Entscheidungsstichwort (Thema)
Einlagerung von Nabelschnurblut nicht zwangsläufig
Leitsatz (NV)
Durch die Entnahme und Einlagerung des Nabelschnurblutes Neugeborener wird keine gegenwärtig bestehende Krankheit behandelt, sondern sie dient der privaten Vorsorge. Die den Eltern dafür entstandenen Aufwendungen können deshalb nicht als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden, wenn nicht eine konkrete Gesundheitsgefährdung drohte.
Normenkette
EStG § 33 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) haben ihrem Sohn bei dessen Geburt Nabelschnurblut entnehmen und einlagern lassen, um die darin enthaltenen Stammzellen bei einer möglichen späteren Erkrankung des Kindes zu Behandlungszwecken einsetzen zu können. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte die dafür entstandenen Aufwendungen in Höhe von 1 800 € nicht als außergewöhnliche Belastung.
Die Klage blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus, die Entnahme von Nabelschnurblut sei nicht zwangsläufig, da der Sohn nicht krank und heilbehandlungsbedürftig gewesen sei. Der spätere Eintritt einer Krankheit, zu deren Behandlung das eingelagerte Nabelschnurblut verwendet werden könne, sei ungewiss. Ob eine sittliche Verpflichtung zur Einlagerung von Nabelschnurblut bestanden habe, könne offen bleiben. Denn dann würde die überwiegende Mehrzahl der Eltern ebenfalls Nabelschnurblut ihrer Neugeborenen einlagern lassen, so dass den Klägern keine größeren Aufwendungen als der Mehrzahl der Steuerpflichtigen entstanden wären. Die Revision ließ es nicht zu.
Mit ihrer dagegen gerichteten Beschwerde tragen die Kläger vor, die Frage, ob Aufwendungen für die Entnahme und Einlagerung von Nabelschnurblut als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden könnten, habe grundsätzliche Bedeutung. Sie stelle sich in einer Vielzahl von gleich gelagerten Fällen, da das von ihnen beauftragte Unternehmen bereits mehr als 35 000 derartiger Stammzellpräparate aus Nabelschnurblut gewonnen habe. Das zunehmende Bekanntwerden dieser Möglichkeit werde die Entnahmezahlen in Zukunft deutlich ansteigen lassen.
Der im Zusammenhang mit § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) verwendete Begriff der Krankheitskosten müsse unter dem Gesichtspunkt des medizinischen Fortschritts weiter entwickelt werden. Die Entnahme und Einlagerung des Nabelschnurblutes diene zwar nicht der Therapie einer vorhandenen Krankheit. Anders als z.B. bei einer Badekur handele es sich aber auch nicht um eine allgemein gesundheitsfördernde oder das persönliche Wohlbefinden erhöhende Maßnahme. Die eingelagerten Stammzellen könnten nur zur Heilung oder Linderung schwerwiegender Krankheiten auf Verordnung des behandelnden Arztes verwendet werden, bis dahin wirke sich ihre Aufbewahrung nicht aus. Bei Eintritt einer derartigen Krankheit stelle sich ihre Einlagerung als zwangsläufig dar, eine Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung im Jahr des Krankheitseintritts scheide aber wegen § 11 Abs. 2 EStG aus. Die allgemeine Bedeutung der Rechtsfrage ergebe sich auch aus der im Zuge der Gesundheitsreformen gewachsenen Eigenverantwortung des Einzelnen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet und wird durch Beschluss zurückgewiesen (§ 132 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Der Frage, ob Aufwendungen für die Entnahme und Einlagerung von Nabelschnurblut zur späteren therapeutischen Nutzung der darin enthaltenen Stammzellen als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden können, kommt keine grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zu, denn sie ist auf der Grundlage der Rechtsprechung des Senats offensichtlich so zu beantworten, wie es das FG getan hat.
Die Einkommensteuer wird nach § 33 Abs. 1 EStG auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen (außergewöhnliche Belastung). Aufwendungen sind außergewöhnlich, wenn sie nicht nur ihrer Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen. Durch § 33 EStG werden zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf berücksichtigt, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Als außergewöhnliche Belastung können mithin grundsätzlich nur solche Aufwendungen abgezogen werden, die einen Bereich der Lebensführung betreffen, welcher der individuellen Gestaltung des Steuerpflichtigen entzogen ist (ständige Rechtsprechung, vgl. die Nachweise im Senatsurteil vom 10. Mai 2007 III R 47/05, BFH/NV 2007, 1968). Bei der Auslegung und Anwendung des § 33 EStG hat die Rechtssprechung Fallgruppen gebildet, von denen im Streitfall allein die Krankheitskosten in Betracht kommen.
Bei den typischen und unmittelbaren Krankheitskosten wird die Außergewöhnlichkeit letztlich unwiderleglich vermutet und die Zwangsläufigkeit dieser Aufwendungen weder dem Grunde noch der Höhe nach geprüft. Durch diese typisierende Anerkennung als außergewöhnliche Belastung soll ein unzumutbares Eindringen in die Privatsphäre des Steuerpflichtigen vermieden werden (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsurteil vom 17. Juli 2003 III R 5/02, BFH/NV 2003, 1568).
Durch Entnahme und Einlagerung des Nabelschnurblutes wird aber nicht eine gegenwärtig bestehende Krankheit behandelt. Sie soll vielmehr die Möglichkeit schaffen, künftig auftretende Erkrankungen durch die darin enthaltenen Stammzellen zu behandeln und dient somit der privaten Vorsorge. Aufwendungen zur Vorbeugung oder Erhaltung der Gesundheit sind aber nicht abzugsfähig, sofern nicht konkrete Gesundheitsgefährdungen drohen (vgl. die Senatsurteile vom 23. Mai 2002 III R 52/99, BFHE 199, 287, BStBl II 2002, 592, betr. Formaldehydemissionen, und vom 9. August 2001 III R 6/01, BFHE 196, 492, BStBl II 2002, 240, betr. Asbestsanierung). Denn vorbeugende Maßnahmen sind nicht zwangsläufig. Auch die Tatsache, dass die Einlagerung des Nabelschnurblutes im Falle seiner späteren Verwendung zur Behandlung einer Krankheit nachträglich als hilfreich und gewissermaßen als Vorstufe der Therapie erscheint, lässt die im Zusammenhang mit der Geburt entstandenen Aufwendungen nicht als unumgänglich erscheinen. Einer Weiterentwicklung des Begriffs der Krankheitskosten --wie die Kläger meinen-- bedarf es nicht.
Fundstellen
Haufe-Index 1873572 |
BFH/NV 2008, 355 |
DStRE 2008, 571 |