Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwendung von Präferenzregelungen bei Überführung von Waren in den freien Verkehr
Leitsatz (NV)
- Es ist bereits geklärt und bedarf daher keiner weiteren Klärung in einem Revisionsverfahren, dass eine Präferenzmaßnahme nur im Zusammenhang mit einer Anmeldung der Ware zur Überführung in ein bestimmtes Verfahren angewendet und nur dann bei der Berechnung der Zollschuld berücksichtigt werden kann, wenn eine Zollschuld nach Art. 201 Abs. 1 ZK auf Grund einer entsprechenden Anmeldung entsteht.
- Die Bestimmung des Art. 866 ZKDVO ersetzt weder die für die Gewährung einer Zollpräferenz erforderliche Anmeldung der Ware zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr noch ändert sie etwas daran, dass die Zollschuld in den genannten Fällen nicht nach Art. 201 ZK entstanden ist.
- Die Regelung des Art. 890 ZKDVO kann nur dann Anwendung finden, wenn auf Grund einer Überführung der Ware in den zollrechtlich freien Verkehr überhaupt ein Anspruch auf die Gewährung einer Zollpräferenzbehandlung bestanden hätte.
Normenkette
ZK Art. 20 Abs. 3 Buchst. d, e, Art. 201; ZKDV Art. 866, 890
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) reiste im Juli 1999 aus der Schweiz über den Flughafen … in das Zollgebiet der Gemeinschaft ein. Dabei benutzte sie bei der Zollstelle den grünen Ausgang für anmeldefreie Waren. Auf Nachfrage der anwesenden Zollbeamten gab sie an, keine anzumeldenden Waren mit sich zu führen. Bei einer anschließenden Kontrolle der Handtasche der Klägerin stellten die Zollbeamten sieben Armbanduhren und 68 Schmuckstücke fest. Die Klägerin erklärte, die Waren für ihr Ladengeschäft mitgebracht zu haben.
Das Hauptzollamt X, dessen Zuständigkeit zwischenzeitlich auf den Beklagten und Beschwerdegegner (Hauptzollamt ―HZA―) übergegangen ist, setzte deshalb gegen die Klägerin Zoll und Einfuhrumsatzsteuer fest. Die Klägerin beantragte unter Hinweis auf die von ihr nachträglich vorgelegten Rechnungen, in denen der Ausführer erklärte, dass es sich um Ursprungserzeugnisse der Schweiz handele, die Erstattung der Einfuhrabgaben. Dies lehnte das Hauptzollamt X mit dem angefochtenen Bescheid ab.
Nach erfolglosem Einspruch erhob die Klägerin Klage vor dem Finanzgericht (FG). Das FG wies die Klage ab und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, die von der Klägerin gezahlten Einfuhrabgaben seien gesetzlich geschuldet gewesen. Eine Zollpräferenz könne nur gewährt werden, wenn die Zollschuld nach Art. 201 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 (Zollkodex ―ZK―) des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften ―ABlEG― Nr. L 302/1) auf Grund der Annahme einer Zollanmeldung entstanden sei. Die Zollschuld sei im Streitfall jedoch nach Art. 202 Abs. 1 Buchst. a ZK entstanden. Die Klägerin habe die Uhren und Schmuckstücke gemäß Art. 234 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 (Zollkodex-Durchführungsverordnung ―ZKDVO―) der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABlEG Nr. L 253/1) vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht, weil sie bei der Zollstelle den grünen Ausgang für anmeldefreie Ware benutzt habe, obwohl die Waren zu kommerziellen Zwecken eingeführt worden seien.
Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin. Sie trägt vor, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung. Der Streitfall weise mehrere Besonderheiten auf. Sämtliche Waren seien bei der Kontrolle vollständig erfasst worden. Nach der Entrichtung der Einfuhrabgaben gälten die von ihr eingeführten Waren als Gemeinschaftswaren. Da an der Nämlichkeit der in den Rechnungen beschriebenen Waren mit den beschlagnahmten Waren kein Zweifel bestanden habe, hätte ihr antragsgemäß nachträglich die Zollpräferenz gewährt werden müssen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unzulässig, weil in der Beschwerdeschrift ein Grund, der zur Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) führen könnte, nicht schlüssig dargelegt ist, wie dies § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erfordert.
Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung muss der Beschwerdeführer eine konkrete Rechtsfrage formulieren sowie auf deren Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit im angestrebten Revisionsverfahren sowie auf deren über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingehen. Ferner sind zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache Angaben dazu notwendig, inwiefern die richtige Antwort auf die im angestrebten Revisionsverfahren zu klärende Rechtsfrage zweifelhaft ist, in welchem Umfang und aus welchen Gründen sie umstritten ist und welche unterschiedlichen Auffassungen zu dieser Frage in der Rechtsprechung oder im Schrifttum vertreten werden (vgl. Senatsbeschluss vom 2. April 2002 VII B 66/01, BFH/NV 2002, 1308; Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 27. Mai 2002 VIII B 150/01, BFH/NV 2002, 1463).
a) Diesen Anforderungen an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache wird das Vorbringen der Klägerin nicht gerecht. Die Klägerin formuliert in ihrer Beschwerdebegründung keine konkrete Rechtsfrage, die im Interesse der Allgemeinheit einer Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf und einer solchen Klärung zugänglich wäre. Sie legt insbesondere nicht dar, dass zu der Frage, ob ein Anspruch auf die Gewährung einer Zollpräferenzbehandlung bestehen kann, wenn eine Ware vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht wurde, in der Rechtsprechung und im Schrifttum unterschiedliche Auffassungen vertreten werden.
Soweit die Klägerin eine unzutreffende Rechtsanwendung durch das FG geltend macht, rügt sie die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung der Vorinstanz. Dies kann indessen nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 2. November 2000 X B 39/00, BFH/NV 2001, 610; vom 4. Juli 2002 IX B 169/01, BFH/NV 2002, 1476).
b) Selbst wenn man der Beschwerdebegründung eine von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage nach den Auswirkungen der auf den Rechnungen bescheinigten Ursprungseigenschaft entnehmen würde, wäre diese in einem Revisionsverfahren nicht klärungsbedürftig. Der Senat hat bereits entschieden, dass Präferenzmaßnahmen nur im Zusammenhang mit einer Anmeldung der Waren zur Überführung in ein bestimmtes Verfahren angewendet und daher nur dann bei der Berechnung der Zollschuld berücksichtigt werden können, wenn eine Zollschuld nach Art. 201 Abs. 1 ZK auf Grund einer entsprechenden Anmeldung entsteht. Denn in den übrigen Fällen der Entstehung einer Zollschuld fehlt es an der für die Anwendung der Präferenzmaßnahmen erforderlichen Anmeldung (Senatsbeschluss vom 20. Februar 2001 VII B 279/00, BFH/NV 2001, 1154, 1155; vgl. auch Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften ―EuGH―, Urteil vom 1. Februar 2001 Rs. C-66/99 ―Wandel―, EuGHE 2001, I-873 Rz. 55 f.).
c) Dem steht die Bestimmung des Art. 866 ZKDVO nicht entgegen. Hiernach gilt ―über Art. 4 Nr. 7 ZK hinaus― eine Ware, hinsichtlich derer die Zollschuld nach den Art. 202, 203, 204 oder 205 ZK entstanden ist, als Gemeinschaftsware, wenn die Einfuhrabgaben entrichtet worden sind, ohne dass es hierfür einer Anmeldung zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr bedarf. Diese Regelung ersetzt jedoch weder die für die Gewährung einer Zollpräferenz erforderliche Anmeldung der Ware zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr noch ändert sie etwas daran, dass die Zollschuld in den genannten Fällen nicht nach Art. 201 ZK entstanden ist. Es wird einer Ware, für die die Zollschuld nach den Art. 202, 203, 204 oder 205 ZK entstanden ist, lediglich der Status einer Gemeinschaftsware verliehen.
Auch aus Art. 890 ZKDVO folgt nichts anderes, weil diese Bestimmung voraussetzt, dass zuvor eine Anmeldung zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr angenommen wurde. Die Zollschuld muss mithin nach Art. 201 ZK entstanden sein. Art. 890 ZKDVO kann nur dann Anwendung finden, wenn auf Grund einer Überführung der Ware in den zollrechtlich freien Verkehr überhaupt ein Anspruch auf die Gewährung einer Zollpräferenzbehandlung i.S. des Art. 20 Abs. 3 Buchst. d und e ZK bestanden hätte (vgl. EuGH-Urteil vom 27. September 2001 Rs. C-253/99 ―Bacardi―, EuGHE 2001, I-6493 Rz. 42).
Fundstellen
Haufe-Index 921379 |
BFH/NV 2003, 674 |