Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftungsinanspruchnahme des Geschäftsführers bei unredlichem oder strafbarem Handeln des steuerlichen Beraters
Leitsatz (NV)
Die Vermutung strafbaren Handelns eines als Steuerberater für die Gesellschaft Tätigen stellt einen Umstand dar, der erhöhte Aufmerksamkeit des Geschäftsführers hinsichtlich der Erfüllung der diesem Steuerberater übertragenen Aufgaben gebietet, unabhängig davon, auf welchem Geschäftssektor diese strafbaren Handlungen vermutet werden.
Normenkette
AO 1977 §§ 34, 69; FGO § 76 Abs. 1, § 115 Abs. 2, § 116 Abs. 3 S. 3
Verfahrensgang
FG Hamburg (Urteil vom 20.02.2006; Aktenzeichen VII 71/04) |
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war von 1995 bis zur Auflösung der Gesellschaft im Jahr 2001 alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer einer GmbH. Seit 1996 war dem für die GmbH tätigen Steuerberater Empfangsvollmacht gegenüber dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) erteilt. Nachdem die GmbH für das Jahr 1998 keine Umsatzsteuererklärung abgegeben hatte, setzte das FA die Umsatzsteuer zunächst im Wege einer Schätzung fest. Mit dem Einspruch reichte der Steuerberater im August 2000 beim FA eine nicht unterzeichnete Umsatzsteuererklärung der GmbH ein, die das FA zum Anlass nahm, die Festsetzung zu ändern. Der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erlassene, dem Steuerberater bekannt gegebene Bescheid wurde bestandskräftig. Zahlungen erfolgten nicht, Vollstreckungsmaßnahmen gegen die GmbH blieben erfolglos. 2001 wurde die Gesellschaft durch Gesellschafterbeschluss aufgelöst, ein Liquidator bestellt und der Kläger als Geschäftsführer abberufen. 2002 wurde das Insolvenzverfahren über die GmbH i.L. eröffnet.
Das FA nahm den Kläger wegen der rückständigen Umsatzsteuer im Jahr 2001 in Haftung. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) sah die Pflichtverletzung des Klägers vor allem darin, dass er für 1998 nicht innerhalb der vorgesehenen Frist eine Umsatzsteuererklärung abgegeben und die danach zu entrichtende Umsatzsteuer nicht bis zum 31. Oktober 1999 abgeführt habe. Diese Pflichtverletzung habe auch das FA im Rahmen der Einspruchsentscheidung der Haftungsinanspruchnahme zu Grunde gelegt. Durch die Einschaltung des Steuerberaters und dessen angeblich unredliches Verhalten bei der Erstellung der Umsatzsteuererklärung sei der Kläger nicht entlastet, da er diesen --spätestens seit Aufkommen des Verdachts gegen den Steuerberater Anfang 1999-- nicht ausreichend beaufsichtigt bzw. dessen Bevollmächtigung nicht widerrufen habe.
Mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht der Kläger Abweichungen des finanzgerichtlichen Urteils von den Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 11. März 2004 VII R 52/02 (BFHE 205, 14, BStBl II 2004, 579) und vom 30. August 1994 VII R 101/92 (BFHE 175, 509, BStBl II 1995, 278) und unzureichende Sachaufklärung des FG geltend.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unzulässig. Der Kläger hat keinen der in § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) abschließend aufgeführten Zulassungsgründe in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Weise dargelegt.
1. Der Zulassungsgrund der Sicherung der Rechtsprechungseinheit gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO umfasst die Divergenz des FG-Urteils von der Rechtsprechung des BFH (BFH-Beschluss vom 5. September 2001 VIII B 18/01, BFH/NV 2002, 205).
Die Divergenz zu den von ihm benannten Entscheidungen des BFH hat der Kläger nur behauptet. Wird mit der Beschwerde geltend gemacht, das FG sei von der Rechtsprechung des BFH abgewichen, erfordert die ausreichende Bezeichnung der Divergenz außer der Angabe von Entscheidungen des BFH die Gegenüberstellung aus diesen Entscheidungen und dem angefochtenen FG-Urteil abgeleiteter abstrakter tragender Rechtssätze in einer Weise, dass die Abweichung erkennbar wird (z.B. BFH-Beschluss vom 28. Dezember 2001 VII B 109/01, BFH/NV 2002, 663, m.w.N.). Der Kläger hat keinen dem FG-Urteil zu Grunde liegenden, von der Senatsrechtsprechung abweichenden abstrakten Rechtssatz bezeichnet.
a) Der Kläger meint, das FG weiche von der Entscheidung in BFHE 205, 14, BStBl II 2004, 579 ab, weil es nicht berücksichtigt habe, dass das FA danach sämtliche Umstände und Grundlagen seiner Ermessensausübung spätestens in der Einspruchsentscheidung darlegen und begründen müsse. Auf die vom FG als haftungsbegründend angesehene Pflichtverletzung des Klägers --die Nichtabgabe der Umsatzsteuererklärung im Jahr 1999-- habe das FA aber erstmals im finanzgerichtlichen Verfahren abgestellt. Abgesehen davon, dass mit diesem Vorbringen keine Divergenz, sondern falsche Anwendung der in dem zitierten Urteil formulierten Rechtsgrundsätze beanstandet wird, die die Zulassung der Revision nicht rechtfertigt, steht diese Aussage im Widerspruch zu dem vom FG zu Grunde gelegten Inhalt der Einspruchsentscheidung. Danach hat das FA "in seine Entscheidung mit einbezogen, dass die Pflichtverletzung des Klägers auch darin gesehen werden kann, dass er nicht innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Frist die erforderliche Steuererklärung abgibt und die danach zu entrichtende Steuer nicht nach dem gesetzlichen Fälligkeitstermin begleicht" (vgl. FG-Urteil Seite 16).
b) Als Abweichung zu der Senatsentscheidung in BFHE 175, 509, BStBl II 1995, 278 macht der Kläger geltend, dass das FG eine schuldhafte Pflichtverletzung des Klägers als Geschäftsführer in der mangelnden Überwachung bzw. fehlerhaften Auswahl des Steuerberaters sehe, obwohl in den Jahren vor1999 keinerlei Grund zu Beanstandungen des Handelns des Beraters bestanden habe. Auch mit diesem Vorbringen sind die Anforderungen an eine Divergenzrüge offensichtlich nicht erfüllt. Im Übrigen verkennt der Kläger, dass das FG die schuldhafte Pflichtverletzung des Klägers ausdrücklich auch damit begründet hat, dass er die Bevollmächtigung des Beraters nicht widerrufen habe, nachdem er Anfang 1999 den Verdacht gehabt habe, dass der Steuerberater unredlich handele.
Sollte der Kläger mit dem Einwand, Zweifel am Handeln des Steuerberaters hätten sich allein in seiner Eigenschaft als Treuhänder einer Fondskonstruktion, nicht jedoch als Steuerberater ergeben, widerlegen wollen, dass er der Erfüllung der steuerlichen Pflichten der GmbH durch den Steuerberater erhöhte Aufmerksamkeit hätte widmen müssen, geht dies offensichtlich fehl. Der Senat hat in der zitierten Entscheidung deutlich gemacht, dass Anlass und Umfang der Überwachung eines mit der Erfüllung steuerlicher Pflichten betrauten Dritten von den Umständen des Einzelfalles abhängen. Es bedarf keiner näheren Erörterung, dass die Vermutung strafbaren Handelns eines als Steuerberater für die Gesellschaft Tätigen einen Umstand darstellt, der erhöhte Aufmerksamkeit des Geschäftsführers hinsichtlich der Erfüllung der diesem Steuerberater übertragenen Aufgaben gebietet, unabhängig davon, auf welchem Geschäftssektor diese strafbaren Handlungen vermutet werden.
2. Auch der Verfahrensmangel unzureichender Sachaufklärung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO i.V.m. § 76 Abs. 1 FGO ist nicht schlüssig dargelegt.
a) Der Kläger meint, das FG hätte prüfen müssen, ob das FA auf die Nachholung der Unterschrift unter der vom Steuerberater eingereichten Umsatzsteuererklärung hingewirkt habe. Der Senat versteht das Vorbringen dahin, dass der auf der Grundlage einer nicht unterschriebenen Steuererklärung erlassene Steuerbescheid jedenfalls dann unwirksam und die darauf beruhende Haftungsinanspruchnahme ermessensfehlerhaft sei, wenn das FA nicht auf die Nachholung der Unterschrift hingewirkt hat. Abgesehen davon, dass auch hier die Anforderungen an die Darlegung des Zulassungsgrundes --der mangelnden Sachaufklärung-- in keiner Weise erfüllt sind (vgl. z.B. Senatsbeschlüsse vom 28. August 2003 VII B 71/03, BFH/NV 2004, 493, 494, und vom 25. Oktober 2005 VII B 316/04, BFH/NV 2006, 341, m.w.N.), vermag der Senat nicht zu erkennen, was sich an der Entscheidung des FG geändert haben würde, wenn die nachgereichte Umsatzsteuererklärung ordnungsgemäß unterschrieben gewesen wäre. Denn das FG hat die haftungsbegründende Pflichtverletzung des Klägers bereits in der nicht rechtzeitigen Abgabe der Erklärung gesehen, zumal nach seinen Feststellungen zu diesem Zeitpunkt noch hinreichend Mittel zur Begleichung der Abgaben vorhanden gewesen wären.
b) Auch die unterlassene Beiziehung der den Steuerberater betreffenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht. Die Zuziehung war offensichtlich nicht veranlasst. Da das FG bereits die bloße Vermutung unredlichen Verhaltens des Steuerberaters als Anlass für eine erhöhte Überwachungspflicht des Geschäftsführers angesehen hat, kann sich ein aus den Ermittlungsakten möglicherweise ergebendes Fehlverhalten des Steuerberaters nicht entlastend für den Kläger auswirken.
Fundstellen
Haufe-Index 1631658 |
BFH/NV 2007, 197 |