Leitsatz (amtlich)
Die Frist für die Erhebung der Nichtigkeitsklage gegen einen Beschluß, mit dem eine Revision mangels Postulationsfähigkeit des Prozeßbevollmächtigten (Art.1 Nr.1 BFHEntlG) verworfen worden ist, beginnt bereits mit der Zustellung des Beschlusses an den nicht postulationsfähigen Prozeßbevollmächtigten.
Orientierungssatz
Auch ein durch Beschluß beendetes rechtskräftiges Verfahren kann wiederaufgenommen werden. In diesem Fall ist über die Nichtigkeitsklage nicht durch Urteil, sondern durch Beschluß ohne mündliche Verhandlung zu befinden (vgl. BFH-Beschluß vom 7.11.1969 III K 1/69; Lit.).
Normenkette
FGO § 134; ZPO § 578 Abs. 1, § 586 Abs. 2-3; FGO § 121; BFHEntlG Art. 1 Nr. 1; FGO § 90 Abs. 1 S. 2
Tatbestand
Der erkennende Senat hat die Revision der Klägerin durch Beschluß als unzulässig verworfen. Gegen diese Entscheidung erhob die Klägerin Nichtigkeitsklage. Die Klägerin macht geltend, sie habe erst mit dem Schreiben der Senatsgeschäftsstelle vom 17.Juli 1985 davon Kenntnis erhalten, daß der frühere Prozeßbevollmächtigte nicht postulationsfähig gewesen und deshalb die Revision als unzulässig verworfen worden sei.
Sie beantragt sinngemäß, den Beschluß des Bundesfinanzhofs (BFH) aufzuheben und die Revision für zulässig zu erklären.
Der Beklagte (das Finanzamt --FA--) beantragt, die Nichtigkeitsklage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Nichtigkeitsklage ist unzulässig. Sie ist verspätet erhoben.
1. Gemäß § 134 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann ein rechtskräftig beendetes Verfahren nach den Vorschriften des Vierten Buchs der Zivilprozeßordnung (ZPO) wiederaufgenommen werden. Gemäß § 578 Abs.1 ZPO kann die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Endurteil geschlossenen Verfahrens durch Nichtigkeitsklage erfolgen. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift setzt die Wiederaufnahme zwar ein rechtskräftiges Endurteil voraus. Nach allgemeiner Meinung kann jedoch auch ein durch Beschluß beendetes rechtskräftiges Verfahren wiederaufgenommen werden (vgl. BFH-Beschluß vom 7.November 1969 III K 1/69, BFHE 97, 502, BStBl II 1970, 216; Gräber, Finanzgerichtsordnung, Randnote 2 zu § 134 FGO).
Die Nichtigkeitsklage ist jedoch deshalb abzuweisen, weil die Klägerin die Monatsfrist des § 586 Abs.1 ZPO für die Erhebung der Klage nicht gewahrt hat. Gemäß § 586 Abs.2 ZPO beginnt die Frist mit dem Tag, an dem die Partei von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erhalten hat. Die Kenntnis des Prozeßbevollmächtigten ist der Partei zuzurechnen (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozeßordnung, 38.Aufl., Anm.1 B zu § 586 ZPO; Thomas/Putzo, Zivilprozeßordnung mit Nebengesetzen, 13.Aufl., Anm.1 zu § 586 ZPO). Der Beschluß wurde mittels eingeschriebenen Briefes am 18.März 1985 an den damaligen Prozeßbevollmächtigten abgesandt. Die Entscheidung galt daher mit dem 21.März 1985 als zugestellt (vgl. § 4 Abs.1 des Verwaltungszustellungsgesetzes --VwZG--). Die Nichtigkeitsklage ging jedoch erst am 20.August 1985 beim BFH ein.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist § 586 Abs.3 ZPO im Streitfall nicht anwendbar. Nach dieser Vorschrift läuft die Frist für die Erhebung der Nichtigkeitsklage wegen mangelnder Vertretung (vgl. § 579 Abs.1 Nr.4 ZPO) von dem Tag, an dem der Partei das Urteil zugestellt ist. Eine mangelnde Vertretung im Sinn des § 579 Abs.1 Nr.4 ZPO ist beispielsweise dann zu bejahen, wenn ein Prozeßunfähiger ohne gesetzlichen Vertreter, der nicht richtige gesetzliche Vertreter für den Prozeßunfähigen oder der nicht richtige Prozeßführungsbefugte auftritt. Im Streitfall hat jedoch die Klägerin bei Einlegen der Revision den Vertretungszwang gemäß Art.1 Nr.1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs nicht beachtet. Das Fehlen der Postulationsfähigkeit ist jedoch kein Fall gesetzeswidriger oder fehlender Vertretung. Ein derartiger Mangel betrifft nicht das Vertretungsverhältnis; er bewirkt vielmehr einen Formmangel bei den von dem Postulationsunfähigen vorgenommenen Prozeßhandlungen. Die Entscheidung über eine solche Prozeßhandlung berührt den Regelungsbereich des § 579 Abs.1 Nr.4 ZPO nicht. Da die Nichtigkeitsklage verspätet erhoben ist, ist es dem Senat verwehrt, darüber zu entscheiden, ob die Nichtigkeitsklage begründet wäre.
2. Nach der Entscheidung in BFHE 97, 502, BStBl II 1970, 216 ist im Hinblick darauf, daß über die vorausgegangene Revision durch Beschluß zu entscheiden war, auch über die Nichtigkeitsklage nicht durch Urteil, sondern durch Beschluß ohne mündliche Verhandlung (vgl. §§ 90 Abs.1 Satz 2, 121 FGO) zu befinden.
Fundstellen
Haufe-Index 61140 |
BStBl II 1986, 415 |
BFHE 145, 500 |
BB 1986, 793-794 (ST) |
DB 1986, 1002-1002 (ST) |
DStR 1986, 370-370 (ST) |
HFR 1986, 307-307 (ST) |