Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattung von Aussetzungszinsen und Umsatzsteuer aus Billigkeitsgründen
Leitsatz (NV)
1. Wird mit der Klage die Erstattung von Aussetzungszinsen begehrt, beschränkt sich aber die Beschwerdeentscheidung auf die Ablehnung der Erstattung von Umsatzsteuer, so ist die Klage wegen fehlenden Vorverfahrens unzulässig.
2. Der in ein Urteil zur Steuerfestsetzung aufgenommene Hinweis auf die Möglichkeit einer Billigkeitsentscheidung bindet das Gericht im Rahmen der Entscheidung über den Erlaßantrag nicht.
Normenkette
FGO § 44 Abs. 1, § 102; AO § 131; AO 1977 § 227; UStG 1967 § 4 Nr. 8
Gründe
Das Urteil des Finanzgerichts (FG) hält den Revisionsangriffen stand.
1. Entscheidung wegen der Ablehnung der Erstattung von Aussetzungszinsen für das I. Vierteljahr 1964.
Das FG hat die Klage insoweit zu Recht wegen fehlenden Vorverfahrens (§ 44 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) als unzulässig abgewiesen. Obwohl die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) sich mit der Beschwerde auch gegen die Ablehnung der Erstattung von Aussetzungszinsen (. . . DM) und nicht nur gegen die Ablehnung der Erstattung von Umsatzsteuer (. . . DM) in dem Bescheid des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) vom 26. Mai 1975 gewandt hatte, hat die Oberfinanzdirektion in der Beschwerdeentscheidung vom 15. Januar 1976 nur über die Ablehnung des Antrags ,,auf Erlaß von Umsatzsteuer über die Kalenderjahre 1963 bis 1967 in Höhe von . . . DM" entschieden.
2. Entscheidung wegen der Ablehnung der Erstattung von Umsatzsteuer für 1963 bis 1967.
Das FG hat die angefochtene Ermessensentscheidung der Finanzbehörde nach § 131 der Reichsabgabenordnung (AO) gemäß § 102 FGO daraufhin geprüft, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten worden sind oder ob die Finanzbehörde von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat.
Ermessensüberschreitung der Finanzbehörde bei der Ablehnung des auf sachliche Billigkeit gestützten Erlaßantrags in Form eines nichtberücksichtigten Überhangs des gesetzlichen Tatbestands über die Wertung des Gesetzgebers (vgl. dazu Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 8. März 1984 I R 44/80, BFHE 140, 421, BStBl II 1984, 415) hat das FG zu Recht abgelehnt. Die Möglichkeit, daß der Gesetzgeber der bis zum Jahre 1962 geübten Praxis der Finanzverwaltung, für Kautionsversicherungen keine Umsatzsteuer zu erheben, bei einer gesetzlichen Regelung für die Streitjahre durch Schaffung einer Steuerbefreiungsvorschrift gefolgt wäre, haben Finanzbehörde und FG zutreffend ausgeschlossen. Die Steuerbefreiung für Umsätze durch Übernahme von Bürgschaften und ähnlichen Sicherheiten ist erst zum 1. Januar 1968 durch § 4 Nr. 8 des Umsatzsteuergesetzes 1967 (UStG 1967) neu geschaffen worden, um die Gesetzesanwendung zu vereinfachen und um die Praxis belastende Zweifelsfragen zu beseitigen (Plückebaum/Malitzky, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, 10. Aufl., § 4 Nr. 8 Rdnr. 2, Rdnr. 166; Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages vom 30. März 1967, Drucksache des Deutschen Bundestages - BTDrucks - V/1581 zu § 4 Nr. 8). In dem Entwurf eines UStG vom 30. Oktober 1963 (BTDrucks IV/1590) war eine vergleichbare Steuerbefreiung nicht vorgesehen (§ 4 Nr. 7 des Entwurfs); denn die seinerzeit vorgeschlagene Steuerbefreiung in § 4 Nr. 7 des Entwurfs sollte nur die in § 4 Nr. 8 UStG 1951 und in § 33 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz (UStDB) 1951 enthaltenen Bankumsätze von der Umsatzsteuer befreien (Begründung des Regierungsentwurfs vom 30. Oktober 1963, BTDrucks IV/1590, B zu § 4 Nr. 7). Auch eine Ermessensüberschreitung der Finanzbehörde durch unzureichende Aufklärung des Sachverhalts über die Möglichkeit der Abwälzung von Umsatzsteuer auf den Versicherungskunden liegt nicht vor. Die Klägerin hat in ihrer Beschwerdebegründung vom 4. August 1975 eingeräumt, daß sie die Möglichkeit hatte, vorhandene Versicherungsverträge jährlich einmal hinsichtlich der Prämienhöhe zu ändern.
Es liegt auch kein Ermessensfehlgebrauch wegen Nichtbeachtung des Gebots gleichmäßiger Besteuerung (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG -) im Hinblick auf vergleichbar tätige Banken vor. Die Banken versteuerten entsprechende Umsätze im Rahmen der Pauschalbesteuerung nach § 68 UStDB 1951. Danach wurden 8 v.H. sämtlicher steuerfreien und steuerpflichtigen Bankumsätze mit 4 v.H. besteuert.
Eine andere Entscheidung ist auch nicht wegen der in dem Urteil des Senats vom 13. Juli 1972 V R 33/68 (BFHE 107, 60 - betr. Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid I/1964) angedeuteten ,,Möglichkeit" gerechtfertigt, eine Billigkeitsentscheidung zugunsten der Klägerin gemäß § 131 AO ,,in Betracht zu ziehen". Der Senat hat seinerzeit nur auf die Möglichkeit einer Billigkeitsentscheidung hingewiesen, ihr Ergebnis aber nicht vorweggenommen. Eine Bindung des Senats besteht nicht.
Im übrigen ergeht die Entscheidung gemäß Art. 1 Nr. 7 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs.
Fundstellen