Leitsatz (amtlich)
Die von einer Steuerberatungsgesellschaft eingelegte Revision ist unzulässig.
Normenkette
FGO § 126 Abs. 1; BFH-EntlastG Art. 1 Nr. 1 Sätze 1-2
Nachgehend
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind ehemalige Gesellschafter der Kommanditgesellschaft A. Durch Vertrag vom 17. September 1973 wurde das Unternehmen an die Firma B veräußert.
Unter Hinweis auf diese Veräußerung forderte der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) durch Bescheide vom 29. Januar 1974 die im Zusammenhang mit der Errichtung einer Betriebstätte in H gewährten Investitionszulagen für die Jahre 1971 und 1972 von insgesamt 101 222,97 DM zurück. Aus dem gleichen Grund lehnte das FA durch Bescheid vom 18. Januar 1974 die Anträge der Kläger auf Gewährung der Investitionszulage 1973 für Investitionen von insgesamt rd. 199 000 DM ab.
Die Einsprüche und Klagen blieben ohne Erfolg.
Mit den Revisionen beantragen die Kläger, die Vorentscheidungen aufzuheben und den Klagen stattzugeben.
Das FA beantragt, die Revisionen als unbegründet zurückzuweisen.
Der Senat hat beschlossen, die Revisionen der Kläger nach § 73 FGO zur gemeinsamen Entscheidung zu verbinden.
Entscheidungsgründe
Die Revisionen sind unzulässig.
1. Nach Art. 1 Nr. 1 Satz 1 des am 15. September 1975 in Kraft getretenen BFH-EntlastG vom 8. Juli 1975 (BGBl I 1975, 1861, BStBl I 1975, 932) muß sich jeder Beteiligte vor dem BFH durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder nach Maßgabe des Art. 2 Nr. 1 Satz 3 durch einen Steuerbevollmächtigten vertreten lassen. Steuerberatungsgesellschaften sind nicht aufgeführt. Dies gilt auch für die Einlegung der Revision (Art. 1 Nr. 1 Satz 2 BFH-EntlastG).
Nach dem Wortsinn des Art. 1 Nr. 1 Satz 1 BFH-EntlastG sind nur natürliche Personen mit den genannten Qualifikationsmerkmalen, nicht aber auch Steuerberatungsgesellschaften (§ 49 StBerG) als Prozeßbevollmächtigte vor dem BFH zugelassen (vgl. Haarmann, DStZ A 1975, 457; Friedrich, NJW 1975, 1541; Tipke/Kruse, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, § 62 FGO A 2). Die sich aus dem Wortsinn ergebende Auslegung wird durch den Sinnzusammenhang mit Art. 1 Nr. 1 Satz 3 BFH-EntlastG bestätigt; denn auch für die juristischen Personen des öffentlichen Rechts und der Behörden, insbesondere die Finanzbehörden, ist nunmehr vorgeschrieben, daß sie sich durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt, also natürliche Personen, vertreten lassen müssen. Die Regelung des Art. 2 Nr. 1 Satz 3 BFH-EntlastG, wonach den Steuerbevollmächtigten für eine Übergangszeit die Befugnis belassen wird, vor dem BFH aufzutreten, läßt im übrigen erkennen, daß der Gesetzgeber bewußt nicht allen nach den §§ 2 und 3 StBerG zur Hilfeleistung in Steuersachen Befugten die Vertretungsbefugnis vor dem BFH einräumen wollte (vgl. Deutscher Bundestag, Zweiter Bericht und Antrag des Rechtsausschusses – 6. Ausschuß-, Drucksache 7/3654, Abschn. A III, Art. 1, zu Nr. 1).
Die Revision kann daher wirksam nur von einer persönlich bevollmächtigten natürlichen Person eingelegt werden, welche die genannten Qualifikationsmerkmale aufweist. Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt.
2. Die Revisionen sind von der C. D.-E-Buchführungs- und Steuerberatungsgesellschaft mbH in Z, (GmbH), eingereicht worden, die die Kläger im finanzgerichtlichen Verfahren vertreten hatte. Die Revisionsschriften sind zwar von Rechtsanwalt C. D. unterzeichnet. Dieser hat jedoch die Revisionen nicht als persönlicher Bevollmächtigter der Kläger in deren Namen eingelegt, sondern in seiner Eigenschaft als Organ der GmbH, ohne in dieser Eigenschaft bevollmächtigt zu sein. Dies ergibt sich aus dem nachfolgend aufgezeigten Ablauf der Revisionsverfahren.
Nach Eingang der Revisionsschriften hat die Geschäftsstelle des Senats Herrn C. D. persönlich per Adresse der GmbH mit gleichlautenden, formularmäßigen Schreiben vom 4. Februar 1976 um Übersendung von Prozeßvollmachten für die Revisionsverfahren gebeten. Dabei ist in einem besonderen, sich vom übrigen Text äußerlich abhebenden Zusatz ausdrücklich auf Art. 1 Nr. 1 Satz 1 BFH-EntlastG hingewiesen worden. Auf diese Schreiben hin übersandten die Rechtsanwälte F, C. D., G und H in Z im Verfahren III R 15/76 eine auf die ausgestellte Vollmacht der Kläger zu 1) und 2). Die nachfolgend eingegangenen Revisionserwiderungen des FA wurden im Verfahren III R 14/76 Rechtsanwalt C. D. persönlich und im Verfahren III R 15/76 den Anwälten F und socii zugestellt.
Mit Schreiben vom 5. April 1976 hat die Geschäftsstelle des Senats die Rechtsanwälte F und socii gebeten, für das Verfahren III R 15/76 noch eine von den Revisionsklägern zu 3) und 4) unterzeichnete Vollmacht vorzulegen. Im weiteren ist in diesem Schreiben folgendes ausgeführt:
„Die bei den Akten des … Finanzgerichts befindliche, von sämtlichen Revisionsklägern unterzeichnete Prozeßvollmacht vom 10. Januar 1975 lautete nicht auf Ihren Namen, sondern wurde der ‚C. D.-E.-Buchführungs- und Steuerberatungsgesellschaft mbH’ erteilt.
Zum Verfahren III R 14/76 (Investitionszulage 1971 bis 1972) wurde trotz Aufforderung vom 4. Februar 1976 keine neue Prozeßvollmacht eingereicht. Unbeschadet der Frage, ob die Vollmacht vom 10. Januar 1975 in Sachen … Aktenzeichen … auch für das Revisionsverfahren anerkannt werden könnte, weise ich auftragsgemäß nochmals auf Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs hin; zur Vermeidung von Mißverständnissen bitte ich deshalb um Mitteilung, ob es in diesem Revisionsverfahren bei der Vertretung durch die C. D.-E-Buchführungs- und Steuerberatungsgesellschaft mbH verbleibt. Verneinendenfalls erbitte ich neue Prozeßvollmachten.”
Die Rechtsanwälte F und socii haben daraufhin mit einem am 10. Mai 1976 beim BFH eingegangenen Schreiben folgendes mitgeteilt:
„In dem Revisionsverfahren III R 14/76 und III R 15/76 überreichen wir – um Mißverständnissen vorzubeugen – neue Vollmacht auf unsere Gesellschaft, die von sämtlichen Klägern unterzeichnet ist.
Beide Verfahren sollen von unserer Gesellschaft durchgeführt werden. Die mit Schreiben vom 11. Februar 1976 übersandte Vollmacht auf die Anwaltssozietät beruht auf einem Büroversehen, da der Unterzeichnete zugleich Geschäftsführer der C. D.-E-Buchführungs- und Steuerberatungsgesellschaft mbH und Mitglied der Anwaltssozietät ist.
gez. C. D. Rechtsanwalt.”
Diesem Schreiben ist eine von den Klägern zu 1) bis 4) unterzeichnete Vollmacht folgenden Inhalts beigefügt:
„Vollmacht In den Revisionsverfahren … als ehemalige Gesellschafter der Fa. A-KG gegen das Finanzamt Z – III R 14/76 – und – III R 15/76 – bevollmächtigen wir hiermit die C. D.-E-Buchführungs- und Steuerberatungsgesellschaft mbH in Z, uns in den vorgenannten Revisionsverfahren vor dem Bundesfinanzhof zu vertreten.”
3. Bei dieser Sachlage kann der Senat nicht davon ausgehen, daß Rechtsanwalt C. D. die Revision als persönlicher Bevollmächtigter der Kläger in deren Namen eingelegt hat. Er war in beiden Verfahren persönlich bzw. in seiner Eigenschaft als Angehöriger der Anwaltssozietät F und socii ausdrücklich auf die Neuregelung des Art. 1 Nr. 1 Satz 1 BFH-EntlastG hingewiesen worden. Wie sich aus den Ausführungen zu 1) ergibt, ist bereits dem Wortlaut der genannten Vorschrift eindeutig zu entnehmen, daß nur natürliche Personen als Prozeßbevollmächtigte vor dem BFH zugelassen sind. Hinzu kommt folgendes: Obwohl die Kläger im finanzgerichtlichen Verfahren von der GmbH vertreten worden waren und diese auch die Revisionsschrift eingereicht hat, hat die Geschäftsstelle des Senats gleichwohl nicht die GmbH angeschrieben, sondern jeweils entweder Rechtsanwalt C. D. persönlich oder die Rechtsanwälte F und socii. Wenn Rechtsanwalt C. D. dennoch in seinem Schreiben ohne Datum, eingegangen am 10. Mai 1976, unter Vorlage einer auf die GmbH ausgestellten Prozeßvollmacht ausdrücklich erklärt, daß die Revisionsverfahren von der GmbH durchgeführt werden sollen, so kann der Senat die Revisionen nur als von der Steuerberatungsgesellschaft selbst eingelegt ansehen.
Die Revisionen sind damit nicht durch einen zugelassenen Prozeßbevollmächtigten eingelegt; wegen Fehlens einer Prozeßvoraussetzung waren sie als unzulässig zu verwerfen.
4. Der von den Klägern beantragten mündlichen Verhandlung bedurfte es nicht, da über die Revisionen durch Beschluß entschieden wird (§ 126 Abs. 1 FGO) und Beschlüsse ohne mündliche Verhandlung ergehen können (§ 90 Abs. 1 Satz 2 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 557492 |
BStBl II 1977, 121 |
BFHE 1977, 335 |