Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Fortsetzung des Verfahrens nach Antrag gemäß § 68 FGO bei fehlendem Rechtsschutzbedürfnis
Leitsatz (NV)
1. Der Antrag nach § 68 FGO bewirkt nicht, daß der Änderungsbescheid Gegenstand des (weiteren) Verfahrens wird, wenn durch den Änderungsbescheid das materiell- rechtliche Ziel der Klage erreicht ist.
2. Für eine Fortsetzung des Klageverfahrens gegen den geänderten Bescheid besteht auch dann kein Rechtsschutzbedürfnis, wenn der Änderungsbescheid nicht bestandskräftig, sondern gemäß § 365 Abs. 3 AO 1977 Gegenstand des fortzusetzenden Einspruchsverfahrens geworden ist. Denn der Rechtsschutz ist auch ausreichend gewahrt, wenn der Änderungsbescheid nicht endgültig Bestand haben sollte, der geänderte Bescheid wieder auflebt und erneut Gegenstand des Einspruchsverfahrens wird.
Normenkette
FGO § 68; AO § 365 Abs. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) legten gegen den Bescheid über Lohnsteuer- Jahresausgleich 1985 im Februar 1987 Einspruch ein. Als der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) nicht entschied, erhoben sie im September 1991 Untätigkeitsklage, mit der sie schließlich nur noch die Berücksichtigung von Kinderfreibeträgen in Höhe von 4 264 DM für ihre beiden Kinder begehrten sowie weiter beantragten, das Klageverfahren ruhen zu lassen bzw. auszusetzen, bis das Bundesverfassungsgericht über die von ihnen genannten Verfassungsbeschwerden entschieden habe.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unzulässig ab.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Kläger, die auf § 116 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 5 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gestützt wird. Zudem rügen die Kläger vorsorglich, die Besetzung des erkennenden Senats verstoße gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG).
Während des Verfahrens vor dem Bundesfinanzhof (BFH) erließ das FA am 14. Dezember 1995 einen nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Lohnsteuer-Jahresausgleichsbescheid für 1985. Darin berücksichtigte es die nach dem Steueränderungsgesetz 1991 erhöhten Kinderfreibeträge entsprechend dem Klageantrag in Höhe von 4 264 DM. In den Erläuterungen des Bescheids heißt es, dieser sei an die Stelle des angefochtenen getreten. Der Einspruch habe sich dadurch nicht erledigt. Das Verfahren werde fortgesetzt.
Die Kläger haben den geänderten Bescheid vom 14. Dezember 1995 zum Gegenstand des Verfahrens erklärt (§ 68 FGO i. V. m. § 123 Satz 2 FGO).
Entscheidungsgründe
II. Der Senat entscheidet in der Besetzung, die sich aus der von dem Vorsitzenden des erkennenden Senats getroffenen Regelung über die Mitwirkung der Senatsmitglieder an den Verfahren im Geschäftsjahr 1996 vom 21. Dezember 1995 ergibt. Diese Regelung entspricht den Anforderungen des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.
III. Die Revision ist unzulässig, da für sie kein Rechtsschutzbedürfnis besteht.
1. Die von den Klägern nach Ergehen des Änderungsbescheides des FA vorgenommene Klageänderung ist unzulässig. Wird der angefochtene Verwaltungsakt nach Klageerhebung durch einen anderen Verwaltungsakt geändert, so wird dieser zwar nach § 68 Satz 1 FGO auf Antrag des Klägers Gegenstand des Verfahrens. Das gilt indes nicht, wenn der Änderungsbescheid die Hauptsache des Klageverfahrens materiell erledigt, weil er dem Klagebegehren in vollem Umfang Rechnung trägt (BFH-Urteil vom 31. Oktober 1990 II R 45/88, BFHE 162, 215, BStBl II 1991, 102). Denn dann fehlt es in der Regel an einem Rechtsschutzbedürfnis für eine Fortsetzung des Verfahrens in Gestalt einer Anfechtung des Änderungsbescheides, so daß kein Anlaß besteht, dem Kläger eine diesbezügliche Klageänderung zu ermöglichen. So liegt es hier. Der von den Klägern gestellte Antrag nach § 68 FGO bewirkt nicht, daß der Änderungsbescheid des FA, in dem Kinderfreibeträge in Höhe von 4 264 DM berücksichtigt sind, Gegenstand des (weiteren) Verfahrens wird. Denn die Berücksichtigung der Kinderfreibeträge entspricht in vollem Umfang dem Klagebegehren der Kläger. Es fehlt folglich an einem Rechtsschutzbedürfnis für die Fortsetzung des Klageverfahrens gegen den Änderungsbescheid, weil die Kläger ihr materiell-rechtliches Ziel -- ungeachtet der Abweisung ihrer Klage durch das FG -- erreicht haben.
2. Es kann dahinstehen, ob dem Vorbringen der Kläger zu entnehmen ist, daß sie hilfsweise das Verfahren gegen den geänderten Bescheid fortgesetzt wissen wollen. Denn auch dieser Antrag wäre unzulässig, weil gegenwärtig kein Rechtsschutzbedürfnis für die Untätigkeitsklage gegen den geänderten Bescheid besteht. Der geänderte Bescheid ist durch den Änderungsbescheid suspendiert worden und hat keine Rechtswirkung mehr. Es bedarf keiner Erörterung, ob der Änderungsbescheid, durch den dem Klagebegehren entsprochen worden ist, bestandskräftig ist, oder ob er gemäß § 365 Abs. 3 Satz 1 AO 1977 Gegenstand des fortzusetzenden Einspruchsverfahrens geworden ist. Denn der Rechtsschutz der Kläger ist auch ausreichend gewahrt, wenn der Änderungsbescheid nicht endgültig Bestand haben sollte, der geänderte Bescheid wiederauflebt (vgl. BFH-Beschluß vom 25. Oktober 1972 GrS 1/72, BFHE 108, 1, BStBl II 1973, 231, und Senatsbeschluß vom 11. Februar 1994 III B 127/93, BFHE 173, 14, BStBl II 1994, 658) und (erneut) Gegenstand des Einspruchsverfahrens wird.
Fundstellen
Haufe-Index 421925 |
BFH/NV 1997, 430 |