Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Haftungsumfang des Nachfolgegesellschafters
Leitsatz (NV)
1. Mit den Fragen, ob ein Nachfolgegeschäftsführer neben früheren Geschäftsführern im gleichen Umfang für ausstehende Steuern in Anspruch genommen werden kann, obwohl die Steuern schon vor seiner Bestellung hätten beglichen werden müssen, ihm in seiner Amtszeit weder Geschäftsunterlagen noch Gelder übergeben worden sind und die GmbH über keine liquiden Mittel verfügt hat, wird die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargelegt. Sie sind entschieden.
2. Zahlungsschwierigkeiten oder Zahlungsunfähigkeit der GmbH ändern weder etwas an den steuerlichen Pflichten des GmbH-Geschäftsführers, noch schließen sie sein Verschulden bei Nichterfüllung dieser Pflichten aus. Vielmehr ergibt sich die Haftung schon aus der nominellen Bestellung zum Geschäftsführer und ohne Rücksicht darauf, ob die Geschäftsführung auch tatsächlich ausgeübt werden kann und soll (ständige Rechtsprechung).
3. Zu den Aufgaben des in Haftung genommenen Geschäftsführers gehört es, dem FA die zur Feststellung der Haftungssumme erforderlichen Informationen, insbesondere Angaben über die Höhe der Gesamtverbindlichkeiten und den Umfang ihrer Tilgung im Haftungszeitraum, zur Verfügung zu stellen.
Normenkette
AO 1977 § 34 Abs. 1, § 90 Abs. 1, § 162; FGO § 76 Abs. 1, § 115 Abs. 2 Nrn. 1-3, § 116 Abs. 3 S. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war ab 18. Dezember 1998 zunächst alleiniger Geschäftsführer und ab 11. Juni 1999 zudem Alleingesellschafter der P-GmbH (GmbH). Die GmbH ist weder erloschen noch in Liquidation.
Mit Bescheid vom 26. November 1999 hat der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) den Kläger --neben früheren und späteren Geschäftsführern-- wegen rückständiger Umsatzsteuer und Nebenleistungen der GmbH in Höhe von … DM in Haftung genommen. Mangels Angaben des Klägers zu den übrigen Verbindlichkeiten der GmbH und deren Tilgung im Haftungszeitraum schätzte das FA die Haftungsquote auf 100 %.
Einspruch und Klage, mit denen der Kläger im Wesentlichen die Illiquidität der GmbH, Unkenntnis der Umsatzsteuerschulden und geringes Verschulden als Nachfolgegeschäftsführer geltend machte, blieben erfolglos.
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde beruft sich der Kläger auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und rügt den Verfahrensfehler mangelnder Sachaufklärung durch das Finanzgericht (FG).
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unzulässig und deshalb durch Beschluss zu verwerfen (§ 132 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der Kläger hat keinen Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Weise dargelegt.
1. Der Kläger macht die grundsätzliche Bedeutung der Frage geltend, ob ein Nachfolgegeschäftsführer neben früheren Geschäftsführern im gleichen Umfang für ausstehende Steuern in Anspruch genommen werden kann, obwohl die Steuern schon vor seiner Bestellung hätten beglichen werden müssen, ihm in seiner Amtszeit weder Geschäftsunterlagen noch Gelder übergeben worden seien und die GmbH über keine liquiden Mittel verfügt habe.
Für die nach § 116 Abs. 3 Satz 1 und 3 FGO zu fordernde Darlegung der Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) und der Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) muss der Beschwerdeführer konkret auf eine Rechtsfrage und ihre Bedeutung für die Allgemeinheit eingehen. Hat der Bundesfinanzhof (BFH) über die angesprochene Rechtsfrage bereits entschieden, so ist über die Auseinandersetzung mit der bestehenden Rechtsprechung hinaus zusätzlich darzulegen, weshalb eine erneute Entscheidung des BFH für erforderlich gehalten wird (vgl. BFH-Beschluss vom 29. Oktober 2003 III B 15/03, BFH/NV 2004, 166, m.w.N.). Die Ausführungen des Klägers genügen diesen Anforderungen nicht. Der Senat hat bereits entschieden, dass auch ein Nachfolgegeschäftsführer nach § 34 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) --unbeschadet einer zuvor bereits eingetretenen Pflichtverletzung seines Vorgängers-- verpflichtet ist, fällige Steuern, die er bei seinem Amtsantritt als Steuerrückstände der GmbH vorfindet, an das FA zu entrichten (vgl. Senatsentscheidungen vom 17. Januar 1989 VII R 88/86, BFH/NV 1990, 71, und vom 12. Mai 1992 VII R 15/91, BFH/NV 1993, 143). Mit dieser Rechtsprechung hat sich der Kläger auch nicht ansatzweise befasst und keine Argumente vorgetragen, die ihre Überprüfung in einem Revisionsverfahren geboten erscheinen ließen.
Der Kläger hat auch nicht beachtet, dass die Voraussetzungen für die Haftungsinanspruchnahme des Geschäftsführers sowohl in Bezug auf seine Aufgaben und Möglichkeiten innerhalb der GmbH als auch hinsichtlich des Haftungsumfangs in der Rechtsprechung geklärt sind.
Zahlungsschwierigkeiten oder Zahlungsunfähigkeit der GmbH ändern nach dieser Rechtsprechung weder etwas an den steuerlichen Pflichten des GmbH-Geschäftsführers, noch schließen sie sein Verschulden bei Nichterfüllung dieser Pflichten aus. Vielmehr ergibt sich die Haftung schon aus der nominellen Bestellung zum Geschäftsführer und ohne Rücksicht darauf, ob die Geschäftsführung auch tatsächlich ausgeübt werden kann und ob sie ausgeübt werden soll. Der GmbH-Geschäftsführer kann sich auch nicht damit entschuldigen, dass er von der ordnungsgemäßen Führung der Geschäfte ferngehalten wird und die Geschäfte tatsächlich von einem anderen geführt worden sind. Ist der Geschäftsführer nicht in der Lage, sich innerhalb der Gesellschaft durchzusetzen und seiner Rechtsstellung gemäß zu handeln, so muss er als Geschäftsführer zurücktreten und darf nicht im Rechtsverkehr den Eindruck erwecken, als sorge er für die ordnungsgemäße Abwicklung der Geschäfte (vgl. Senatsurteil vom 11. März 2004 VII R 52/02, BFHE 205, 14, BStBl II 2004, 579, m.w.N.).
Reichen die Mittel zur Tilgung sämtlicher Verbindlichkeiten nicht aus, sind die rückständigen Umsatzsteuerbeträge und Nebenleistungen vom Geschäftsführer in ungefähr dem gleichen Verhältnis zu tilgen wie die Verbindlichkeiten gegenüber anderen Gläubigern (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 26. April 1984 V R 128/79, BFHE 141, 443, BStBl II 1984, 776, 778, m.w.N.). Ist dies nicht geschehen, so liegt im Umfang des die durchschnittliche Tilgungsquote unterschreitenden Differenzbetrages eine schuldhafte Pflichtverletzung vor, für die der Geschäftsführer als Haftungsschuldner einzustehen hat (= Haftungssumme). Zur Feststellung der Haftungssumme kann das FA vom Geschäftsführer einer GmbH, den es als Haftungsschuldner in Anspruch nehmen will, die zur Feststellung des Haftungsumfangs notwendigen Auskünfte über die Gesamtverbindlichkeiten und die anteilige Gläubigerbefriedigung im Haftungszeitraum verlangen (§ 90 Abs. 1 AO 1977). Dies gilt auch für den Fall, dass der Geschäftsführer aus seiner Funktion bereits ausgeschieden ist. Soweit der Sachverhalt nicht aufgeklärt werden kann, ist die Haftungsquote im Schätzungswege festzustellen, die der Wahrscheinlichkeit am nächsten kommt (§ 162 AO 1977).
Der Beschwerde ist nicht zu entnehmen, inwieweit eine für den Ausgang des Rechtsstreits entscheidende Rechtsfrage über diese Rechtsprechungsgrundsätze hinaus noch klärungsbedürftig wäre. Mit den Einwänden der Illiquidität der GmbH und seiner faktischen Handlungsunfähigkeit wendet sich der Kläger vielmehr gegen die materielle Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung. Damit wird jedoch kein Grund gemäß § 115 Abs. 2 FGO dargelegt, der zur Zulassung der Revision führen könnte (vgl. Senatsbeschluss vom 6. September 2004 VII B 179/04, BFH/NV 2005, 227, m.w.N.).
2. Mit der Rüge, die tatsächlichen Feststellungen des FG reichten nicht aus, die Haftung des Klägers dem Grunde nach und in Höhe der festgesetzten Beträge zu bejahen, das FG habe die übrigen Geschäftsführer zu den Verbindlichkeiten der GmbH gegenüber anderen Gläubigern hören müssen, macht der Kläger einen Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO geltend.
Wird die Verletzung der Amtsermittlungspflicht durch das FG gerügt (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO), so ist genau anzugeben, welche konkreten Tatsachen das FG von sich aus hätte aufklären sollen und/oder welche Beweise es von Amts wegen hätte erheben müssen, aus welchen Gründen sich dem FG die Notwendigkeit einer weiteren Aufklärung des Sachverhaltes und/oder einer Beweiserhebung auch ohne einen entsprechenden Antrag hätte aufdrängen müssen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer weiteren Sachaufklärung oder Beweisaufnahme voraussichtlich ergeben hätten und inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhaltes auf der Grundlage der insoweit maßgebenden, ggf. auch unrichtigen materiell-rechtlichen Auffassung des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (vgl. BFH-Beschluss vom 18. Januar 2001 V B 157/00, BFH/NV 2001, 926, m.w.N.). Die Beschwerde äußert sich zu diesen Anforderungen nicht.
Insbesondere verkennt der Kläger, dass es nach ständiger Rechtsprechung zu seinen Aufgaben als in Haftung genommener Geschäftsführer gehört, dem FA die nötigen Informationen zur Verfügung zu stellen (vgl. Senatsentscheidung vom 13. August 2002 VII B 267/01, BFH/NV 2003, 63, m.w.N.).
Zur Ermittlung der zutreffenden Haftungsquote und daraus folgend der Summe, für die der Kläger als Haftungsschuldner einzustehen hat, hätte er eine Aufstellung aller Verbindlichkeiten der GmbH zu Beginn und zum Ende des Haftungszeitraums erstellen sowie --anhand der Kontoauszüge über die Betriebskonten der GmbH-- angeben müssen, in welcher Höhe während des Haftungszeitraums Zahlungen auf die Gesamtverbindlichkeiten der GmbH geleistet worden sind. Aus dem sich aus diesen Zahlen ergebenden Verhältnis der Gesamtverbindlichkeiten zu den Gesamttilgungen im Haftungszeitraum hätte das FA die zutreffende Haftungsquote ermitteln können (Senatsentscheidung vom 31. März 2000 VII B 187/99, BFH/NV 2000, 1322). Der Kläger hat aber keine Angaben über die Höhe der Gesamtverbindlichkeiten und den Umfang ihrer Tilgung im Haftungszeitraum gemacht.
Gegen die unter diesen Umständen unvermeidliche Schätzung des FA hat der Kläger keine substantiierten Rügen vorgetragen.
Fundstellen
Haufe-Index 1498440 |
BFH/NV 2006, 1051 |