Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufhebung der bewilligten PKH
Leitsatz (NV)
Das FG kann nach der Aufhebung der Prozeßkostenhilfe wegen Rückstandes der Ratenzahlung von einer Überprüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht absehen, wenn die maßgebenden Unterhaltspauschbeträge zwischenzeitlich angehoben worden sind.
Normenkette
FGO § 142; ZPO § 114 ff., § 120 Abs. 4, § 124 Nr. 4
Tatbestand
Den Klägern, Antragstellern und Beschwerdeführern (Kläger) war durch Beschlüsse des Finanzgerichts (FG) vom 24. Februar 1992 Prozeßkostenhilfe (PKH) für die Klageverfahren ... wegen Einkommen- und Umsatzsteuer 1980 bis 1984 gewährt worden; die monatliche Ratenzahlung war für jedes Verfahren auf 60 DM festgelegt worden.
Nach Beendigung des Verfahrens wurden die Kläger mit Schreiben vom 20. Juni 1995 unter Hinweis auf die angefallenen Kosten aufgefordert, ab dem 1. Juli 1995 Raten in Höhe von 60 DM an die Gerichtskasse zu zahlen. Sie wurden darauf hingewiesen, daß die Bewilligung aufgehoben werden könne, wenn sie mit einer Rate mehr als drei Monate in Rückstand geraten. Die Kläger machten geltend, sie seien zur Zahlung nicht imstande. Das FG teilte ihnen mit, daß eine Änderung der Bewilligung nicht möglich sei, weil die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sich nicht wesentlich geändert hätten.
Da trotz entsprechender Mahnung keine weiteren Zahlungen eingingen, hob das FG durch Beschluß vom 12. Oktober 1995 die Bewilligung der PKH gemäß § 124 Nr. 4 der Zivilprozeßordnung (ZPO) auf.
Dagegen wenden sich die Kläger mit der Beschwerde. Sie machen unter Bezug auf den Bewilligungsbescheid über Arbeitslosenhilfe geltend, sie könnten die Raten nicht bezahlen.
Das FG hat der Beschwerde nicht abge holfen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist begründet. Auf die Beschwerde der Kläger wird der angefochtene Beschluß aufgehoben und die Sache zur Entscheidung an das FG zurückverwiesen.
Gemäß § 142 der Finanzgerichtsordnung i. V. m. § 124 Nr. 4 ZPO kann das FG die Bewilligung der PKH aufheben, wenn der Beteiligte länger als drei Monate mit der Zahlung einer Monatsrate oder mit der Zahlung eines sonstigen Beitrags in Rückstand ist. Der Gesetzgeber hat damit die Aufhebung in das pflichtgemäße Ermessen des FG gestellt (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 142 Anm. 31).
Der erkennende Senat kann aufgrund der vorgelegten Akten nicht entscheiden, ob die Voraussetzungen für die Aufhebung der bewilligten PKH vorliegen. Da der Kläger geltend gemacht hatte, er sei wegen seiner Arbeitslosigkeit und seiner Schwerbehinderung nicht imstande, die bewilligten Raten zu zahlen, durfte das FG ohne weitere Ermittlungen nicht davon ausgehen, daß die Voraussetzungen des § 124 Nr. 4 ZPO erfüllt sind. Dabei kann offenbleiben, ob der Begriff "Rückstand" ein Verschulden voraussetzt (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozeßordnung, 55. Aufl., § 124 Rdnr. 53, m. w. N.) oder nicht (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 142 FGO Tz. 81, m. w. N.). Das FG konnte auch nicht etwa deshalb, weil die Raten nicht gezahlt worden waren, von einer weiteren Aufklärung einfach absehen. Denn eine fehlerhafte Ermessensentscheidung setzt voraus, daß der Sachverhalt einwandfrei und erschöpfend ermittelt wurde und bei der Entscheidung die Gesichtspunkte tatsächlicher und rechtlicher Art berücksichtigt wurden, die nach Sinn und Zweck der das Ermessen einräumenden Norm zu berücksichtigen sind (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 22. Juni 1990 III R 150/85, BFHE 161, 4, BStBl II 1991, 864, m. w. N.). Dazu gehört auch, daß die Kläger mit dem Schreiben vom 6. Juli 1995 eine Überprüfung der zu leistenden Ratenzahlung gemäß § 120 Abs. 4 ZPO beantragt hatten. Da das FG bei der Bewilligung der Monatsraten von 60 DM im Februar 1992 von einem Nettoeinkommen von 2 000 DM ausgegangen war, hätte es berücksichtigen müssen, daß dieses Nettoeinkommen bei den von ihm unterstellten nahezu gleichen wirtschaft lichen Verhältnissen Ende 1995 zu gering gewesen wäre, um noch einmal Ratenzahlungen anzuordnen (§ 120 Abs. 4 Satz 1, Halbsatz 2 ZPO). Denn zu diesem Zeitpunkt hätte es nach der Bekanntmachung des Bundesministeriums der Justiz (BGBl I 1995, 776) für die beiden Kläger monatlich einen Unterhaltspauschbetrag von jeweils 643 DM und für die beiden Kinder von jeweils 452 DM ansetzen müssen (vgl. § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 Satz 1, Halbsatz 1 i. V. m. Satz 4 ZPO).
Eine Entscheidung über die Kosten ist entbehrlich (vgl. BFH-Beschluß vom 31. Januar 1989 VII B 103/88, BFH/NV 1989, 452), weil die Beschwerde der Kläger zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses geführt hat.
Fundstellen
Haufe-Index 421985 |
BFH/NV 1997, 607 |