Entscheidungsstichwort (Thema)
Unstatthafte außerordentliche Beschwerde und keine Anhörungsrüge
Leitsatz (NV)
1. Ein ausdrücklich als “außerordentliche Beschwerde wegen greifbarer Gesetzeswidrigkeit” bezeichneter Schriftsatz eines Rechtsanwalts, der keine Ausführungen enthält, die als Anhörungsrüge verstanden werden könnten, ist als unstatthaft zu verwerfen.
2. § 68 FGO setzt Identität des Gegenstandes des angefochtenen und des geänderten oder ersetzten Bescheids voraus.
Normenkette
FGO §§ 132, 133a, 86 Abs. 3, § 68
Verfahrensgang
FG Münster (Urteil vom 26.06.2006; Aktenzeichen 6 K 3938/95 F) |
Tatbestand
I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) beantragten bei der zuständigen Verwaltungsbehörde vergeblich eine Bescheinigung nach § 7h Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Ebenso erfolglos war ihre an den Beklagten und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) gerichtete Aufforderung, von der Verwaltungsbehörde die Ausstellung der Bescheinigung zu verlangen. Daraufhin beantragten sie beim Finanzgericht (FG), in einem finanzverwaltungsrechtlichen selbständigen Feststellungsverfahren nach § 86 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung festzustellen, ob die Verweigerung der Erteilung der Bescheinigung nach § 7h Abs. 2 Satz 1 EStG durch die Stadt rechtmäßig sei.
Das FG behandelte diesen Antrag als Klage, die es nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch Urteil vom 26. Juni 2006 abwies, ohne die Revision zuzulassen.
Dagegen wandten sich die Kläger mit einem ausdrücklich als außerordentliche Beschwerde bezeichneten Schriftsatz vom 12. Juli 2006 "zwecks Abhilfe im Sinne der neu gefassten und neu eingefügten Vorschrift des § 133a Abs. 1 Nr. 2 FGO". Zugleich baten die Kläger im Falle der Erfolglosigkeit um unverzügliche Übersendung "dieser erhobenen außerordentlichen Beschwerde wegen greifbarer Gesetzeswidrigkeit an den zuständigen Bundesfinanzhof (BFH) gemäß § 86 Abs. 3 Satz 1 FGO". Zur Begründung verwiesen sie ausschließlich auf einen Vollstreckungsabwehrantrag analog §§ 707, 767 der Zivilprozessordnung an die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), mit dem angestrebt wurde, die Vollstreckung einer vom BVerfG angeordneten Missbrauchsgebühr zu verhindern.
Entscheidungsgründe
II. Der Schriftsatz der Kläger vom 12. Juli 2006 ist entsprechend seiner ausdrücklichen Bezeichnung als außerordentliche Beschwerde und nicht als Anhörungsrüge i.S. des § 133a FGO zu betrachten. Der 12 Seiten umfassende Schriftsatz enthält keine Ausführungen, die als Rüge i.S. des § 133a FGO verstanden werden könnten. Einer dahingehenden Auslegung steht weiter entgegen, dass für die Kläger ein zur Vertretung vor dem BFH befugter Prozessbevollmächtigter handelt.
1. Die außerordentliche Beschwerde ist nicht statthaft und daher als unzulässig zu verwerfen (§ 132 FGO).
Seit Einführung des § 133a FGO durch das Gesetz über die Rechtsbehelfe bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör vom 9. Dezember 2004 (BGBl I 2004, 3220) zum 1. Januar 2005 ist die außerordentliche Beschwerde wegen sog. greifbarer Gesetzeswidrigkeit als außerordentlicher, gesetzlich nicht geregelter Rechtsbehelf nicht mehr statthaft (einhellige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom 30. November 2005 VIII B 181/05, BFHE 211, 37, BStBl II 2006, 188, und vom 22. Juni 2006 IX B 108/06, BFH/NV 2006, 1696; Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 15. Februar 2006 IV ZB 57/04, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht 2006, 695).
2. Der im Schriftsatz der Kläger vom 20. Juli 2006 enthaltene Hinweis auf § 68 FGO und die inzwischen getroffene Einspruchsentscheidung des FA in Sachen Einkommensteuerbescheid für 2004 berührt die im vorliegenden Verfahren zu beantwortende Frage der Statthaftigkeit einer außerordentlichen Beschwerde nicht; die Einspruchsentscheidung des FA betrifft entgegen der Ansicht der Kläger nicht den Gegenstand des Urteils, gegen den sich ihre außerordentliche Beschwerde richtet.
Fundstellen