Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensaussetzung bei Zwischenurteil über ein Zeugnisverweigerungsrecht
Leitsatz (NV)
Die Rüge, das FG hätte das Hauptverfahren bis zur Rechtskraft des dem Zeugen ein umfassendes Zeugnisverweigerungsrecht zubilligenden Zwischenurteils nach § 74 FGO aussetzen müssen, kann keinen Erfolg haben, wenn das Zwischenurteil inzwischen vom BFH bestätigt worden ist.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1, 3, Abs. 3, §§ 74, 76 Abs. 1
Tatbestand
Streitig ist die Zurechnung einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) als Einnahme des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) bei den Einkünften aus Kapitalvermögen.
Der Kläger und K waren in den Streitjahren zu je 50 v. H. an einer GmbH beteiligt. Die GmbH war Auftraggeberin und Beteiligte zu 51 v. H. an der Firma R. Ltd. in Sri Lanka. Im Jahre 1989 stellte die Außenprüfung fest, daß auf dem Girokonto der GmbH belastete Zahlungsabgänge per 31. Dezember 1983 und 6. Februar 1984 in Höhe von insgesamt 340 000 DM als Erhöhung der Beteiligung an der R. Ltd. gebucht worden waren. Tatsächlich hatte der Kläger die Beträge seinem privaten Konto bei der Kreissparkasse H gutschreiben lassen.
Im Klageverfahren gegen die vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt -- FA --) geänderten Einkommensteuerbescheide vom 10. November 1989 für die Streitjahre hat das Finanzgericht (FG) K als Zeugen über die Behauptung des Klägers vernommen, im Jahre 1984 seien 340 000 DM nicht von dem Kläger vereinnahmt, sondern der Firma R. Ltd. zugeflossen. Der Zeuge K hat die Behauptung des Klägers im wesentlichen bestätigt.
Unter dem 30. Juni 1994 ergingen geänderte Einkommensteuerbescheide, in denen der Betrag von 100 000 DM als vGA des Jahres 1983 und 240 000 DM als vGA des Jahres 1984 bei den Einkünften des Klägers aus Kapitalvermögen erfaßt wurden. Gegen diese Änderungsbescheide legten die Kläger erfolglos Einspruch ein und erhoben danach Klage. Mit Beschluß vom 31. Mai 1995 hat das FG die Verfahren miteinander verbunden. K hatte zwischenzeitlich seine Zeugenaussage widerrufen. Der Kläger beantragte weiterhin, K vor dem Senat als Zeugen zu vernehmen. Mit Ladung zum Verhandlungstermin vom 31. Januar 1996 und Belehrung über ein Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 84 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 103 der Abgabenordnung (AO 1977) "wenn Sie sich durch Ihre Zeugenaussage zur Frage des Verbleibs der streitigen Gelder von 340 000 DM in dem nunmehr angesetzten Termin strafgerichtlicher Ver folgung aussetzen würden", teilte K dem Gericht mit, er mache von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch und verweigere die Aussage. Nach Rüge des Klägervertreters im Termin zur mündlichen Verhandlung zur Aussageverweigerung des K und Anregung eines Zwischenurteils verhandelte das FG weiter zur Sache. Mit am Schluß des Sitzungstages ergangenem Zwischenurteil erkannte das FG das Zeugnisverweigerungsrecht des K nach § 84 FGO i. V. m. § 103 AO 1977 an. Ebenfalls am Schluß des Sitzungstages erließ das FG das klageabweisende Endurteil.
Mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision, der das FG nicht abgeholfen hat, machen die Kläger Verfahrensmängel sowie grundsätzliche Bedeutung geltend.
Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Soweit die Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage aufwerfen, ob das beklagte FA, das als zuständiges Wohnsitz- FA die Erstbescheide zur Einkommensteuer für die Streitjahre erlassen hat, noch zum Erlaß der Einspruchsentscheidung über zwischenzeitlich vom örtlich zuständig gewordenen FA D erstellten Änderungsbescheide berechtigt war, ist sie unzulässig.
Nach § 115 Abs. 3 Satz 3 i. V. m. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache in der Beschwerdeschrift dargelegt werden. Das Darlegen erfordert substantiierte Angaben darüber, weshalb die zu dieser Rechtsfrage zu treffende Revisionsentscheidung aus Gründen der Rechtsklarheit, der Rechtseinheitlichkeit oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Wird geltend gemacht, die Frage sei höchstrichterlich nicht entschieden, ist zudem eine Auseinandersetzung mit den wichtigsten im Schrifttum und der Rechtsprechung der FG dazu vertretenen Auffassungen notwendig (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 6. August 1986 II B 53/86, BFHE 147, 219, BStBl II 1986, 858, 859; vom 31. August 1995 VIII B 21/93, BFHE 178, 379, BStBl II 1995, 890, 892; vom 19. Februar 1996 VIII B 3/95, BFH/NV 1996, 685). Die Beschwerdeschrift führt zur grundsätzlichen Bedeutung der angesprochenen Rechtsfrage lediglich aus, das vormals zuständige Wohnsitz-FA habe das Verwaltungsverfahren an das durch Wohnsitzwechsel der Kläger zuständig gewordene FA abgegeben und sei daher zur Fortführung des Verfahrens nach § 26 Satz 2 AO 1977 nicht mehr befugt gewesen. Die Einspruchsentscheidung des beklagten FA über die Änderungsbescheide vom 30. Juni 1994 hätte deshalb durch Urteil aufgehoben werden müssen. Mit diesem Vortrag wendet sich die Beschwerde gegen die Sachentscheidung des FG, womit die grundsätzliche Bedeutung nicht dargetan werden kann (ständige Rechtsprechung, BFH-Beschluß vom 9. Dezember 1994 VIII B 117/93, BFH/NV 1995, 509, 510). Auch die Behauptung, eine Rechtsfrage sei von allgemeinem Interesse für alle Steuerpflichtigen und betreffe die Prinzipien und Grundsätze des Steuerrechts, genügt zur Darstellung der allgemeinen Klärungsbedürftigkeit einer Rechtssache nicht (vgl. BFH-Beschlüsse vom 21. August 1986 V B 46/96, BFH/NV 1987, 171, und vom 5. November 1992 X B 85/92, BFH/NV 1993, 373).
2. Die Beschwerde führt auch nicht zur Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensverstoßes nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 i. V. m. § 76 Abs. 1, § 74 FGO.
Die Kläger stützen ihre Rüge darauf, daß das FG das Beweisaufnahmeverfahren nicht abgeschlossen habe, weil es, ohne die Erledigung des Zwischenstreits über das Aussageverweigerungsrecht des als Zeugen benannten K abzuwarten, zur Hauptsache weiter verhandelt und gleichzeitig mit dem Zwischenurteil ein Endurteil in der Hauptsache erlassen habe. Mit diesem Vorbringen haben die Kläger einen Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens wegen unterlassener Aussetzung des Verfahrens (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 i. V. m. § 74 FGO) und mangelnder Sachaufklärung gerügt (§ 76 FGO).
Ein Verfahrensfehler i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO ist ein Fehler, den das FG bei der Handhabung des Verfahrens begeht, sofern durch diese falsche Behandlung der materielle Inhalt seiner Entscheidung beeinflußt sein kann (BFH-Beschluß vom 8. Februar 1993 I B 127--128/92, BFH/NV 1993, 551). In diesem Sinne stellt es nach ständiger Rechtsprechung des BFH (BFH-Urteil vom 12. November 1985 IX R 85/82, BFHE 145, 308, BStBl II 1986, 239, m. w. N.) einen Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens dar, wenn ein FG eine Sachentscheidung trifft, obwohl es das Klageverfahren gemäß § 74 FGO hätte aussetzen müssen; d. h., wenn das FG die Sachentscheidung zu einem Zeitpunkt getroffen hat, in dem dieser noch ein Hindernis entgegen stand.
Zwar ist die Entscheidung, das Klageverfahren gemäß § 74 FGO auszusetzen, eine Ermessensentscheidung des FG. Allerdings können die besonderen Umstände des Einzelfalles das FG zu einer Aussetzung des Verfahrens zwingen, so daß im Unterlassen der Verfahrensaussetzung ein Ermessensfehlgebrauch liegt, der zu einem Verfahrensverstoß führt (BFH-Beschluß vom 8. Mai 1991 I B 132, 134/90, BFHE 164, 194, BStBl II 1991, 641):
Ob eine Verfahrensaussetzung bis zur Rechtskraft des dem Zeugen K ein umfassendes Aussageverweigerungsrecht zubilligenden Zwischenurteils in diesem Sinne geboten war (vgl. dazu Schumann in Stein/Jonas, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 20. Aufl., § 387, Rdnr. 17; Greger in Zöller, Zivilprozeßordnung, 20. Aufl., § 387 Rdnr. 6, 7; List in Hübschmann/Hepp/Spi taler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 82 FGO Rdnr. 64, m. w. N.; Stöcker in Beermann, Finanzgerichtsordnung, § 84 Rdnr. 14), kann offenbleiben. Denn die Verfahrensrüge kann nur dann Erfolg haben, wenn die Möglichkeit besteht, daß das Urteil bei richtigem Verfahren anders ausgefallen wäre (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 115 Teilz. 34, m. w. N.). Danach hätte die Verfahrensrüge rechtswidrig unterlassener Aussetzung des Verfahrens bis zum Abschluß des Zwischenstreits über das Zeugnisverweigerungsrecht des vom Kläger benannten Zeugen nur dann Erfolg, wenn das FG im Zwischenurteil zu Unrecht ein umfassendes Zeugnisverweigerungsrecht anerkannt hätte. In diesem Falle wäre das Zwischenurteil aufzuheben mit der Folge, daß das FG erneut Termin zur Beweisaufnahme anzuberaumen und den Zeugen zu vernehmen hätte (vgl. § 82 FGO i. V. m. § 368 ZPO; Schumann in Stein/Jonas, a.a.O., § 387 Rdnr. 17; BFH- Beschluß vom 27. März 1991 IV B 30/90, BFH/NV 1992, 391, 392). Das trifft im Streitfall nicht zu. Der Senat hat mit Beschluß vom 17. März 1997 VIII B 41/96 BFH/NV 1997, 736 die Beschwerde der Kläger gegen das Zwischenurteil des FG zurückgewiesen und damit das Zeugnisverweigerungsrecht des K rechtskräftig bestätigt.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ab.
Fundstellen
Haufe-Index 422184 |
BFH/NV 1997, 857 |