Entscheidungsstichwort (Thema)
Erhöhung der KraftSt durch das KraftStÄndG nicht verfassungswidrig
Leitsatz (NV)
- Das FG begeht keinen Verfahrensfehler, wenn es kein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG stellt, obwohl Anlass zur Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens bestanden hat.
- Um im Hinblick auf die angebliche Vorgabe des Gemeinschaftsrechts, bei der Kfz-Besteuerung den Kraftstoffverbrauch des Fahrzeugs zu berücksichtigen, die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache darzutun, ist eine genaue Darstellung erforderlich, welche Bestimmung der Richtlinie 70/220/EWG dies von den Mitgliedstaaten verlangt.
- Die Steuerstaffel des § 9 Abs. 1 Nr. 2 KraftStG ist mit ökologischen Zielsetzungen vereinbar.
- Die Erhöhung der Kraftfahrzeugsteuer durch das KraftStÄndG 1997 ist nicht deshalb zu beanstanden, weil die Steuer nicht nur geringfügig erhöht worden ist.
- Kein Steuerpflichtiger kann darauf vertrauen, dass die Steuersätze, die zu einem bestimmten Zeitpunkt gelten, auf Dauer gleich bleiben.
- Die durch das KraftStÄndG 1997 eingeführten Kraftfahrzeugsteuersätze führen nicht zu einer faktischen Enteignung.
- Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung "im europäischen Gemeinschaftsraum" ist in erster Linie Aufgabe des EuGH im Verfahren nach Art. 234 EG; wo ein solches Verfahren einzuleiten erforderlich ist, kann dies die Zulassung der Revision rechtfertigen, sofern die nach Art. 234 EGV maßgeblichen Umstände in der Beschwerdebegründung entsprechend § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt werden.
Normenkette
EG Art. 234; KraftStG § 9; KraftStÄndG 1997; FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2, § 116 Abs. 3 S. 3
Tatbestand
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Halter eines PKW mit Dieselmotor. Das Fahrzeug ist als bedingt schadstoffarm eingestuft. Der Steuersatz für Fahrzeuge dieser Art betrug zunächst 37,10 DM je 100 ccm Hubraum. Durch das Kraftfahrzeugsteuer-Änderungsgesetz (KraftStÄndG 1997) wurde dieser Steuersatz auf 57,10 DM angehoben. Die Kraftfahrzeugsteuerfestsetzung für den Kläger ist dementsprechend vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt ―FA―) geändert worden. Hiergegen wendet sich der Kläger. Seine Klage hatte jedoch keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, gegen den erhöhten Steuersatz bestünden keine gemeinschaftsrechtlichen Bedenken; die Richtlinie 70/220/EWG (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften ―ABlEG― Nr. L 282, 64) verpflichte die Mitgliedstaaten nicht, bei der Bemessung der Kraftfahrzeugsteuer den Kraftstoffverbrauch zu berücksichtigen, statt die Steuer als eine von diesem unabhängige Verkehrsteuer auszugestalten. Das KraftStÄndG 1997 verstoße auch nicht gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit. Der Kläger habe aufgrund der Anerkennung seines Fahrzeugs als bedingt schadstoffarm im Jahre 1986 nicht erwarten können, von Steuersatzerhöhungen verschont zu bleiben. Das Ausmaß der Steuersatzerhöhung des vorgenannten Gesetzes sei auch nicht unverhältnismäßig. Ebenso wenig seien die Art. 14 und 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verletzt.
Entscheidungsgründe
Die gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil vom Kläger erhobene Beschwerde ist unbegründet. Die Revision ist nicht zuzulassen. Denn es liegt kein Grund vor, der nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Zulassung der Revision führen kann.
Im Einzelnen:
1. Der Kläger rügt als Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO), dass das FG entschieden habe, ohne den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) wegen der Vereinbarkeit des KraftStÄndG 1997 mit der vorgenannten Richtlinie der Gemeinschaft zu befragen. Diese Rüge ist indes unschlüssig, weil das FG selbst dann nicht einen Verfahrensmangel begangen hätte, wenn nach Art. 234 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) Anlass zur Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens bestanden haben sollte (vgl. schon Beschluss des Senats vom 3. Februar 1987 VII B 129/86, BFHE 148, 489, BStBl II 1987, 305).
2. Die Beschwerde behauptet, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung. Sie führt dazu im Wesentlichen aus, es entspreche nicht den ökologischen Zielsetzungen der vorgenannten Richtlinie, den Kraftstoffverbrauch nicht als eine Bemessungsgrundlage für die Kraftfahrzeugsteuer mit heranzuziehen; denn entscheidend sei die absolute Schadstoff- und Kohlendioxydemission eines Kfz, die ganz besonders von der Höhe des Kraftstoffverbrauchs abhänge. Dieses Vorbringen ist nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO nicht ausreichend, um die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, also darzutun, dass bei der Entscheidung der Rechtssache eine bestimmte Rechtsfrage zu beantworten ist, die ―weil umstritten oder nach den einschlägigen Rechtsvorschriften nicht eindeutig zu beantworten― eine Klärung durch die höchstrichterliche Rechtsprechung erfordert. Es fehlt insbesondere schon an der genauen Darstellung, welche Bestimmung der Richtlinie 70/220/EWG von den Mitgliedstaaten verlangt, bei der Kfz-Besteuerung den (konkreten?) Kraftstoffverbrauch eines Fahrzeugs zu berücksichtigen. Im Übrigen übersieht die Beschwerde, dass sich der beschließende Senat bereits in seinem Urteil vom 5. März 2002 VII R 18/01 (BFHE 198, 155, BStBl II 2002, 398) mit der Vereinbarkeit der Steuerstaffel des § 9 Abs. 1 Nr. 2 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG) mit ökologischen Zielsetzungen ―wenn auch in erster Linie aus der Sicht des GG― eingehend auseinander gesetzt hat.
3. Die Revision kann auch nicht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zugelassen werden, weil eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts erforderlich sei, wie die Beschwerde meint.
a) Der erkennende Senat hat bereits entschieden, dass die Erhöhung der Kraftfahrzeugsteuer durch das KraftStÄndG 1997 nicht deshalb zu beanstanden ist, weil die Steuer nicht nur geringfügig erhöht worden ist (Beschluss des Senats vom 21. Februar 2002 VII B 281/01, BFH/NV 2002, 952).
b) Dass diese Erhöhung den Grundsatz des Vertrauensschutzes verletzt, behauptet die Beschwerde lediglich, ohne es nachvollziehbar darzulegen. Kein Steuerpflichtiger kann darauf vertrauen, dass die Steuersätze, die zu einem bestimmten Zeitpunkt gelten, auf Dauer gleich bleiben.
c) Dass die durch das KraftStÄndG 1997 eingeführten Kraftfahrzeugsteuersätze nicht, wie die Beschwerde meint, zu einer "faktischen Enteignung" führen, ergibt sich ebenfalls bereits u.a. aus dem Beschluss des Senats vom 4. Februar 2002 VII B 63/01 (BFH/NV 2002, 815). Die Behauptung der Beschwerde, durch die neuen Steuersätze werde das Halten von Kfz "für finanziell weniger gut Gestellte … fast unmöglich gemacht", ist überdies unsubstantiiert und schon deshalb nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO ungeeignet, die Zulassung der Revision im Hinblick auf eine Prüfung der Vereinbarkeit des KraftStÄndG 1997 mit Art. 14 GG zu erreichen.
d) Das Gleiche gilt für die weitere Behauptung der Beschwerde, durch jenes Gesetz sei eine Strafsteuer eingeführt worden.
e) Auch die Rüge der Beschwerde, infolge der unterschiedlichen Besteuerung von Fahrzeugen mit Ottomotor einerseits und Dieselmotor andererseits werde der "Gleichheits- und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz" verletzt, ist unsubstantiiert. Im Übrigen hat der beschließende Senat die Kfz-Besteuerung unter diesem Gesichtspunkt bereits u.a. in seinem Urteil in BFHE 198, 155, BStBl II 2002, 398 überprüft, ohne dass der Kläger sich in seiner Beschwerdebegründung mit der bisherigen Rechtsprechung des Senats dazu auseinander gesetzt und dargelegt hätte, inwiefern eine weitere rechtsgrundsätzliche Klärung unter dem Gesichtspunkt der Wahrung des Gleichheitssatzes und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erforderlich sein soll.
4. Die schließlich von der Beschwerde erhobene Behauptung, die Zulassung der Revision sei zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (Revisionszulassungsgrund nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO), entbehrt gleichfalls jeder Substantiierung, wenn erneut lediglich allgemein behauptet wird, das KraftStG verstoße gegen "geltendes EG-Recht". Im Übrigen verkennt die Beschwerde, dass die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung "im europäischen Gemeinschaftsraum" in erster Linie Aufgabe des EuGH im Verfahren nach Art. 234 EGV ist. Wo ein solches Verfahren einzuleiten erforderlich ist, kann dies zwar die Zulassung der Revision rechtfertigen; dies setzt jedoch im Beschwerdeverfahren voraus, dass die nach Art. 234 EGV maßgeblichen Umstände in der Beschwerdebegründung entsprechend § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt werden, woran es hier ―wie ausgeführt― fehlt.
Fundstellen
Haufe-Index 892735 |
BFH/NV 2003, 513 |