Entscheidungsstichwort (Thema)
Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung
Leitsatz (NV)
Soll ein Steuerbescheid einem ausländischen Staatsangehörigen zugestellt werden, ist dessen Aufenthaltsort allgemein unbekannt, wenn das Finanzamt (Zustellungsbehörde) vergeblich versucht hat, bei dem Einwohnermeldeamt und der Ausländerbehörde den Aufenthaltsort zu erfahren.
Normenkette
VwZG § 15
Tatbestand
Der Kläger und Antragsteller (Antragsteller) ist österreichischer Staatsbürger. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) stellte ihm die Einspruchsentscheidungen vom 16. Januar 1986 betreffend Einkommensteuer 1981 und Umsatzsteuer 1981 und 1982 öffentlich zu; als Zustellungstag galt der 4. Februar 1986 (§ 15 Abs. 3 des Verwaltungszustellungsgesetzes - VwZG -). Das FA hatte zuvor vergeblich versucht, bei dem Einwohnermeldeamt und der Ausländerbehörde die Anschrift des Antragstellers zu erfahren. Der Antragsteller befand sich nach einer erst in diesem Verfahren in Fotokopie vorgelegten Bescheinigung bis zum 7. Februar 1986 in einer Justizvollzugsanstalt in Abschiebungshaft.
Am 7. Dezember 1987 beantragte der Antragsteller bei dem FA Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Das FA lehnte den Antrag ab. Der Antragsteller erhob am 29. März 1988 Klage, die das Finanzgericht (FG) mit der Begründung abgewiesen hat, sie sei nicht fristgerecht erhoben worden; die öffentliche Zustellung der Einspruchsentscheidungen sei nicht zu beanstanden; Wiedereinsetzung in den vorigen Stand könne im Hinblick auf § 56 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht gewährt werden.
Der Antragsteller beantragt Prozeßkostenhilfe für eine Nichtzulassungsbeschwerde, mit der ein Verfahrensmangel geltend gemacht werden soll: Das FG habe seinen Antrag auf Beiziehung der Ausländerakte abgelehnt, aus der sich ergeben hätte, daß die Ausländerbehörde sehr wohl Kenntnis von seinem Aufenthaltsort gehabt habe.
Entscheidungsgründe
Der Antrag ist unbegründet.
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 142 Abs. 1 FGO i. V. m. § 114 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung). Dabei mag zugunsten des Antragstellers unterstellt werden, daß sich aus den Akten der Ausländerbehörde, deren Beiziehung das FG unterlassen hat, der damalige Aufenthaltsort des Antragstellers ergeben hätte. Dieser Umstand würde indessen die Wirksamkeit der öffentlichen Zustellung der Einspruchsentscheidungen nicht in Frage stellen.
Gemäß § 15 Abs. 1 Buchst. a VwZG kann durch öffentliche Bekanntmachung zugestellt werden, wenn der Aufenthaltsort des Empfängers unbekannt ist. Der Antragsteller weist zutreffend darauf hin, daß die öffentliche Zustellung nicht schon dann zulässig ist, wenn der Zustellungsbehörde die Anschrift des Empfängers unbekannt ist; die Anschrift muß vielmehr allgemein unbekannt sein (Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum VwZG i. d. F. vom 27. April 1973, BStBl I 1973, 220 unter Nr. 19, 2 a; Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 18. März 1971 V R 25/67, BFHE 102, 20, BStBl II 1971, 555; BFH-Beschluß vom 17. Oktober 1985 IV B 67/85, BFH/NV 1986, 576).
Dies bedeutet nicht, daß sich die Zustellungsbehörde auch die Kenntnis vom Aufenthaltsort des Empfängers zurechnen lassen müßte, die außerhalb ihres Bereichs - z. B. in anderen Behörden - besteht. Es kommt vielmehr allein auf die Kenntnis der Zustellungsbehörde (und ihrer Bediensteten) an, wobei allerdings zu verlangen ist, daß sie sich einen allgemeinen Überblick über den Verbleib des Empfängers verschafft. Diese Prüfung kann, je nach den Umständen des Einzelfalls, Erkundigungen bei anderen Behörden oder Privatpersonen erforderlich machen. Die Ermittlungen müssen so sorgfältig sein, daß als ihr Ergebnis aus der Sicht der Zustellungsbehörde feststeht, daß der Aufenthaltsort des Empfängers allgemein unbekannt ist (BFH-Urteile in BFHE 102, 20, BStBl II 1971, 555; vom 26. Juni 1986 IV R 202/84, BFH/NV 1987, 98). Unerheblich ist, daß die Zustellungsbehörde zu diesem Ergebnis aufgrund unrichtiger Auskünfte gelangt ist, sofern sie die Unrichtigkeit der Auskünfte nicht erkennen konnte.
Im Streitfall hat das FG zu Recht angenommen, daß dem FA der Aufenthaltsort des Antragstellers i. S. des § 15 Abs. 1 Buchst. a VwZG unbekannt war. Das FA hatte bei den Behörden, denen nach Lage der Dinge am ehesten eine Kenntnis vom Aufenthaltsort des Antragstellers zuzutrauen war (Einwohnermeldeamt, Ausländerbehörde), vergeblich nach einer Adresse des Antragstellers geforscht. Damit hatte sich das FA einen allgemeinen Überblick verschafft. Keiner Auskunft war zu entnehmen, daß der Antragsteller in der Justizvollzugsanstalt einsaß. Das FA hatte keinen Anlaß, an der Auskunft der Ausländerbehörde zu zweifeln.
Fundstellen
Haufe-Index 417136 |
BFH/NV 1991, 13 |