Entscheidungsstichwort (Thema)
Beiordnung eines Prozeßbevollmächtigten
Leitsatz (NV)
Die Beiordnung eines Prozeßbevollmächtigten durch das Prozeßgericht setzt voraus, daß der Beteiligte zumindest eine gewisse Zahl von zur Vertretung befugten Personen nachweisbar vergeblich um die Übernahme des Mandats gebeten hat.
Normenkette
FGO §§ 56, 142, 155; ZPO §§ 78b, 114, 117
Tatbestand
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage der Antragstellerin wegen Kindergeld abgewiesen. Es hat die Revision nicht zugelassen. Das Urteil wurde der Tochter der Antragstellerin als ihrer Prozeßbevollmächtigten am 13. September 1997 zugestellt. Die Tochter, eine Rechtsreferendarin, beantragte in einem am 13. Oktober 1997 beim FG eingegangenen Schriftsatz, das Urteil aufzuheben und die Sache einem unbefangenen Senat beim FG zu übertragen. Der Schriftsatz ist mit "Revision und Gegenvorstellung gegen das Urteil vom 23. 4. 97" überschrieben. Darin wird gebeten, daß der Bundesfinanzhof (BFH) zur Begründung der Revisionsschrift einen fachkundigen Rechtsanwalt zuweisen sollte, falls die prozeßbevollmächtigte Rechtsreferendarin als Revisionsberechtigte/Vertretung vom BFH nicht akzeptiert werde.
Die zuständige Geschäftsstelle des BFH hat die Prozeßbevollmächtigte darauf hingewiesen, daß vor dem BFH Vertretungszwang durch einen Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater besteht. Darauf hat die Antragstellerin persönlich mit Schreiben vom 16. Januar 1998 erklärt, daß bereits um die Zuweisung eines fachkundigen Rechtsanwaltes gebeten worden sei.
Entscheidungsgründe
Der Antrag auf Beiordnung eines Prozeßbevollmächtigten ist unbegründet.
Gemäß §155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. §78 b Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO) hat das Prozeßgericht einem Beteiligten auf seinen Antrag für den Rechtszug einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer zur Wahrnehmung seiner Rechte beizuordnen, wenn eine Vertretung durch Anwälte etc. geboten ist, er einen zu seiner Vertretung bereiten Angehörigen dieses Personenkreises nicht findet und die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint. Seit der Einführung des Vertretungszwangs vor dem BFH hat dieser als Prozeßgericht für die durchzuführende Revision oder Nichtzulassungsbeschwerde über die Beiordnung zu entscheiden (BFH-Beschluß vom 18. November 1997 III S 6/77, BFHE 123, 433, BStBl II 1978, 57). Voraussetzung für die Beiordnung eines Prozeßvertreters ist nach ständiger Rechtsprechung, daß der Beteiligte zumindest eine gewisse Zahl von zur Vertretung befugten Personen nachweisbar vergeblich um die Übernahme des Mandats gebeten hat (BFH-Beschlüsse vom 9. Dezember 1988 VI S 10/88, BFH/NV 1989, 381; vom 27. November 1989 IX S 15/89, BFH/NV 1990, 503; vom 8. Januar 1991 IV S 11/90, BFH/NV 1992, 471; vom 24. August 1995 VIII S 1-2/95, BFH/NV 1996, 221).
Im Streitfall hat die Antragstellerin nicht einmal dargelegt, daß sie sich für das vorliegende Verfahren bei auch nur einer zur Vertretung vor dem BFH befugten Person erfolglos um die Übernahme des Mandats bemüht habe.
Auch wenn der Antrag auf Beiordnung eines Prozeßbevollmächtigten als Antrag auf Prozeßkostenhilfe -- PKH -- (§142 FGO i. V. m. §114 Abs. 1 ZPO) auszulegen sein sollte, könnte ein solcher Antrag keinen Erfolg haben. Es fehlte nicht nur an der Vorlage einer Erklärung der Antragstellerin über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem hierfür vorgeschriebenen amtlichen Vordruck (§142 FGO i. V. m. §117 Abs. 4 ZPO), sondern auch an der weiteren Voraussetzung, daß die Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bieten muß (§142 Abs. 1 FGO i. V. m. §114 ZPO).
Die von der Tochter der Antragstellerin, einer Rechtsreferendarin, eingelegte Revision ist unzulässig. Dies ist selbst dann der Fall, wenn man außer acht ließe, daß sich die Antragstellerin bei der Einlegung der Revision nach Art. 1 Nr. 1 Satz 2 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer hätte vertreten lassen müssen und dies tatsächlich nicht geschehen ist. Denn nach Art. 1 Nr. 5 BFHEntlG ist für die Zulässigkeit einer Revision erforderlich, daß das FG oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der BFH sie zugelassen hat. Im Streitfall haben weder das FG noch der BFH die Revision zugelassen. Die Voraussetzungen einer zulassungsfreien Revision gemäß §116 Abs. 1 FGO sind nicht dargelegt worden.
Da die Frist für die Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde (§115 Abs. 3 FGO) gegen das Urteil des FG inzwischen verstrichen ist, hängt der Erfolg einer ggf. einzulegenden Nichtzulassungsbeschwerde durch einen hierzu befugten Prozeßbevollmächtigten u. a. von der Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab (§56 FGO). Die Voraussetzungen dafür sind jedoch nicht gegeben. Die Wiedereinsetzung setzt nämlich voraus, daß der Antragsteller innerhalb der Monatsfrist für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde den Antrag auf Bewilligung von PHK mit den nach §117 Abs. 2 und 4 ZPO erforderlichen Erklärungen über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse einreicht (BFH- Beschlüsse in BFH/NV 1992, 471; vom 29. Oktober 1991 VIII S 15/90, BFH/NV 1992, 623; in BFH/NV 1996, 221). Innerhalb dieser Frist hat die Antragstellerin jedoch weder einen Antrag auf Bewilligung von PKH gestellt noch den Vordruck über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abgegeben.
Gerichtsgebühren entstehen nicht.
Fundstellen
Haufe-Index 67280 |
BFH/NV 1998, 876 |