Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitbenutzung einer Wohnung und einer Garage als Betriebsstätte; Sachaufklärungspflicht; Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme; ausreichende tatsächliche Feststellungen
Leitsatz (NV)
1. Macht der Kläger geltend, er habe in den neuen Bundesländern eine Betriebsstätte unterhalten, denn er habe neben einem Raum in der Wohnung des Vermieters dessen Garage als Lagerraum mitbenutzt, ist das FG nicht von sich aus verpflichtet, den Umfang der Nutzung der Garage aufzuklären. Es kann vielmehr davon ausgehen, die Garage sei nur in geringem Umfang mitgenutzt und eine Betriebsstätte daher nicht begründet worden.
2. Das FG unterstellt keinen Sachverhalt, der nicht durch ausreichende tatsächliche Feststellungen getragen wird, wenn es folgert, dass der Raum in der Wohnung des Vermieters, in dem sich zum Zeitpunkt der Durchsuchung u.a. ein Sofa, ein Fernsehgerät sowie weitere im Eigentum des Vermieters stehende Gegenstände - etwa Kleidung - befinden, vom Vermieter auch privat genutzt wird. Dieser Schluss ist auch für vorangegangene Jahre zulässig, es sei denn, der Kläger macht geltend, vor der Durchsuchung sei die Möblierung des Raumes anders gewesen.
3. Das FG verstößt nicht gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme, wenn es Aktenvermerke des Steuerfahndungsprüfers verwertet. Die in Behördenakten protokollierten Auskünfte und Wahrnehmungen dürfen grundsätzlich im Wege des Urkundenbeweises in den Finanzgerichtsprozess eingeführt werden. Dies gilt nur dann nicht, wenn die Beteiligten der Verwertung der darin dokumentierten Feststellungen widersprechen oder substantiierte Einwendungen gegen die Richtigkeit der Feststellungen geltend machen.
Normenkette
FGO § 76 Abs. 1 S. 1, § 81 Abs. 1 S. 1, § 96 Abs. 1 S. 1, § 115 Abs. 2 Nr. 3; AO 1977 § 12
Verfahrensgang
FG Baden-Württemberg (Urteil vom 10.10.2003; Aktenzeichen 12 K 145/98) |
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
Gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Die Voraussetzungen müssen dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).
1. Die Verfahrensrügen hinsichtlich der Entscheidung des Finanzgerichts (FG), die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) mitbenutzte Garage des Vermieters sei wegen des geringen Umfangs der Mitbenutzung keine Betriebsstätte, greifen nicht durch.
a) Das FG hat nicht gegen seine Amtsermittlungspflicht nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO verstoßen.
Der Kläger macht geltend, das FG habe nicht aufgeklärt, in welchem Umfang er die Garage der Eheleute F für die Lagerung von Ersatzteilen genutzt habe. Ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung sei dieser Punkt streitig geblieben. Hätte das FG den Sachverhalt durch Vernehmung der Eheleute F, seiner Ehefrau und seines Sohnes aufgeklärt, hätte sich ergeben, dass er die Garage des Herrn F für die Lagerung von Ersatzteilen regelmäßig und berechtigterweise benutzt habe und die tatsächliche Nutzung über eine bloße Mitbenutzung hinausgegangen sei, zumal anderen Mitarbeitern des Unternehmens jederzeit uneingeschränkt Zutritt zu der Garage gestattet worden sei. Dieses vermutliche Beweisergebnis stelle ein Indiz für eine Betriebsstätte (§ 12 der Abgabenordnung --AO 1977--) im Fördergebiet dar. Da sich die Garage außerhalb der Wohnung der Eheleute F befunden habe, hätte das FG auch nicht annehmen können, dass alle vermieteten Räume und Einrichtungen nur von ihm und seinen Familienangehörigen, nicht jedoch seinen übrigen Angestellten, jederzeit uneingeschränkt hätten genutzt werden können.
Das FG musste die Nutzung der Garage nicht von sich aus, etwa durch Befragung der Eheleute F, weiter aufklären.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat --wie von ihm selbst vorgetragen und aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung ersichtlich-- in der mündlichen Verhandlung erklärt, die Garage der Eheleute F sei als Lager benutzt worden. Daneben habe Herr F sein Fahrzeug darin abgestellt. Die Ausführung des FG "Auch insoweit handelte es sich lediglich um eine Mitbenutzung im geringen Umfang, zumal der Vermieter dort auch sein Auto untergestellt hatte.", ist nicht zu beanstanden. In einer Einzelgarage, in der sich bereits ein Fahrzeug des Vermieters befindet, ist wegen des geringen verbleibenden Raumes eine Einlagerung von Ersatzteilen für LKW nur in einem begrenzten Umfang möglich, so dass die Schlussfolgerung des FG, hierdurch sei eine Betriebsstätte i.S. des § 12 AO 1977 nicht begründet worden, möglich ist.
Der Umfang der Nutzung der Garage durch den Kläger und seine Mitarbeiter hätte --sofern es vom rechtlichen Standpunkt des FG hierauf überhaupt ankam-- nur dann weiter aufgeklärt werden müssen, wenn der Kläger entweder einen Beweisantrag gestellt oder substantiiert vorgetragen hätte, die Garage sei außergewöhnlich intensiv genutzt worden oder es handle sich bei der Garage um einen ungewöhnlich großen Raum.
b) Das FG hat auch nicht gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO verstoßen, wenn es aufgrund der Mitbenutzung der Garage durch den Vermieter F nur von einer Lagerung in geringem Umfang ausgegangen ist.
2. § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO ist auch nicht deshalb verletzt, weil das FG aus dem Aktenvermerk des Fahndungsprüfers vom 3. April 1996 und der darin enthaltenen Schilderung des vom Kläger angemieteten Raumes geschlossen hat, der Kläger habe hierin keine Betriebsstätte unterhalten.
Das FG verstößt gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO, wenn es bei seiner Überzeugungsbildung von einer Sachverhaltsfeststellung ausgeht, die nicht durch ausreichende tatsächliche Feststellungen getragen wird (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 6. Dezember 1995 I R 111/94, BFH/NV 1996, 554).
Nach dem Aktenvermerk vom 3. April 1996 der Steuerfahndungsstelle des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--) befanden sich zum Zeitpunkt der Durchsuchung des vom Kläger gemieteten Raums in der Wohnung der Eheleute F auch ein Sofa, ein Fernsehgerät sowie weitere private in deren Eigentum stehende Gegenstände, ferner Kleidungsstücke des Herrn F.
Das FG hat hieraus gefolgert, der Kläger habe in den Räumen keine Betriebsstätte i.S. des § 12 AO 1977 unterhalten. Die Möblierung zeige, dass Herr F während der Abwesenheit des Klägers bzw. dessen Familienangehörigen den Raum auch privat genutzt habe; der Kläger habe den Raum lediglich mitbenutzt. Aufgrund der Lage und der Nutzungsmöglichkeit sei die Verfügungsmacht des Klägers über den angemieteten Raum nicht unbestritten gewesen. Vielmehr sei davon auszugehen, dass anderen Mitarbeitern des Unternehmens als den Familienangehörigen des Klägers kein Zutritt durch die Vermieter gewährt worden sei.
Dieser Schluss anhand des Aktenvermerks der Steuerfahndung ist möglich. Vom Kläger ist weder vor dem FG noch im Beschwerdeverfahren bestritten worden, dass der Vermerk der Steuerfahndungsstelle, der zudem durch Fotos belegt ist, die Möblierung des Raumes zum 3. April 1996 zutreffend wiedergibt. Nach der Rechtsauffassung des FG reichte eine bloße Mitbenutzung von in einer Wohnung des Vermieters gelegenen Räumen für die Begründung einer Betriebsstätte aber nicht aus (vgl. Senatsurteil vom 23. Mai 2002 III R 8/00, BFHE 198, 325, BStBl II 2002, 512; BFH-Beschluss vom 10. November 1998 I B 80/97, BFH/NV 1999, 665).
Es ist auch nicht zu beanstanden, dass das FG von einer gleichartigen Nutzung des Raumes in den Vorjahren ausgegangen ist. Zwar führt dies das FG nicht ausdrücklich aus, unterstellt jedoch stillschweigend, dass der Raum auch in den Vorjahren nicht anders genutzt worden ist.
Der Kläger macht auch nicht geltend, er habe vor dem FG vorgetragen, der Raum sei zum Zeitpunkt der Anschaffung des Wirtschaftsgutes und innerhalb des Dreijahreszeitraumes (§ 2 Satz 1 Nr. 1 des Investitionszulagengesetzes 1991) in anderer Weise möbliert gewesen oder sei von den Vermietern nicht genutzt worden.
3. Unschlüssig ist die Rüge des Klägers, das FG habe gegen § 81 Abs. 1 Satz 1 FGO (Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme) verstoßen, weil es die Auskünfte des Herrn F und die Wahrnehmung des Fahndungsprüfers im Aktenvermerk vom 3. April 1996 verwertet habe, anstatt beide als Zeugen zu vernehmen.
Dem Vortrag des Klägers lässt sich nicht entnehmen, welches abweichende Beweisergebnis die Vernehmung des Steuerfahnders und des Herrn F ergeben hätte. Es ist daher nicht dargetan, dass das Urteil auf dem geltend gemachten Verfahrensfehler beruhen kann.
Da der vom Fahndungsprüfer vorgefundene Zustand des Raumes vom Kläger im Verfahren nicht in Abrede gestellt worden war, hatte das FG im Übrigen auch keine Veranlassung, den Prüfer zu laden. Die in Behördenakten protokollierten Auskünfte und Wahrnehmungen dürfen grundsätzlich im Wege des Urkundenbeweises in den Finanzgerichtsprozess eingeführt werden. Dies gilt nur dann nicht, wenn einer der Beteiligten der Verwertung der darin dokumentierten Feststellungen widerspricht oder substantiierte Einwendungen gegen die Richtigkeit der Feststellungen geltend macht. In diesem Fall hat das FG eine Beweisaufnahme durchzuführen (BFH-Urteil vom 29. Januar 1997 II R 67/94, BFH/NV 1997, 767).
Zudem hat der Kläger --wie das FA im Beschwerdeverfahren vorträgt und vom Kläger nicht in Abrede gestellt wird-- im Klageverfahren ausdrücklich von einer Vernehmung des F wegen dessen schlechten Gesundheitszustandes abgeraten. Stellt sich im finanzgerichtlichen Verfahren die Frage, ob ein von der Steuerfahndung bereits vernommener Zeuge vernommen werden soll und rät der Kläger ausdrücklich von einer Vernehmung des Zeugen ab, kann das FG davon ausgehen, die Äußerungen des Zeugen würden vom Kläger nicht bestritten und eine Vernehmung sei daher nicht erforderlich. Im Streitfall hat zudem das FG nicht sämtliche Äußerungen des F gegenüber der Steuerfahndung zu Lasten des Klägers als wahr unterstellt, sondern nur die im Aktenvermerk enthaltene Angabe, den an den Kläger vermieteten Raum innerhalb seiner Wohnung auch selbst genutzt zu haben. Dieser Umstand ergab sich bereits aus der Möblierung des Raumes (Fernsehgerät, Sofa, Vitrine mit Geschirr und Gläsern).
4. Von der Darstellung des Sachverhalts und einer weiteren Begründung wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO abgesehen.
Fundstellen