Entscheidungsstichwort (Thema)
Anhörungsrüge; Gehörsverletzung
Leitsatz (NV)
1. Richten sich die Ausführungen des Klägers im Ergebnis gegen rechtliche Würdigungen des beschließenden Spruchkörpers, das heißt gegen die materielle Richtigkeit der Vorentscheidung, kann eine Anhörungsrüge darauf nicht gestützt werden. Denn es entspricht nicht der Funktion der Anhörungsrüge, im abgeschlossenen Verfahren nicht im Sinne des Rechtsmittelführers entschiedene Rechtsfragen nochmals in vollem Umfang zu überprüfen.
2. Gleiches gilt für die erstmalige ‐ nachträgliche ‐ Begründung einer Beschwerde beziehungsweise deren nachträgliche Erweiterung oder Ergänzung.
Normenkette
FGO § 133a
Tatbestand
I. Mit Beschluss vom 12. November 2007 VIII B 93/07 hat der Senat die Beschwerde der Beschwerdeführerin und Rügeführerin (Rügeführerin) gegen den Beschluss des Finanzgerichts (FG) des Saarlandes vom 26. Juni 2007 1 K 2183/03 als unzulässig verworfen. Gegen diesen Beschluss hat die Rügeführerin Anhörungsrüge nach § 133a der Finanzgerichtsordnung (FGO) erhoben; außerdem erhebt sie dagegen außerordentliche Beschwerde wegen greifbarer Gesetzes- und Rechtswidrigkeit sowie Gegenvorstellung.
Zur Begründung trägt die Rügeführerin u.a. vor, der Bundesfinanzhof (BFH) habe mit dem Beschluss vom 12. November 2007 VIII B 93/07 ihren Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, weil der BFH im Tenor des Beschlusses VIII B 93/07 die Beschwerde "des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts vom 26. Juni 2007" als unzulässig verworfen habe, obwohl die Beschwerde sich gegen einen Beschluss gerichtet habe, der einen Antrag auf Tatbestandsberichtigung/-ergänzung sowie auf Urteilsergänzung zurückweise. Der BFH hätte vor seiner Entscheidung die Rügeführerin hören und ihr gegebenenfalls Hinweise erteilen müssen. Er habe auch verkannt, dass das FG nicht sachlich entschieden habe, zum Beispiel habe es die mündliche Verhandlung ohne den Prozessbevollmächtigten der Rügeführerin durchgeführt; auch darin liege eine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Der Beschluss VIII B 93/07 weiche ab von der gefestigten Rechtsprechung anderer Bundesgerichte bzw. anderer Senate des BFH sowie der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Die Sache müsse daher an den Großen Senat des BFH und an den Gemeinsamen Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes vorgelegt werden. Im Übrigen habe auch das FG den Anspruch der Rügeführerin auf rechtliches Gehör verletzt, da die Richter des FG gegen sie erhobene Ablehnungsgesuche rechtswidrig abgelehnt hätten.
Entscheidungsgründe
II. Die Anhörungsrüge ist unzulässig. Dabei geht der Senat nach dem Grundsatz der Rechtsschutz gewährenden Auslegung davon aus, dass die Rügeführerin nur Anhörungsrüge gemäß § 133a FGO, nicht aber auch eine außerordentliche Beschwerde erheben wollte. Denn nach Inkrafttreten des Gesetzes über die Rechtsbehelfe bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör vom 9. Dezember 2004 (BGBl I 2004, 3220) zum 1. Januar 2005 ist ein derartiger außerordentlicher, gesetzlich nicht geregelter Rechtsbehelf ausgeschlossen (BFH-Beschluss vom 30. November 2005 VIII B 181/05, BFHE 211, 37, BStBl II 2006, 188).
Die Rügeführerin hat indes eine Verletzung ihres Rechts auf Gehör, die allein Gegenstand einer Anhörungsrüge sein kann (§ 133a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FGO), nicht in der gebotenen Weise geltend gemacht.
1. Was die Rüge betrifft, der Senat habe mit Beschluss vom 12. November 2007 VIII B 93/07 die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision verworfen, obwohl es inhaltlich um einen Antrag auf Tatbestandsberichtigung/-ergänzung sowie auf Urteilsergänzung gegangen sei, verkennt die Rügeführerin, dass der Senat ausweislich des Tenors des Beschlusses vom 12. November 2007 VIII B 93/07 "die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Finanzgerichts des Saarlandes vom 26. Juni 2007 1 K 2183/03" als unzulässig verworfen hat. In jenem mit der Beschwerde angefochtenen Beschluss des FG des Saarlandes wurden Anträge der Rügeführerin auf Tatbestandsberichtigung und -ergänzung bzw. auf Urteilsergänzung zurückgewiesen. Es kann daher keine Rede davon sein, der Senat habe mit Beschluss vom 12. November 2007 VIII B 93/07 eine Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision verworfen.
2. Dass der Senat Vorbringen der Rügeführerin im vorangegangenen Beschwerdeverfahren nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung nicht in Erwägung gezogen hat, ist schon deshalb zu verneinen, weil die Beschwerdeschrift nicht einmal den Mindestanforderungen, die an den Inhalt einer Beschwerde zu stellen sind, Genüge getan hat.
3. Mit ihrem weiteren Vorbringen, das sich sowohl gegen den Senatsbeschluss VIII B 93/07 als auch gegen die Entscheidungen der Vorinstanz richtet und mit dem die Fehlerhaftigkeit der vorgenannten Entscheidungen geltend gemacht wird, kann die Rügeführerin nicht gehört werden. Denn es entspricht nicht der Funktion der Anhörungsrüge, im abgeschlossenen Verfahren nicht im Sinne des Rechtsmittelführers entschiedene Rechtsfragen nochmals in vollem Umfang zu überprüfen. Gleiches gilt für die erstmalige --nachträgliche-- Begründung einer Beschwerde beziehungsweise deren nachträgliche Erweiterung oder Ergänzung (BFH-Beschlüsse vom 17. Juni 2005 VI S 3/05, BFHE 209, 419, BStBl II 2005, 614; vom 30. Mai 2007 V S 7/06, BFH/NV 2007, 1696; vom 11. Dezember 2007 X S 28/07, juris; Senatsbeschluss vom 4. Juli 2007 VIII S 8/07, BFH/NV 2007, 2298).
4. Der Senat kann offenlassen, ob neben der Anhörungsrüge gemäß § 133a FGO noch eine Gegenvorstellung statthaft ist. Die von der Rügeführerin erhobene Gegenvorstellung ist zumindest unbegründet. Der Beschluss vom 12. November 2007 VIII B 93/07 ist entgegen ihrer Auffassung weder greifbar gesetzeswidrig noch willkürlich. Es ist nicht ersichtlich, dass er auf einer gravierenden Verletzung von Grundrechten beruht oder jeglicher gesetzlicher Grundlage entbehrt.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf Nr. 6400 des Kostenverzeichnisses Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes.
Fundstellen
Haufe-Index 2005722 |
AnwBl 2008, 236 |