kann jedoch infolge Rügeverzichts verloren gehen. Das Übergehen eines Beweisantrags verletzt Verfahrensvorschriften, auf deren Einhaltung ein Beteiligter gemäß § 155 FGO i.V.m. § 295 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) ausdrücklich oder durch das Unterlassen einer Rüge verzichten kann, was einen endgültigen Rügeverlust bewirkt (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rz. 100 f., m.w.N.).
Der als Steuerberater und Rechtsbeistand tätige und damit fachkundige Kläger hat in der mündlichen Verhandlung, zu der seine Tochter nicht geladen war und ausweislich des Sitzungsprotokolls auch nicht erschienen ist, nicht gerügt, das FG habe seinen Antrag auf Vernehmung der Tochter übergangen. Der Kläger durfte auch nicht einseitig davon ausgehen, das FG werde seinem Vorbringen folgen, wonach die von seiner Tochter besuchten Vorlesungen im Zusammenhang mit dem von ihr angestrebten Architekturstudium standen. Dies war umstritten, weil der Beklagte und Beschwerdegegner (Beklagter) davon ausgegangen ist, die Tochter sei noch nicht zu diesem Studium entschlossen gewesen, sondern habe sich in der Phase der Berufsfindung befunden. Da sich das FG ausweislich der finanzgerichtlichen Akten auch nicht in einer Weise verhalten hat, aus der der Kläger schließen konnte, das FG werde seinem Standpunkt folgen, musste er damit rechnen, dass es entscheidend auf die streitige Frage ankommen würde. Er war daher gehalten, vorsorglich das Übergehen des Beweisantrags zu rügen (Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 19. Januar 2000 VI B 234/99, BFH/NV 2000, 860).
Die vom Kläger angesprochene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 30. April 2003 1 PBvU 1/02 (BVerfGE 107, 395, Der Betrieb 2003, 1570) ist nicht einschlägig. Sie betrifft die Aufforderung an den Gesetzgeber, im Falle der Verletzung des rechtlichen Gehörs eine fachgerichtliche Überprüfung auch in solchen Fällen zu gewährleisten, in denen dies die maßgebliche Verfahrensordnung (abweichend von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) nicht vorsieht.
b) Die Revision ist auch nicht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO zuzulassen.
Die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage, ob der Besuch einer Universität dann keine Berufsausbildung i.S. von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes darstellt, wenn das Kind die Hochschule lediglich als Gasthörer besucht, ist im Streitfall nicht klärungsfähig. Das FG ist nicht dieser von der Finanzverwaltung vertretenen Auffassung (Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes vom 15. März 2002, BStBl I 2002, 366, 369, 390, DA 63.3.2.3 Abs. 1 Satz 3) gefolgt. Es hat als ausschlaggebend angesehen, dass noch keine endgültige Entscheidung über die Studienrichtung vorlag. Dies hat es aus dem fehlenden oder nur lockeren Zusammenhang der besuchten Vorlesungen mit einem Architektenstudium hergeleitet. Die vom Kläger angesprochene Rechtsfrage ist deshalb für die Entscheidung des Streitfalls nicht rechtserheblich (Gräber/ Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 30, 41, m.w.N.). Die Rechtssache hat daher keine grundsätzliche Bedeutung. Wegen der fehlenden Klärungsfähigkeit dieser Rechtsfrage kann im Rahmen der Entscheidung des Streitfalls auch das Recht nicht fortentwickelt werden.
2. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO abgesehen.
Fundstellen