Entscheidungsstichwort (Thema)
NZB: ausgelaufenes Recht, schwerwiegender Rechtsanwendungsfehler
Leitsatz (NV)
1. Betrifft eine Rechtsfrage ausgelaufenes Recht, so ist im Regelfall eine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich.
2. Die Nichtzulassungsbeschwerde dient auch nach der Neuregelung des Revisionszulassungsrechts nicht dazu, allgemein die Richtigkeit finanzgerichtlicher Urteile zu gewährleisten.
3. Mit einem fehlerhaften Urteil über ausgelaufenes Recht ist weder die Gefahr einer Wiederholung noch ein Nachahmungseffekt verbunden.
4. Weicht ein Urteil von einem Beschluss in einem Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung desselben Bescheides ab, so kann darin nicht von vornherein ein schwerwiegender Fehler gesehen werden.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2, § 116 Abs. 3; EStG § 10e Abs. 6, § 10i
Verfahrensgang
FG München (Urteil vom 11.12.2003; Aktenzeichen 11 K 1205/03) |
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Ihre Begründung entspricht nicht den Anforderungen an die Darlegung von Zulassungsgründen i.S. von § 115 Abs. 2 i.V.m. § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) haben die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Streitfragen nicht hinreichend dargelegt.
1. Im Streit ist die Auslegung des § 10e Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Die Wohneigentumsförderung nach § 10e EStG ist bereits im Jahre 1996 durch das Eigenheimzulagengesetz (EigZulG) abgelöst worden. Der Vorkostenabzug nach § 10e Abs. 6 EStG hat zwar unter der Geltung des EigZulG zunächst in § 10i EStG eine Nachfolgeregelung gefunden. Sie endete nach § 52 Abs. 29 EStG jedoch für Wohnungen, die vor dem 1. Januar 1999 angeschafft wurden, so dass heute Fragen des Vorkostenabzugs dem ausgelaufenen Recht angehören.
a) Betrifft eine Rechtsfrage ausgelaufenes Recht, ist für den Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO anerkannt, dass sie im Regelfall nicht mehr klärungsbedürftig ist (z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 17. Oktober 2001 III B 65/01, BFH/NV 2002, 217, und vom 21. November 2003 III B 67/03, BFH/NV 2004, 336; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rz. 35, m.w.N.).
b) Entsprechendes gilt für den Zulassungsgrund der Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 19. Dezember 2002 V B 61/02, BFH/NV 2003, 638; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 43, 44), in dem der frühere Zulassungsgrund der Divergenz aufgegangen ist.
Dies folgt zum einen schon daraus, dass dieser Zulassungsgrund ein Unterfall des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung ist. Zum anderen ist in einem solchen Fall in der Regel das allgemeine Interesse an der einheitlichen Handhabung und Entwicklung des Rechts nicht berührt und aus diesem Grund kein höchstrichterlicher Klärungsbedarf gegeben.
Eine Klärungsbedürftigkeit kann nur dann gegeben sein, wenn sich die betreffende Rechtsfrage (zumindest) noch für einen nicht überschaubaren Personenkreis in Zukunft weiterhin stellen könnte, wie dies bei Fragen aus fortgeltendem Recht regelmäßig der Fall ist (BFH-Beschluss vom 22. November 1999 III B 58/99, BFH/NV 2000, 748). Nur unter dieser Voraussetzung ist die Befassung des BFH mit altem Recht im Interesse einer einheitlichen Rechtsanwendung von Verwaltung und Gerichten in einer nicht völlig unerheblichen Anzahl von Fällen geboten.
Dies ist gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO darzulegen (BFH-Beschlüsse vom 4. Oktober 1996 VIII B 12/96, BFH/NV 1997, 347; vom 14. September 1999 V B 47/99, BFH/NV 2000, 327; vom 11. Juli 2001 XI B 35/00, BFH/NV 2001, 1595; vom 6. Oktober 2003 VII B 7/03, BFH/NV 2004, 79; vom 29. Oktober 2003 X B 125/03, BFH/NV 2004, 195, und vom 4. Februar 2004 VI B 119/01, BFH/NV 2004, 639). Daran haben es die Kläger fehlen lassen. Sie haben nicht vorgetragen, dass die von ihnen aufgeworfene Rechtsfrage für die Anwendung des Rechts in der Zukunft richtungsweisend sein könnte und noch für eine Vielzahl von Fällen aus der Vergangenheit entscheidungserheblich wäre. Die Beschwerdebegründung genügt deshalb den Anforderungen des § 116 FGO nicht (vgl. Senatsbeschluss vom 18. Februar 2003 X B 58/02, BFH/NV 2003, 622).
2. Mit dem Vorbringen, die Revision müsse zugelassen werden, weil das Urteil des Finanzgerichts einen gravierenden Fehler bei der Anwendung des materiellen Rechts enthalte, haben die Kläger ebenfalls keinen Revisionszulassungsgrund in der vom Gesetz geforderten Weise dargelegt.
a) Zwar ist nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO die Revision gegen ein finanzgerichtliches Urteil u.a. dann zuzulassen, wenn das erstinstanzliche Urteil unter einem so schweren Rechtsfehler leidet, dass sein Fortbestehen das Vertrauen in die Rechtsprechung beschädigen würde (BFH-Beschlüsse vom 14. Februar 2002 VII B 141/01, BFH/NV 2002, 798; vom 28. Juni 2002 III B 28/02, BFH/NV 2002, 1474, und vom 10. Oktober 2002 I B 147/01, BFH/NV 2003, 197). Indes reicht auch nach neuem Recht der Vortrag nicht aus, das Finanzgericht (FG) habe im konkreten Einzelfall unrichtig entschieden und dabei ggf. eine vorhandene höchstrichterliche Rechtsprechung übersehen oder fehlerhaft umgesetzt (BFH-Beschlüsse vom 25. November 2002 I B 2/02, BFH/NV 2003, 488; vom 11. Dezember 2002 IX B 124/02, BFH/NV 2003, 495, und vom 24. Februar 2003 III B 117/02, BFH/NV 2003, 810, jeweils m.w.N.).
b) Auch nach der Neuregelung dient das prozessuale Rechtsinstitut der Nichtzulassungsbeschwerde nicht dazu, allgemein die Richtigkeit finanzgerichtlicher Urteile zu gewährleisten; dies auch dann nicht, wenn der BFH bei einer eigenen Subsumtion aufgrund der getroffenen Feststellungen zu einem abweichenden Auslegungsergebnis gelangen würde. Vielmehr soll mit den neu gefassten Zulassungsgründen neben den Fällen der Divergenz eine Zulassung der Revision ermöglicht werden, wenn dem FG bei der Auslegung und Anwendung des Rechts Fehler von so erheblichem Gewicht unterlaufen sind, dass sie, würden sie von einem Rechtsmittelgericht nicht korrigiert, geeignet wären, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen.
Nach der Begründung zu dem Gesetz zur Reform des Zivilprozesses (BTDrucks 14/3750) ist dies vorzugsweise anzunehmen, wenn Verfahrensgrundrechte verletzt worden sind. Gleiches wird zu gelten haben, wenn das aus Art. 3 Abs. 1 und 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) abzuleitende Recht eines Beteiligten auf eine willkürfreie gerichtliche Entscheidung durch das angefochtene Urteil des FG berührt wird, weil es an einem in der gekennzeichneten Art qualifizierten Fehler leidet (ausführlich BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 798, 799). In einem solchen Fall obliegt es primär der Fachgerichtsbarkeit, im Rahmen der jeweils maßgeblichen Verfahrensordnung die Grundrechte der Beteiligten zu wahren und durchzusetzen (so Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 68, m.w.N.; ebenso Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 115 FGO Rz. 204 f., m.w.N.).
c) Die Kläger haben indes keinen schwerwiegenden Fehler im angefochtenen Urteil dargelegt, der die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO rechtfertigen würde.
Sie haben nicht vorgetragen, dass das Urteil zweifelsfrei objektiv gegen das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG verstoße, weil es jeder Rechtsgrundlage entbehre oder unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar sei(BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2002, 798; in BFH/NV 2002, 1474; vom 23. August 2002 IV B 89/01, BFH/NV 2003, 177, und in BFH/NV 2003, 197; Gräber/ Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 68, § 116 Rz. 45). Sie haben ferner nicht dargelegt, dass die behaupteten Rechtsanwendungsfehler über den Einzelfall hinaus die Interessen der Allgemeinheit nachhaltig berühren, so dass eine revisionsgerichtliche Entscheidung mit Rücksicht auf weitere noch anhängige Rechtsstreite geboten wäre. Insbesondere bei der Anwendung ausgelaufenen Rechts ist mit einem fehlerhaften Urteil weder die Gefahr einer Wiederholung noch ein "Nachahmungseffekt" verbunden (vgl. dazu Wenzel, Neue Juristische Wochenschrift, 2002, 3353 zu § 543 Abs. 2 der Zivilprozessordnung).
Das FG hat seine Entscheidung auf Überlegungen gestützt, die auch der Rechtsprechung des BFH zu entnehmen sind und in der Literatur vertreten werden. Beispielhaft sei hier Drenseck (Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 21. Aufl. 2002, § 10e Rz. 130) genannt, der unter Berufung auf die Urteile des beschließenden Senats vom 11. März 1992 X R 113/89 (BFHE 167, 396, BStBl II 1992, 886) und vom 24. März 1993 X R 25/91 (BFHE 171, 202, BStBl II 1993, 704) ausführt, dass der unmittelbare Zusammenhang einen unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang bedeute.
d) Dass entgegen der Auffassung der Kläger ein Gegensatz zu einem Beschluss in einem Verfahren wegen der Aussetzung der Vollziehung desselben Einkommensteuerbescheids nicht von vorneherein einen gravierenden Fehler darstellt, erklärt sich aus der Natur des summarischen Aussetzungsverfahrens. Hier wird eine vorläufige Entscheidung getroffen, die von der Sache her die Hauptsacheentscheidung nicht präjudizieren kann. Wäre es anders, bedürfte es des Hauptsacheverfahrens nicht. Dies gilt im Streitfall umso mehr, als im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung die Rechtsfigur der anschaffungsnahen Aufwendungen und damit eine andere Rechtsfrage im Streit war, als die des in § 10e Abs. 6 EStG geforderten unmittelbaren Zusammenhangs der Vorkosten mit der Anschaffung des Förderobjekts.
3. Von einer Darstellung des Sachverhalts und einer weiteren Begründung wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO abgesehen.
Fundstellen