Entscheidungsstichwort (Thema)

Beiordnung eines Prozeßvertreters

 

Leitsatz (NV)

Die Beiordnung eines Prozeßvertreters setzt voraus, daß der Beteiligte zumindest eine gewisse Zahl von Rechtsanwälten, Steuerberatern oder Wirtschaftsprüfern nachweisbar vergeblich um die Übernahme des Mandats ersucht hat. Die Anwälte usw., die eine Übernahme des Mandats abgelehnt haben, sind namentlich zu bezeichnen.

 

Normenkette

FGO § 155; ZPO § 78b

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg

 

Tatbestand

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage des Klägers und Antragstellers (Kläger) gegen den Bescheid über Lohnsteuer-Jahresausgleich für 1990 und gegen den Einkommensteuerbescheid für 1991 ab. Gegenstand der Rechtsstreite waren unter anderem Pauschbeträge für die Pflege der Eltern nach § 33 c Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Der Kläger erhob Restitutionsklage nach § 580 Nr. 7 der Zivilprozeßordnung (ZPO), weil nach Erlaß des finanzgerichtlichen Urteils in einem sozialgerichtlichen Verfahren durch Vergleich mit der AOK die "Schwerpflegebedürftigkeit" des Vaters anerkannt worden sei.

Das FG beraumte mündliche Verhandlung an. Den Antrag der Schwester des Klägers auf Verlegung des Termins lehnte es ab. Nach Durchführung der mündlichen Verhandlung wies das FG die Klage als unzulässig ab, weil die als Prozeßbevollmächtigte aufgetretene Schwester des Klägers keine Prozeßvollmacht vorgelegt hatte.

Innerhalb der Revisionsfrist beantragte der Kläger, ihm nach § 78 b Abs. 1 ZPO für die Revision gegen dieses Urteil einen Rechtsanwalt beizuordnen. Zur Begründung führt er aus, die Richter des erkennenden Senats des FG seien befangen. Sie hätten auf seine Terminierungswünsche eingehen müssen, "gerade weil dem Gericht bekannt war, daß kein Rechtsanwalt zu einer sachgem. Mandatsübernahme bereit war". Die schwerwiegenden Verfahrensmängel erforderten "eine Anwaltszuweisung mit bewährten Fachkenntnissen sowie Erfahrungen, da jeder bisher befragte Anwalt es ablehnt, in Sachen konsultiert zu werden, die ungeahnte Hintergrundsschädigungen erwarten lassen können". Das FG habe das rechtliche Gehör versagt, weil es den Antrag auf Verschiebung des Termins zur mündlichen Verhandlung grundlos abgelehnt habe. In einem weiteren Schreiben beantragte die Schwester des Klägers, eine Rechtsreferendarin, sie als Bevollmächtigte für den Kläger zuzulassen.

 

Entscheidungsgründe

1. Der Antrag des Klägers auf Beiordnung eines Rechtsanwalts wird abgelehnt.

Nach § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 78 b ZPO hat der Bundes finanzhof (BFH) einem Beteiligten -- soweit für ein Verfahren vor dem BFH Vertretungszwang besteht -- auf Antrag einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer zur Wahrnehmung seiner Rechte beizuordnen, wenn er einen zu seiner Vertretung bereiten Angehörigen dieser Personengruppe nicht findet und die Rechtsverfolgung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Voraussetzung für die Beiordnung eines Prozeßvertreters ist nach ständiger Rechtsprechung, daß der Beteiligte zumindest eine gewisse Zahl von Rechtsanwälten, Steuerberatern oder Wirtschaftsprüfern nachweisbar vergeblich um die Übernahme des Mandats ersucht hat (Beschlüsse des BFH vom 27. Januar 1988 VIII S 12/87, BFH/NV 1988, 383; vom 9. Dezember 1988 VI S 10/88, BFH/NV 1989, 381; vom 15. Februar 1991 IV R 114/90, BFH/NV 1992, 481; des Oberlandesgerichts Koblenz vom 20. Mai 1981 1 Ws 282/81, Neue Juristische Wochenschrift 1982, 61; vgl. auch BFH-Beschluß vom 18. November 1977 III S 6/77, BFHE 123, 433, BStBl II 1978, 57 unter I.2.). Die Anwälte, die eine Übernahme des Mandats abgelehnt haben, sind namentlich zu bezeichnen.

Der Kläger hat trotz Aufforderung nicht dargelegt, welche Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater er vergeblich ersucht hat, das Mandat für eine Revision gegen das finanzgerichtliche Urteil zu übernehmen.

2. Dem Antrag, die Schwester des Klägers als Prozeßbevollmächtigte zuzulassen, kann ebenfalls nicht entsprochen werden. Vor dem BFH muß sich jeder Beteiligte, sofern es sich nicht um eine juristische Person des öffentlichen Rechts handelt, durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer vertreten lassen (Art. 1 Nr. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs). Als Rechtsreferendarin gehört die Schwester nicht zum vertretungsberechtigten Personenkreis. Ausnahmen sind nicht zugelassen.

3. Gerichtsgebühren sind nicht entstanden, da es sich bei dem Verfahren zur Beiordnung eines Rechtsanwalts, Steuerberaters oder Wirtschaftsprüfers um ein unselbständiges Zwischenverfahren handelt (BFH- Beschluß vom 29. Oktober 1991 VIII S 15/90, BFH/NV 1992, 623; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 62 Rz. 92).

 

Fundstellen

Haufe-Index 422037

BFH/NV 1997, 305

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